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REVIEW FILMFEST MÜNCHEN: „High Stakes“


Das Filmfest München hat mit der von Via Jikeli stark gespielten Ayla gleich zum Start eine der ungewöhnlichsten Serien-Heldinnen zu bieten: Eine gläubige Muslimin, die im ZDFneo-Format „High Stakes“ Astronautin bei der Nasa werden will und dafür ins illegale Poker Game einsteigt.  

High Stakes
Die ZDFneo-Serie „High Stakes“ (Credit: Jürgen Olczyk)

Fast Facts:

  • ZDFneo-Serie von Odeon Fiction über eine junge Muslima, die Astronautin werden will
  • Newcomerin Via Jikeli spiel die Muslima, Jannik Schümann ihren Poker-Mentor
  • Creator ist Orkun Ertener, der zusammen mit Kathrin Tabler Headautor ist
  • Bricht schön die Figurenstrukturen des klassischen Hollywood-Sportdramas auf

Credits:

Aufttraggeber: ZDFneo (ZDF-Redaktion: Caroline von Senden, Esther Hechenberger); Produktion: Odeon Fiction – Mischa Hofmann, Kathrin Tabler, Vanessa Faber; Creator: Orkun Ertener; Regie: Marijana Verhoef; Drehbuch: Kathrin Tabler & Orkun Ertener (Headwriters), Jan Cronauer, Marianna Ölmez, Christoph Busche; Cast: Via Jikeli, Jannik Schümann, Thomas Loibl, Pauline Großmann, Eren Kavukoğlu; Weltpremiere: 29.6.25 Filmfest München

Review:

Wer wissen will, über welche deutschen TV- und Streaming-Formate am Ende des Jahres gesprochen und geschrieben wird, muss auf dem Filmfest München die Reihe Neues Deutsches Fernsehen von Programmerin Ulrike Frick aufmerksam verfolgen. Acht Serien sind 2025 dabei. THE SPOT plant so viele wie möglich zur Weltpremiere zu sehen, um eine Orientierung zu bieten.

Darunter sind Schwergewichte wie die „Oktoberfest 1905“-Fortsetzung mit noch prominenterem Cast oder die mit Spannung erwartete deutsche „Euphoria“-Adaption von RTL+. Etwas im Windschatten dagegen segelte bis zur Weltpremiere am Sonntag die ZDFneo-Serie „High Stakes“ mit Neuentdeckung Via Jikeli (auch in Franziska Margarete Hoenischs „Tatort“-Debüt „Solange du atmest“) als gläubige Muslima, die gerne Astronautin werden will.

Auf dem Papier klingt die Odeon Fiction Produktion mit der 25-jährigen Ayla als Protagonistin, welche die erste Astronautin mit Kopftuch überhaupt werden will, romantisiert, utopistisch gedacht und „gut gemeint“. Tatsächlich besitzt aber die Serie in den ersten beiden gezeigten Episoden im HFF-Audimax von München die klassischen Genrezutaten eines Hollywood-Sportdramas, aber mit spannenden neuen Parametern erzählt.

Geldsorgen treiben die Protagonistin ins Poker Game

Ayla ist smart, mathematisch begabt und eine Wissenschaftlerin. Die Nasa bietet ihr ein Praktikum in den USA an, wofür sie aber mehrere zehntausend Euro braucht, um sich die Ausbildung finanzieren zu können. Von zuhause aus erfährt sie nur keinerlei Unterstützung. Die Liebe und die Investition fließen vom Vater lieber in den männlichen Nachwuchs. Soweit, so klischeebeladen. Aber Sohnemann Tolga (Eren Kavukoglu) ist schwul und plant mit den Investitionen des Vaters auch die erste Dating-App für schwule Muslime aufzubauen.

Dessen Lover Vincent („Sisi“-Star Jannik Schümann) ist Geschäftsführer einer Disco, in der illegal um größere Summen gepokert wird. Als Ayla das herausfindet, sieht sie einen Lösungsansatz für ihre Probleme. Die fehlenden Tausende von Euros will sie sich mit Lehrmeister Vincent erpokern, obwohl sie vorher noch nie das Kartenspiel gespielt hat, aber instinktiv mit ihren Mathe-Skills vieles richtig macht.

Alte Schüler-Lehrer-Schemata aufgebrochen

Das alte Schüler-Lehrmeister-Schemata im Sportdrama wie zum Beispiel zwischen Tom Cruise und Paul Newman im Billardfilm-Klassiker „Die Farbe des Geldes“ wird durch die neuen Figurentypen aufgebrochen: Eine junge, mathematisch begabte Muslima und ein queerer Geschäftsmann. Allein diese Dynamik deutet in „High Stakes“ in den beiden ersten Episoden an, dass das noch spannende Konfliktfelder und Charakterentwicklungen mit sich bringen wird. Zumal beide Schauspieler sehr überzeugend spielen.

Bei Via Jikelis Figur Ayla kommt der Aspekt des Glaubens hinzu. Sie ist eine gemäßigte Muslima, die aber schon hinterfragt, inwiefern das Spielen um Geld und das Lügen beim Bluffen mit ihrem Ethos vereinbar ist, auch wenn es dabei letztlich einer guten Sache dient. Ayla ist aber gleich doppelt interessant, weil sie als genau hinschauende Wissenschaftlerin in der Galaxie Gottesbeweise sieht – und das in ihrer örtlichen Nachhilfegruppe wahnsinnig eloquent vermitteln kann. Solch eine Figur mit diesen Attributen hat es vielleicht noch gar nicht in der deutschen TV-Geschichte gegeben.

Visuell eher traditionell erzählt

Visuell erzählt ist „High Stakes“ von Creator Orkun Ertener („KDD – Kriminaldauerdienst“), der zusammen mit Kathrin Tabler Headwriter des Formats ist, eher traditionell. Regisseurin Marijana Verhoef legt vor allem Wert darauf, das Publikum mit in die unterschiedlichen Erlebniswelten zu nehmen, besonders in die fremde Club-Welt mit ihren Hinterzimmern und den dort vor sich her brummenden Gangsterfiguren, die immer schnell im „Old Boy“-Stil einen Hammer parat haben, wenn nicht rechtzeitig gezahlt werden kann.

Der erzählerische Sog wird unterstrichen durch einen treibenden Elektro-Techno-Synthie-Score, der manchmal an die 1980er-Jahre oder heutige Epigonen der 1980er-Jahre wie Nicolas Winding Refn oder David Fincher und deren Scores erinnert.

Lustigerweise sind die Gangster in den ersten beiden „High Stakes“-Episoden die größten stumpferen Klischees. Aber das Ganze macht schon Lust auf mehr. Diese Heldinnenreise tritt man nur zu gerne mit der jungen muslimischen Protagonistin an, weil sie ganz sicher noch an ihre moralischen Grenzen stoßen wird. Aber auch, weil man gerne sehen will, wie Ayla an ihren Aufgaben wächst, sich mit Vincent verbindet und schnell mit ihrem wachen Verstand lernen wird, wie sie die überwiegend männlichen Kartenspieler abziehen wird.

Michael Müller