Eindringliches Drama über einen unkonventionellen Lehrer in der spanischen Provinz, der 1936 ins Kreuzfeuer der Faschisten gerät.
FAST FACTS:
• Großer Erfolg an den spanischen Kinokassen mit 250.000 Tickets
• Nominierungen für 5 Goyas
• Basierend auf einer wahren Geschichte, die in Spanien für Furore sorgte
• Leinwandrückkehr von Laia Costa, die für „Victoria“ vor zehn Jahren eine Lola gewinnen konnte
CREDITS:
O-Titel: El maestro que prometió el mar; Land / Jahr: Spanien 2023; Laufzeit: 105 Minuten; Regie: Patricia Font; Besetzung: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa, Rámon Agirre, Gael Apricio; Verleih: 24 Bilder; Start: 6. Februar 2025
REVIEW:
Der neue Film von Patricia Font trifft einen Nerv, könnte kaum aktueller sein, obwohl sich ein Großteil seiner Handlung vor 90 Jahren abspielt, Mitte der Dreißigerjahre, als der spätere spanische Militärdiktator Franco, dessen Todestag sich Ende 2025 zum 50. Mal jährt, zunehmend an politischem Einfluss gewinnt und die Nationalisten die Herrschaft im Land mit Gewalt an sich reißen. Der Umgang mit dem Faschismus im eigenen Land ist keine Novität im spanischen Kino. Neu ist die Brücke, die Filmemacher vermehrt schlagen von der Gegenwart in die Vergangenheit, eine intime Form der Aufarbeitung, der Versuch, eine Haltung zu finden zu dem tonnenschweren Gewicht, mit dem der Franquismus auf dem Bewusstsein der Nation lastet. Die Massengräber, in denen abertausende vermeintliche Gegner im Zuge von brutalen Säuberungen spurlos verschwanden und die erst seit Beginn dieses Jahrtausends nach und nach geöffnet werden, sind ein zentraler Handlungspunkt in Pedro Almodóvars „Parallele Mütter“. Und sie stehen im Mittelpunkt von „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“, der die wahre Geschichte des katalanischen Lehrers Antoni Benaiges erzählt, der als Zugereister in der nordspanischen Provinz mit seinen unkonventionellen Lehrmethoden Argwohn in seiner Gemeinde erzeugt und schließlich ins Visier der Faschisten gerät.
Der Film beginnt indes 75 Jahre später, mit der Entdeckung und mühevollen Aushebung eines Massengrabs in La Pedraja in der Provinz Burgos, in dem schließlich mehr als 100 Leichen gefunden worden. Hierhin reist die junge Mutter Ariadna aus Barcelona, gespielt von Laia Costa, die als Titelheldin von Sebastian Schippers „Victoria“ 2015 eine Lola als beste Schauspielerin gewinnen konnte, in der Hoffnung, Hinweise auf den Verbleib ihres Urgroßvaters zu finden, um ihrem Großvater im Altersheim den letzten Wunsch zu erfüllen. Am Grab lernt sie einen Mann kennen, der damals mit ihrem Großvater in dieselbe Grundschule ging in Bañuelos de Bureba, wo 1935 mit Antonio ein neuer Lehrer in ihr Leben tritt, dessen fortschrittliche Lehrmethoden den Kindern alsbald die Welt bedeuten, bei den Erwachsenen in dem tiefkatholischen Dörfchen indes Argwohn wecken. Fortan springt der Film zwischen den beiden Zeitebenen, setzt sie immer wieder in ein Verhältnis miteinander und verbindet sie, was dem zentralen Anliegen des Films entspricht, das Erinnern und Gedenken als maßgebliche Elemente für die Heilung von Traumata zu nennen.
Es ist ein ernster, aber kein strenger Film. Im Gegenteil. Seine Zartheit fällt auf, sein liebevoller Blick auf den Umgang des Lehrers mit den Kindern, der sie für voll nimmt und ihr Interesse und ihre Neugier wachkitzelt. Als Antoni, der darauf drängt, einfach nur bei seinem spanischen Vornamen „Antonio“ genannt zu werden, zu Beginn auf das Pult eines Jungen zugeht, dem das Federmäppchen heruntergefallen ist, reißt der Junge instinktiv die Arme vors Gesicht, weil er Schläge erwartet. Aber es gibt keine Gewalt, keine Strenge bei Antonio, nur Verständnis und Freude an der Vermittlung von Wissen. Sein rotes Hemd ist der einzige Farbtupfer in dieser kargen Welt und dem einfachen Städtchen. Es wird dann später wieder eine Rolle spielen, dann aber aus einem anderen Grund. Enric Auquer ist gut besetzt als Antonio, der es als seine Aufgabe ansieht, alle Eltern davon zu überzeugen, ihm die Erlaubnis zu erteilen, mit ihm ans Meer zu fahren, das sie noch nie gesehen haben. Ein Film der Möglichkeiten ist „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ und ein Film darüber, wie autokratische Kräfte Möglichkeiten zunichte machen. Begleitet werden die Bilder auf Augenhöhe von sanften Klavierklängen, dessen Säuseln an das Meer erinnert, das Meer, das der Lehrer den Kindern versprochen hat und ihnen schenkt, auch wenn er selbst niemals mehr sieht: Die Leiche von Antonio Benaiges wurde nie gefunden. Der Film lässt aber keinen Zweifel an seinem Schicksal. Gut, dass es ihn gibt, diesen Film. Er ist sehenswert.
Thomas Schultze