Musikdokumentarfilm über die Thrashmetalband Kreator aus Essen, die seit mehr als 40 Jahren zur Speerspitze des Heavy Metal gehören.
FAST FACTS:
• Kreator sind eine der langlebigsten, weltweit erfolgreichsten Metalbands Deutschlands
• Der neue Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post, die bereits die Toten Hosen und Scooter filmisch verewigte
• Exklusives Filmmaterial, entstanden in mehr als einem Jahr enger Begleitung der Band
• Neben ausführlichen Interviews mit den Bandmitgliedern, allen voran Mille und Ventor, auch Auftritte namhafter Szenegrößen wie Scott Ian, Billy Milano oder Bela B.
• Weltpremiere beim 42. Filmfest München
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2025; Laufzeit: 110 Minuten; Regie & Drehbuch: Cordula Kablitz-Post; Verleih: Neue Visionen; Start: 4. September 2025
REVIEW:
Exteme Agression. Endless Pain. Pleasure to Kill. Hate über Alles. Die Titel sind Programm. Voll. In. Die. Fresse. Soll auch so sein. Der extreme Metal von Kreator war stets ein bisschen härter und brutaler, auch ausgefeilter und dichter, EXTREMER als der von den ebenfalls Mitte der Achtzigerjahre im Zuge des von Metallica, Slayer und Exodus ausgelösten Siegeszugs von Speed- und Thrashmetal gestarteten Ruhrpottkollegen Sodom und Destruction. Und ist es bis heute geblieben, mehr als 40 Jahre später, ein beeindruckendes Gesamtwerk, festgehalten auf nunmehr 16 Alben, darunter ein Nummer-1-Erfolg in Deutschland („Gods of Violence“ von 2017), aufgetragen auf einer Leinwand, die angefüllt ist mit all den abscheulichen Dingen, die die Menschen einander antun, verarbeitet zu einer tosenden Sinfonie des Grauens. Es mag sich dem Außenstehenden nicht gleich (im Zweifelsfall auch überhaupt nicht) erschließen, aber in diesem rauschenden Klanginferno, das sich in den besten und intensivsten Momenten anfühlt, als befände man sich im Inneren der Düse eines startenden Kampfjets, steckt etwas zutiefst Archaisches und Atavistisches, in den unablässigen Stakkatoriffs eine ganz intrinsische Schönheit, eine Erhabenheit und Ausgeglichenheit, eine große Ruhe, wie sie sich im Auge des Sturms wiederfindet.
In seinen besten Momenten gelingt es dem neuen Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post, die schon die Toten Hosen und Scooter filmisch verewigte, genau das zu transportieren, diese besondere Schönheit, die den extremen Spielarten des Metal innewohnt, weil sie sich nichts anderem verpflichtet fühlen als ihren bizarren Klangwelten, die es zu perfektionieren und variieren gilt, ohne jemals einen Schritt zurückzuweichen. Alles immer ein Dienst an den Fans, wie das Iron Maiden und Saxon stets vorgelebt haben, die als Pioniere der New Wave of British Heavy Metal einer der wichtigsten Grundpfeiler dieser ganz eigenen Welt abseits des Mainstreams sind, ein hermetisch in sich geschlossener Kosmos, der sich in den 110 Minuten des Films auch für nicht Eingeweihte zu eröffnen beginnt. „Kreator – Hate & Hope“ ist als Film weniger abenteuerlich wie der abseits jeglicher Popkonvention erschaffene musikalische Ausnahmezustand von Kreator, immer neue apokalyptische Visionen, erdacht von Bandleader Mille Petrozza als pechschwarz erblühende Blumen des Bösen.
Das ist wohl auch gut so. Kablitz-Post bewahrt journalistischen Abstand, ist interessierte Begleiterin, mit den Kameras immer dabei und sieht zu, was der vierköpfigen Band passiert – neben Petrozza noch Drummer Jürgen „Ventor“ Reil als zweites verbliebenes Bandurgestein sowie der seit 2001 zur Band gehörende Ledgitarrist Sami Yli-Sirniö, ursprünglich bei Waltari, und der 2019 zum Line-up gestoßene Bassist Frédéric Leclercq von der britischen Powermetal-Combo DragonForce. Der Film dokumentiert eine Welttour, die die Gruppe von Wacken über Tokio, Osaka und Bangalore nach Los Angeles führt, die Aufnahmen zu einem neuen Album, zahlreiche Begegnungen mit unterschiedlichsten Celebrities wie Lars Eidinger oder Bela B., und schließlich auch ein großes Festival im Ruhrpott mit Kreator als Headliner, das ein einsamer Höhepunkt sein soll, aber aufgrund von Sturzbächen von Regen eine Enttäuschung wird – für eine Band wie Kreator, die für ihre Fans lebt, die größte anzunehmende Katastrophe. Größen der Szene wie Scott Ian von Anthrax, Chuck Billy von Testament oder Nergal von Behemoth kommentieren die Bedeutung von Kreator. Der eloquente Maik Weichert von Heaven Shall Burn illuminiert die wichtige politische Vorreiterrolle, die Kreator mit ihrer klaren Haltung gegen Faschismus und Totalitarismus gespielt haben – und es unverändert tun in einer Szene, in der klare Kante durchaus Not tat.
Je länger man „Kreator – Hate & Hope“ folgt, desto mehr kristallisiert sich neben dem Porträt einer Band, die unbeirrt ihren Weg geht, die Geschichte einer Freundschaft im Ruhrpott heraus, die vom Kindergarten bis jetzt anhält, so unterschiedlich Mille und Ventor als Typen auch sein mögen, der eine der Kopf der Band, der andere ihr Herz, gemeinsam die Seele: Mille, der introvertierte und reflektierte Einzelgänger, dem man ansieht, dass es ihm nicht immer ganz leichtfällt, sich für den Film zu öffnen, dessen Wachheit und Neugier aber evident sind, ein Kosmopolit, der seine Bestimmung gefunden hat, in sich ruht und genau deshalb weiter neue Wege gehen will, ein ewig Suchender. Ventor, der joviale Familienmensch, Ruhrpott durch und durch, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, sich seinen kindlichen Spaß bewahrt hat am Touren und an den Bühnenrequisiten, den vermeintlich einfachen Freuden, ein glücklicher Mensch. Es fällt nicht schwer, in dieser Klammer das zu entdecken, was Kreator ausmacht, im Spannungsfeld zwischen Mille und Ventor, zwischen künstlerischer Ambition und dem unmittelbaren Erleben und Ausleben der Musik – eine deutsche Band, die ihrer Herkunft verbunden bleibt, dem Ruhrpott nah, aber längst der Welt gehört.
Thomas Schultze