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REVIEW KINO: „Broke. Alone. A kinky love story”

Frische und überraschende Sexkomödie über eine junge Frau, die in zwei Wochen in Quarantäne alle ihre Geldprobleme lösen muss, um nicht aus der Wohnung zu fliegen.

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 95 Minuten; Regie: Anna Unterweger; Drehbuch: Michael Lütje, Hauke Schlichting, Anna Unterweger; Besetzung: Nora Islei, Julian Bloedorn, Pauline Afaja, Gedeon Burkard, Tim Wilde, Caroline Beil, Guido Broscheit, Tobias Schenke, Luna Schweiger; Verleih: Filmwelt; Start: 19. September 2024

REVIEW:
Nach den ersten fünf Minuten ahnt man noch nicht, zu was für einem beglückenden Filmerlebnis „Broke. Alone. A kinky love stoy“ sich entwickeln wird, wie erfrischend, unverblümt und treffsicher das Spielfilmdebüt der Österreicherin Anna Unterweger geraten ist, ein steter Quell origineller Ideen und tiefer Einblicke in seine Figuren. Allen voran die Heldin dieser Sexkomödie, Sarah, eine sympathisch offene und unkonventionelle Kunststudentin, deren Leben das clevere und clevere Haken schlagende Drehbuch von Michael LütjeHauke Schlichting und Unterweger gleich in den ersten fünf Minuten komplett eingleisen lässt – um sie dann die nächsten 90 Minuten nutzen zu lassen, unerwartete Lösungen für eine vermeintlich aussichtslose Situation zu finden. Es ist ein Film, produziert in echter Guerrilla-Manier von Hauke Schlichting und Guido Broscheit, der um sein Publikum kämpft und es gewinnt, weil er sich als unwiderstehlich erweist, sexy, aber nie lüstern, sinnlich und körperbejahend, aber nie voyeuristisch oder übergriffig. 

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Nora Islei in Anna Unterwegers „Broke. Alone. A kinky love story“ (Credit: Filmwelt)

„How to Survive a Quarantine” lautet der ursprüngliche Titel des Films, der wunderbar umreißt, um was es geht. Aber doch nur an der Oberfläche kratzt, denn gleich in den ersten Minuten des Films ertappt Sarah ihren Freund beim Fremdgehen in ihrer Wohnung im eigenen Bett und muss feststellen, dass er die vergangenen sechs Monate nicht wie vereinbart ihr Geld für die Miete überwiesen, sondern in einen Online-Camgirl-Service investiert hat, weshalb ihr jetzt der Rausschmiss droht: Zwei Wochen räumt ihr Vermieter ihr noch ein, die substanzielle Summe aufzutreiben. Ein echtes Problem, wenn man nur 1300 Euro auf der Kante hat und viel zu stolz ist, vor dem Papa zu Kreuze zu kriechen, um ihn um den Betrag anzubetteln. Erschwerend kommt hinzu, dass Sarah nach einem positiven Coronatest für die kommenden zwei Wochen an ihre Wohnung gefesselt ist und nun nicht nur gegen Langeweile, sondern auch noch ihre Existenz kämpfen muss.

Zunächst erscheint ihre Entscheidung, die Flucht nach vorn anzutreten und es selbst als Camgirl auf besagtem Dienst (noodleshaker.com) zu versuchen – Branchenname: Lexi Feucht –, töricht und in seiner verrückten Naivität als hundertprozentig zum Scheitern verurteilt. Aber „Broke. Alone. A kinky love story“ entwickelt daraus seinem Titel entsprechend eine überraschende und überaus anrührende, kein Blatt vor den Mund und das Kameraobjektiv nehmende Geschichte, wenn Sarah ihren durchgehend männlichen Kunden gegenübertritt und ihre Kommunikation schnell weit über das hinausgeht, was sie, dressed for sex, zunächst anbietet. Schnell wächst einem die junge Frau ans Herz – und mit ihr die Männer, deren bisweilen derbe Fantasien und oft brüsk-markiges Auftreten der Film mit der ähnlichen neugierigen Belustigung registriert wie seine Heldin, die sich unverkrampft entblößt, auch nackte Haut zeigt, aber doch nie Lustobjekt ist. So entsteht ein bemerkenswerter Film über Einsamkeit und die Sehnsucht nach Verbindung, Wünsche, Begierde und Fantasien, der selbstbewusst seiner Hauptfigur beim Wachsen zusieht und sie im Umgang mit den Männern, die sich online zuschalten und denen sie doch eigentlich zu Diensten sein müsste, nicht nur witzig und positiv auf deren Existenz einwirkt, sondern auch selbst eine Stärke und Selbstbewusstsein in sich entdeckt, die ihr bislang fremd war. Regisseurin Unterweger registriert das in ihrer klugen Inszenierung, wenn sie Sarah zu Beginn ihres Abenteuers noch ungelenk und unsicher tanzen und sich dann im Verlauf immer souveräner bewegen lässt. Was dann auch noch die Tür öffnet für eine schöne Romanze mit dem Mitbewohner ihrer besten Freundin, der zunächst nur mit verächtlichen Kommentaren auffällt, sich dann aber alsbald als verwandte Seele erweist, als Lifeline zum Leben diesseits der Quarantäne. 

Dass dieser so wunderbar unmögliche Film funktionieren kann, verdankt er neben der Regie mit ihren knallbunten Einfällen und ihrem unerschütterlichen Vertrauen in seine Figuren natürlich seiner Hauptdarstellerin: Nora Islei, die man bislang bestenfalls in der Miniserie „Westerwall“ in einer kleineren Rolle gesehen hat, ist ein Entdeckung, wunderbar mutig und großzügig in ihrer Darstellung, verschwenderisch in ihrem Körpereinsatz, zuerst mit breitem Pinselstreich angelegt und dann ganz fein ausgearbeitet, als würde eine Comicfigur vor den Augen des Zuschauers zu Leben erwachen. Atemberaubend ist die Bandbreite der Schauspielerin, die ihre Sarah eine vielschichtige moderne Frau sein lässt, mal eine naiv und unbedarft erscheinende Studentin, mal ein verführerischer Vamp, wenn es das Rollenspiel vor der Webcam verlangt. Man will „Broke. Alone. A kinky love story“ nicht einfach eine Visitenkarte für Anna Unterweger und Nora Islei nennen. Damit täte man dem Film unrecht, weil das sein kommerzielles Potenzial unter den Tisch kehren würde. Vielmehr wünscht man sich, dass das Publikum die Entdeckung bei den Filmtagen Köln ebenfalls für sich entdeckt und von seinem Charme und gutem Humor einfangen lässt. 

Thomas Schultze