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REVIEW KINO: „Die Akademie“


Persönlich gefärbte Coming-of-Age-Story über eine junge, idealistische Studentin, die sich im Mikrokosmos einer Kunstakademie behauptet.

CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland 2025; Laufzeit: 104 Minuten; Drehbuch: Camilla Guttner; Regie: Camilla Guttner; Besetzung: Maja Bons, Luise Aschenbrenner, Jean-Marc Barr, Andreas Lust, Christoph Luser, Felix Phönix Lehmann, Jonathan Joèl Albrecht; Verleih: Weltkino; Start: 20.3.2025

REVIEW:
Idealistisch, naiv, voller Euphorie betritt die 19-jährige Johanna „Jojo“ Benz (Maja Bons) mit staunenden Augen eine neue Welt – die Akademie der Bildenden Künste in München. Die Berlinerin hat das große Los gezogen: einen Platz in der Malereiklasse des weltberühmten Robert Copley (Jean-Marc Barr). Kaum angekommen, findet sie sich inmitten eines kreativen Mikrokosmos wieder, in dem Studenten und Dozenten im besten Fall eine eingeschworene Gemeinschaft bilden. In weniger heiteren Momenten ist der Hochschulbetrieb ein toxisches Minenfeld, auf dem Konkurrenzdruck, Eitelkeiten, Narzissmus und das fragwürdige Verhalten männlicher Professoren den Ton angeben. Im Laufe eines Jahres, in dem sich Jojo als Meisterschülerin beweisen muss, wird vor allem ihr Selbstbewusstsein auf die Probe gestellt, Copley will keines ihrer Bilder gefallen, sein frustrierter Assistent (Felix Phönix Lehmann) schikaniert sie, wo er kann. Sie scheitert an einem Brotjob, weil sich ihre Auftraggeberin partout nicht in Jojos abstraktem Familienporträt wiedererkennen will. Ihre gerade fertiggestellten Arbeiten verschwinden spurlos, ein mysteriöser, psychisch gestörter Berufsstudent (Christoph Luser) ist hinter ihr her, ihr vernachlässigter Freund Simon (Jonathan Joèl Albrecht) setzt sie vor die Tür. Als ihre Kommilitonin Siri (Luise Aschenbrenner) aufgrund einer Laune des Skandalprofessors Norbert Roeg (Andreas Lust) hochkant aus dessen Klasse fliegt, steht ihr Jojo bei, unterstützt ihren Racheakt und bepinselt die halbe Stadt mit giftig grüner Farbe, was Siri überraschenderweise den Durchbruch als Street Artist beschert – auf Jojos Kosten, deren Träume an den Absurditäten der Kunstwelt, dem Sexismus älterer Galeristen und zwischenmenschlichen Enttäuschungen zu zerplatzen drohen.

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Camilla Guttners „Die Akademie“ mit Maja Bons (Credit: Luca Bigazzi)

Alle stolpern, straucheln, verlieren sich mehr oder weniger im kreativen Prozess, müssen Niederlagen verschmerzen, sollen unangepasst und sich selbst treu bleiben. „Maybe painting does come from pain“, sinniert Jojo, verkörpert von Maja Bons mit einer bezaubernden, melancholischen Wahrhaftigkeit. Sie verleiht ihrer sensibel und zerbrechlich wirkenden Figur eine unzerstörbare Willenskraft, lässt sich wie die Filmemacherin selbst von nichts in die Schranken weisen. Als Gratwanderin zwischen Malerei, Film und Musik verarbeitet Camilla Guttner einmal mehr eigene Erfahrungen, bewegt sich zwischen Satire, Drama, Komödie, Mystery und Coming-of-Age, mit einer unbekümmerten Mach’s-einfach!-Haltung, mit der sie nicht nur einen internationalen Star wie Jean-Marc Barr gewinnen konnte (der seine Rolle schon 2019 in der Kurzfilm-Version von „Die Akademie“ spielte), sondern dazu noch den italienischen Kameraveteran Luca Bigazzi, über den sie im Rahmen ihres Studiums an der HFF bereits eine Kurzdokumentation drehte.

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Camilla Guttners „Die Akademie“ mit Jean-Marc Barr und Maja Bons (Credit: Luca Bigazzi)

Bigazzis Handschrift durchdringt jede Einstellung, lässt den Film bisweilen wie eine Lehrstunde in Lichtgestaltung aussehen, bringt Maja Bons mit ihren wasserstoffblonden Haaren und dem hellen Gesicht von innen heraus zum Strahlen, während ihre Umgebung besonders in der zweiten Hälfte eher in Düsternis versinkt. Die Kamera lenkt Jojos forschenden Blick in jeden Winkel der Akademie, beleuchtet das manchmal surrealistisch anmutende Geschehen mit ironischer Distanz, behält stets den Realismus und die Schönheit der Kunst im Auge. Viele der gezeigten Werke stammen von Camilla Guttner, es gibt Überschneidungen zu früheren Arbeiten, als wollte sie ihr wiederkehrendes Motiv auf der großen Leinwand noch einmal übermalen, dasselbe Thema, dieselben Charaktere in ein neues Licht rücken. Es gibt wieder einen Cameo-Auftritt des Schweizer „Elektro-Schlager“-Sängers Dagobert (der im Übrigen schon in zwei Filmen von Klaus Lemke mitwirkte), der Vernissagen crasht und sich ein bisschen in die Protagonistin verliebt, quasi als Anti-Akademiker ihre Malerei mit dem Herzen betrachtet und beweist, wie man ohne Furcht und Kompromisse die Menschen mit seinem Talent berührt und sich als (Lebens-)Künstler selbst verwirklicht.

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Camilla Guttners „Die Akademie“ mit Maja Bons (Credit: Luca Bigazzi)

Nebenbei erfährt man, dass es gerade einmal zwei Prozent der Absolventen schaffen, sich auf dem Kunstmarkt zu behaupten, von dem ein recht desillusionierendes Bild gezeichnet wird. „Die Akademie“ stellt viele kritische Fragen und lässt sie grundsätzlich unbeantwortet. Wie weit darf Kunst gehen? Welche Opfer muss man für seine Träume bringen? Und kann man das alles überhaupt lernen? Man muss es selbst herausfinden, lautet Copleys Devise – „aber das braucht Zeit.“ Gelegentlich hätte man auch dem Film mehr Zeit gewünscht, um hier und da etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Am Ende fühlt er sich fast so an wie der Pilot zu einer Serie (und ist es womöglich), die man sehr gerne sehen würde. Ein Film, der seine Fühler nach allen Seiten und buchstäblich Richtung „Fame“ ausstreckt, mit dieser berührenden, mitreißenden Darstellung des kollektiven Strebens nach Erfolg und Individualität. Weder die Figuren, die Story, noch die Inszenierung lassen sich in einen Rahmen pressen, alles bleibt offen, stetig auf der Suche, bis die Geschichte ganz zum Schluss für einen Moment zur Ruhe kommt, Jojo auf der Treppe vor der Akademie innehält, der Blick in sich geht und die Kamera in der Hauptfigur das Licht im Schatten findet.

Corinna Götz