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REVIEW KINO: „28 Years Later“


Auftakt für neue Horror-Trilogie, in der ein Zwölfjähriger erstmals das von Wut-Infizierten Festland Schottlands besucht.

CREDITS:
Land / Jahr: Großbritannien, USA 2025; Laufzeit: 115 Minuten; Drehbuch: Alex Garland; Regie: Danny Boyle: Besetzung: Aaron Taylor-Johnson, Ralph Fiennes, Jodie Comer, Jack O’Connell, Alfie Williams, Emma Laird; Verleih: Sony; Start: 19. Juni 2025

REVIEW:
Zärtlichkeit ist nicht unbedingt ein Attribut, dass man sich von einem Horrorfilm, einem Horrorfilm über Zombies noch dazu, erwarten würde. Und auch in „28 Years Later“ gibt es in den ersten 60 Minuten, vielleicht sogar 70 oder gar 80 Minuten wenig Hinweise darauf, dass Zärtlichkeit eine Rolle spielen könnte in diesem sehr blutigen, sehr krassen Szenario. Wenn man das Kino dann verlässt, nach 115 Minuten Laufzeit, sieht die Sache anders aus. Da ist man erstaunt, wie sehr bewegt man ist von der Geschichte, die sich Danny Boyleund Alex Garland 23 Jahre nach „28 Days Later“ haben einfallen lassen für die von ihnen ersonnene Welt, die sich nunmehr 28 Jahre in Alarmstufe rot befindet. Förmlich aus dem Nichts taucht sie auf, eine liebevolle Zartheit, und ist doch so zwingend, dass sie schmerzt: Damit hat man nicht gerechnet. Wirklich nicht, echt nicht. Tatsächlich klopft man skeptisch noch einmal die ganze Handlung ab, ob uns die Herren Boyle und Garland womöglich an der Nase herumgeführt, uns gefoppt haben, ein kleiner, mieser Taschenspielertrick. Nein, es ist ein Film aus einem Guss: Wenn die Raserei zu Beginn nicht wäre, der ganz abnormale Wahnsinn, würde der Rest nicht funktionieren, könnte „28 Years Later“ niemals seine vernichtende Wirkung entfalten, einem das Herz aus dem Leib gerissen werden, wie es hier der Fall ist.

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„28 Years Later“ von Danny Boyle (Credit: Sony)

Seine Zombies würden sich so lähmend bewegen, hatte „Night of the Living Dead“-Schöpfer George Romero einst erklärt, weil er die Albtraumlogik schätze, dass es trotz ihrer Langsamkeit kein Entkommen gäbe. „28 Days Later“ brach mit der Tradition, bevor es Zack Snyder, Marc Forster und „The Walking Dead“ der maßgeblichen britischen Produktion des Jahres 2002 nachmachten: Hier fielen die Untoten in rasanter Geschwindigkeit über ihre Opfer her. Viel wurde darüber geschrieben, dass es sich streng genommen auch gar nicht um Zombies handelte, sondern um Infizierte, von einem Wut-Virus Befallene, was den Film von Danny Boyle und dem damals für seinen von Boyle verfilmten Roman bekannt gewordenen Schriftsteller Alex Garland mit seinem ersten Originaldrehbuch rückblickend gespenstisch prophetisch sein lässt. Damals war er vor allem ein perfekt geschnürtes Paket, dessen grimmiger und entschlossener Ernst sich nahtlos verschränkte mit dem geschmackvoll ausgewählten Soundtrack („Season Song“ von Blue States!!!) und dem treffsicheren Gespür der Filmemacher für filmischen Pop: Was wir uns nicht den Mund fusselig redeten über den irrwitzigen Einstieg, in dem ein blutjunger Cillian Murphy mutterseelenallein durch ein menschenleeres London irrt. Wie haben sie das gemacht?

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„28 Years Later“ von Danny Boyle (Credit: Sony)

Dass es zwischenzeitlich noch einen „28 Weeks Later“ gab, inszeniert von dem Spanier Juan Carlos Fresnadillo und mit Robert Carlyle, Jeremy Renner und Rose Byrne in den Hauptrollen, klammern Boyle und Garland bei ihrer Rückkehr in das von ihnen geschaffene Szenario aus. Dafür referenzieren sie wiederholt sehr deutlich den ersten Film, den man indes nicht gesehen haben muss, um direkt mitfiebern zu können. Ein kurzer Einstieg macht das Publikum mit den Anfängen des Virus vertraut, diesmal mit den schottischen Highlands als Schauplatz, springt dann aber schnell 28 Jahre nach vorn, wenn der Ausnahmezustand längst Alltag geworden ist. Mit ätzendem Brexit-Humor wird berichtet, dass es Europa gelungen sei, den Virus zurückzudrängen und auf Großbritannien zu beschränken. Auf einer kleinen vorgelagerten Insel hat sich eine Gemeinde seine gut befestigte Trutzburg eingerichtet: Einzig ein schmaler Steinpfad verbindet sie mit dem Festland, und auch das nur bei Ebbe. Längst ist es Tradition, dass Väter ihre Söhne als Initiationsritus mit ihrem ersten eigenen Bogen mitnehmen auf die andere Seite, wo sie ihren ersten Infizierten töten sollen. „Good lad“, sagt der Vater dann.

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„28 Years Later“ von Danny Boyle (Credit: Sony)

Genau das hat Jamie, gespielt von Aaron Taylor-Johnson, vor mit seinem zwölfjährigen Sohn Spikey (was für eine Entdeckung: Alfie Williams), was ihm auch eine Gelegenheit gibt, Abstand von der angespannten Situation zuhause gewinnen zu können: Immer stärkere und in ihrer Frequenz zunehmende Kopfschmerzattacken und Bewusstseinsaussetzer fesseln Spikeys Mutter Isla, gespielt von Jodie Comer, ans Bett, fortwährend gepeinigt, ein Schatten ihrer selbst. In blitzschnellen assoziativen Schnittfolgen unterschneidet Boyle diese frühen Momente mit Filmszenen früherer Kriege auf britischem Boden und Archivmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg, begleitet von Rudyard Kiplings Gedicht „Boots“, in der 1915 eingesprochenen Fassung von Taylor Holmes, die sich wiederholenden Gedanken eines Infanteristen der britischen Armee, der während des Zweiten Burenkrieges marschiert: „Boots—boots—boots—boots—movin‘ up an‘ down again / Men—men—men—men—men go mad with watchin‘ em / An‘ there’s no discharge in the war!“ Das sorgte in den effektiven Trailern für den Film für eine beklemmende Stimmung. Im Film ist es nicht anders: Was Jamie und Spikey auf ihrem Jagdausfug erleben, ist mit dem Schrecken des Krieges gleichzusetzen, auch wenn hier keine Armeen gegeneinander antreten, sondern Menschen auf die verschiedenen Spezies der Infizierten stoßen: fettleibige Infizierte, die sich nur robbend fortbewegen, die schnellen Infizierten, wie man sie aus dem ersten Film kennt, und schließlich die Alphas, durch den Virus zu „Berserkern“ mutierte Kampfmaschinen mit überdurchschnittlicher Intelligenz und übermenschlicher Kraft. Als Vater und Sohn an einer Tankstelle vorbeikommen, fehlt im Schriftzug das „S“: HELL. In der Tat.

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Dr. Kelson (Ralph Fiennes) in „28 Years Later“ von Danny Boyle (Credit: Sony)

Es ist eine Episode von unbeschreiblicher Spannung und atavistischer Gewalt in einem England wie in „Herz der Finsternis“, in der Spikey in der Ferne aber auch ein hoch loderndes Feuer entdeckt und die Hoffnung in ihm aufkeimen lässt, dort den sagenumwobenen Dr. Kelso zu finden. Der Junge ist besessen von der Hoffnung, dass er derjenige ist, der in der Lage ist, seiner Mutter in ihrem bemitleidenswerten Zustand zu helfen. Man ist kein Spielverderber, wenn man verrät, dass dieser Dr. Kelso von Ralph Fiennes gespielt wird – ihn hat man schon in den Trailern gesehen: eine exzentrische Figur, die in den Händen jedes anderen Schauspielers vermutlich lächerlich wirken würde, von Fiennes aber so überzeugend als Antwort auf Marlon Brandos General Kurtz verkörpert wird, dass man sich nicht sattsehen kann. Alles Weitere soll der Zuschauer:in selbst entdecken: Der Weg, den Danny Boyle und Alex Garland einschlagen, ist überraschend und unvorhergesehen und erschütternd, lässt den Film mit einer letzten eindeutigen Referenz an „28 Days Later“ enden und hat dann noch Zeit, überzeugend den Boden für den zweiten Teil zu bereiten, „28 Years Later: The Bone Tower“ von Regisseurin Nia Da Costa, der im Januar folgen wird: Wenn dieser erste Film als unmittelbare Referenz „Apocalypse Now“ haben sollte, dann legen diese letzten Momente nahe, dass im nächsten Teil „Clockwork Orange“ Pate steht. 

Thomas Schultze