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REVIEW FILMFEST MÜNCHEN: „naked“


Bei den Öffentlich-Rechtlichen entstehen immer häufiger Serienprojekte wie „30 Tage Lust“ oder „37 Sekunden“, die sich nicht nur an Sexszenen, sondern vor allem auch an Grauzonen zwischen Männern und Frauen herantrauen. Die Filmfest-München-Premiere „naked“ mit Svenja Jung und Noah Saavedra erzählt nun von einem jungen Mann, der sexsüchtig ist.

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Svenja Jung (l.) und Noah Saavedra in „naked“ (Credit: WDR/Fandango Film)

FAST FACTS:


• Nach „30 Tage Lust“ und „37 Sekunden“ gibt es mit „naked“ das nächste öffentlich-rechtliche Serienprojekt, das Erotik, Grauzonen und potenzielle Übergriffe auslotet
• Im Zentrum steht Protagonist Luis (Noah Saavedra), der sexsüchtig ist
• Protagonistin Marie (Svenja Jung) begibt sich mit einer Beziehung mit ihm in eine gefährliche Abhängigkeit
• Fandango Film TV produzierte für den WDR

CREDITS:

Auftraggeber: WDR (Redaktion: Caren Toennissen); Produktion: Fandango Film TV (Produzenten: Geronimo Beckers, Julia Röskau und Jürgen Schuster); Creator: Silke Eggert; Drehbuch Silke Eggert, Sebastian Ladwig; Regie Bettina Oberli; Kamera: Julian Krubasik; Cast: Svenja Jung, Noah Saavedra, Aurel Mertz, Malaya Stern Takeda, Hanna Hilsdorf, Juliane Köhler, Karl Markovics, Marco Gianni, Jonathan Berlin, Martin Vischer und Jochen Schropp, Chryssanthi Kavazi; Start: 2025 in ARD-Mediathek

REVIEW:

Sexsucht spielt motivisch im Kino schon immer wieder mal eine Rolle: zum Beispiel in Steve McQueens „Shame“ mit Michael Fassbender oder Lars von Triers „Nymphomaniac“ mit Charlotte Gainsbourg. In öffentlich-rechtlichen Serien dagegen wird das Thema seltener bis nie behandelt.

Aber auch dahingehend ist zuletzt viel in Bewegung, wenn man zum Beispiel an die mutige und freizügige SWR-Serie „30 Tage Lust“ oder „37 Sekunden“ von Odeon Fiction zurückdenkt. Mit „naked“ hat sich jetzt der WDR dem Thema Sexsucht angenommen und präsentierte seine Drama-Serie mit Svenja Jung und Noah Saavedra in den Hauptrollen auf dem Filmfest München.

Marie (Svenja Jung) ist Lehrerin, die auf einer Kostümparty als Nonne den als Vampir verkleideten Luis (Noah Saavedra) kennen und lieben lernt. Was Marie aber nicht weiß, ist, dass Luis einen gesteigerten sexuellen Appetit mitbringt, der sich im Laufe der Serie als krankhaft herausstellt. Komplizierter wird das Verhältnis auch dadurch, dass eine seiner Ex-Freundinnen ihn wegen sexueller Nötigung anzeigt.  

Silke Eggert und Bettina Oberli erzählen die Serie

Creatorin des Formats ist Silke Eggert, die zuerst als Journalistin und dann als Drehbuchautorin arbeitete. Zusammen mit Sebastian Ladwig schrieb sie die sechs Episoden, bei denen die Schweizerin Bettina Oberli Regie führte. Das ist ein spannendes Verbindungsstück zu der anderen ARD-Serie „37 Sekunden“, die wie eine zweieiige Zwillingsschwester zu „naked“ wirkt.

Auch bei dem von Julia Penner gemeinsam mit David Sandreuter geschriebenen „37 Sekunden“-Format ging es um Graubereiche zwischen Männern und Frauen, Vertrauen in Beziehungen, familiäre Bünde und auch die juristische Betrachtungsweise von sexuellen Übergriffen. Zudem führte Oberli als Expertin für das Zwischenmenschliche bei beiden Formaten sensibel Regie. So zeichnen die ersten beiden gezeigten „naked“-Episoden auch aus, dass sich Zeit gelassen wird, um die Konstellation zu etablieren, bis man am Ende der zweiten Episode erstmals in die tatsächlichen Abgründe der von Noah Saavedra gespielten Figur Luis blickt.

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V.l.: Svenja Jung, Bettina Oberli und Noah Saavedra bei der Filmfest-Premiere (Credit: Ronny Heine/Filmfest München)

Perspektiv-Verlagerungen

Vorher gibt die Serie „naked“ nur eine Ahnung, wenn sie das Publikum für Sekunden mit in den Kopf des Protagonisten mitnimmt, wie er sich seine Fantasie in Ansätzen ausmalt oder beim Arbeiten in der Werbeagentur von den Möglichkeiten des Internets abgelenkt wird. Anfangs wird die Serie vor allem aus der Perspektive der angehenden Lehrerin Marie erzählt, die nur langsam zu ahnen beginnt, worauf sie sich mit Luis eingelassen hat.  

„Verlangen“ lautete der Arbeitstitel der Serie, der für beide Figuren gelten kann: Für den feschen Luis, der glaubhaft geheimnisvoll vom österreichischen Newcomer Noah Saavedra dargestellt wird und der an keinen 08/15-Beziehungen interessiert ist, sondern nicht nur gerne die sexuellen Grenzen auslotet, sondern gerade das Übertreten reizvoll findet.

Grenze zwischen Gelüsten und krankhaftem Verhalten

Es gilt aber auch für Svenja Jungs Figur Marie, für die das Kennenlernen von Luis auch eine Möglichkeit ist, aus ihrem eher spießigen und geordneten Patchwork-Alltag mit Kind auszubrechen. Die Frage, welche die Serie in den ersten beiden Episoden aufzumachen scheint, lautet, ab welchem Zeitpunkt die Grenze erreicht ist, ab der es nicht mehr nur um Gelüste, sondern ein krankhaftes Verhalten geht, was auch andere Menschen mindestens verletzt, wenn nicht gar noch Schlimmeres antut. Und vor allem: Was solch ein Verhalten dann für den Partner in der Beziehung bedeutet.

Es gibt nicht viel Sex in den ersten beiden „naked“-Episoden. Aber wenn er passiert, dann gehen beide Hauptdarsteller mit ganzem mutigen Körpereinsatz zur Sache. Die Erotik spielt sich aber zuerst mehr in der Vorstellung der Protagonisten und des Publikums ab. Nach zwei Episoden lässt sich kein abschließendes Urteil fällen. Aber „naked“ war auf jeden Fall zu Recht in die Reihe Neues Deutsches Fernsehen beim Filmfest München eingeladen.

Michael Müller