Fantasy-Abenteuer über eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Außenseitern, die durch ein Portal in eine bizarre, quaderförmige Welt geraten.
FAST FACTS:
• Erste Verfilmung nach Motiven des legendären Videogames: mit mehr als 300 Millionen Einheiten das meisterkaufte Spiel aller Zeiten
• Regie führte Jared Hess, einst gefeiert für seine schrägen Indiehits „Napoleon Dynamite“ und „Nacho Libre“
• Nicht nur die Besetzung mit Jack Black und Jason Momoa (anstelle von Dwayne Johnson) lässt an die „Jumanji“-Filme denken
• Kinostart kurz vor den Osterferien, wie von „Ein Super Mario Bros. Film“ vor zwei Jahren vorgemacht
• Ausgezeichnete Vorverkaufszahlen
CREDITS:
O-Titel: A Minecraft Movie; Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 101 Minuten; Regie: Jared Hess; Drehbuch: Chris Bowman & Hubbel Palmer, Neil Widener & Gavin James, Chris Galletta; Besetzung: Jason Momoa, Jack Black, Emma Myers, Jennifer Coolidge, Danielle Brooks, Sebastian Eugene Hansen; Verleih: Warner Bros. Discovery; Start: 3. April 2025
REVIEW:
In einer Zeit, in der Realität und Satire oft nur schwer voneinander zu unterscheiden sind, lässt sich sogar aus einem Softdrink ein unfassbar erfolgreicher Blockbuster für die ganze Familie machen. „Ein Minecraft Film“ sollte demnach ein Selbstläufer für Warner Bros. sein: mit einem Konzept, das wie die Summe aus „The LEGO Movie“ und „Barbie“ klingt, das auf dem meistverkauften Videogame aller Zeiten basiert und eine Anziehungskraft entwickeln könnte, die weit über die Kernzielgruppe hinausgeht – die riesige, weltweite Fan-Community, die bereits dafür gesorgt hat, dass sich die popkulturelle Relevanz von Minecraft bis in „South Park“- und „Simpsons“-Episoden ausdehnen konnte. Für diejenigen, denen das alles trotzdem entgangen ist: Minecraft ist ein Sandbox- und Open-World-Game, in dem Spieler aus würfelförmigen Blöcken so ziemlich alles kreieren können, was ihre Fantasie hergibt, anders gesagt ein Videospiel ohne Storyline. An der Überwindung dieses Problems haben Warner Bros. Pictures, Legendary Entertainment und Microsoftzehn Jahre lang gearbeitet, sich schließlich auf eine Realverfilmung geeinigt und diese Jared Hess anvertraut, der mit der autobiografisch gefärbten Highschool-Komödie „Napoleon Dynamite“ 2004 einen Kultklassiker des Independent-Kinos geschaffen hat.
Hess‘ Filme haben einen sehr eigenen, verschrobenen Humor, eine unschuldig-naive Retro-Sensibilität und Ästhetik, die ein wenig an Wes Anderson erinnert, seine letzte Kinoproduktion war die starbesetzte Smart-Dumb-Krimikomödie „Masterminds: Minimaler IQ, maximale Beute“ (2016), deren Autorenteam Chris Bowman und Hubbel Palmer nun auch für das Drehbuch von „Ein Minecraft Film“ mitverantwortlich zeichnen. Der Cast wird angeführt von Jack Black, der in Hess‘ zweitem Kinofilm „Nacho Libre“ eine denkwürdige Performance als „mexikanischer“ Luchador ablieferte und hier außerdem die Lyrics für einige Originalsongs des Soundtracks beisteuerte, die Mark Ronson und Andrew Wyatt produzierten. Deren „Barbie“-Hit „I’m Just Ken“ folgt nun die rockige Nummer „I Feel Alive“, mit Dave Grohl am Schlagzeug und Troy Van Leeuwen(Queens of the Stone Age) an der Gitarre, und Jack Blacks hinreißende „School of Rock“-Hommage am Ende des Films ist ein guter Grund, sich diesen auch als Erwachsener ohne jegliche Game-Play-Erfahrung anzusehen. Der Weg zu diesem nostalgischen Finale führt über einen „Jumanji“-ähnlichen Handlungsbogen, der vorsieht, dass vier Außenseiter zufällig aus der menschlichen Welt in ein bizarres, würfelförmiges Wunderland gesaugt werden, wo alles Runde ins Eckige gehört (selbst Jack Blacks Bart und Körper), was nicht passt, wird passend gemacht oder bleibt auf der Strecke (der Verstand, die Wokeness). Die Charaktere sind klar und eindeutig umrissen wie in den „LEGO Movies“: Garrett „The Garbage Man“ Garrison (Jason Momoa) trauert als Besitzer des Elektro-Fachgeschäfts „Game Over World“ seinem früheren Ruhm als Videospiel-Champ des Jahres 1989 hinterher; Dawn (Danielle Brooks) träumt davon, mit einem mobilen Streichelzoo ihr Geld zu verdienen; Natalie (Emma Myers) hat ihre eigenen Pläne auf Eis gelegt, um sich nach dem Tod ihrer Mutter um ihren jüngeren, smarten, erfinderischen Bruder Henry (Sebastian Eugene Hansen) zu kümmern, der jeden Spielcode knacken kann, aber an seiner neuen Highschool keine Freunde findet. Die Story beginnt wie ein „Napoleon Dynamite“-Zitat und mit klassischem Jared-Hess-Humor („Es gibt kein Ich in Team, aber zwei in richtig gut“), der sich den Protagonisten nicht erschließt, die an vielen Stellen darauf hinweisen, dass die Welt, in die sie geraten sind, keinen Sinn ergibt.
Bei Licht betrachtet hat diese eine wundersame Schönheit, wird die Sonne ausgeknipst, wanken Zombies, Skelette und andere Gruselgestalten aus den Ecken hervor, um den Neuankömmlingen Angst und Schrecken einzujagen. Grund für all das ist Jack Blacks Steve, die einzige Figur, die auf einem Standard-Minecraft-Avatar basiert, der als Mentor fungiert und auch den Unwissenden im Publikum die Regeln erklärt. Im Prolog erfährt man, dass das Paralleluniversum Steves Vorstellungskraft entsprungen ist, der sich auf der Flucht vor dem Erwachsensein in seiner Fantasie vergraben hat, die offenbar zu einem Teil aus Mittelerde und zum anderen aus Las Vegas besteht. Es ist eine überwältigende, detailreiche Bilderwelt, die „Herr der Ringe“-Produktionsdesigner Grant Major und das Visual-Effects-Team von Wētā FX erschaffen haben, eine ständig wachsende und gedeihende treppenartige Landschaft, vollgestopft mit allem, was die Minecraft-Enzyklopädie hergibt, mit putzigen, scharfkantigen Lamas, Hühnern, Pandabären, die von Herz-Emojis begleitet werden, alles fühlt sich digital und organisch zugleich an, wie eine mehrdimensionale Spieleoberfläche aber ohne Tiefe und Seele. Denn während Steve diese Oberwelt mit seinem Geist beherrscht wie Obi Wan Kenobi, war er darin bislang vollkommen allein. Aus der anfänglichen Rivalität zu Garrett, der den hühnenhaften harten Kerl gibt, aber sogar vor einem Zombie-Baby davonläuft, entwickelt sich nun eine anspielungsreiche Bromance.
Jack Blacks herrlicher, enthusiastischer, alberner Wahnsinn, in dem das unschuldige Herz eines großen Kindes steckt und ein großes Staunen über die wundersame und theatralische menschliche Existenz, die auch das Werk von Jared Hess durchzieht, färbt auf Jason Momoa ab, der mit Pony-Frisur und pinkfarbener Fransen-Bikerjacke Axl Rose und Barbie nacheifert. Steves Welt ist allerdings nicht nur rosig, seit er in der höllischen Dimension Nether gefangen war, die von orkähnlichen Schweinemonstern und deren Anführerin Malgosha beherrscht wird, die Kunst und Kreativität ausrotten und Menschen in Koteletts verwandeln will. Die fünf Freunde müssen sich gemeinsam der Bedrohung stellen, um nach Hause zurückzufinden und diverse Level meistern, mit einem gewaltigen Ausmaß an Zerstörungslust. Ein Lichtblick in dem etwas ermüdenden Spektakel ist eine Nebenhandlung, in der Jennifer Coolidge als Highschool-Direktorin im „echten“ Leben einen würfelförmigen Minecraft-Charakter datet, der versehentlich darin gelandet ist. Sobald der Film die Spieleoberfläche verlässt, den Schauspielern den Vortritt lässt, von denen mindesten eine Hälfte vernachlässigt wird, zeigt sich der Indie-Spirit des Regisseurs, der einmal mehr eine tragikomische Geschichte über nerdige Außenseiter erzählt, die sich in einer Welt behaupten müssen, in der sich alles gegen die Verwirklichung ihrer Träume und ihre Einzigartigkeit verschworen hat. Die wahre Größe des Films liegt darin, dass er sich zu keinem Zeitpunkt ernst nimmt, sich seiner Absurdität stets bewusst ist und es am Ende dennoch schafft, seine rührende universelle Botschaft in die Realität zu transportieren: Nur Feiglinge wählen den Weg der Vernichtung, wir sollten unsere Fantasie gemeinsam nutzen, um die Welt zu einer besseren zu machen, was heutzutage tatsächlich wie die Quadratur des Kreises klingt.
Corinna Götz