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REVIEW FESTIVAL: „Sternstunde der Mörder“


Ein opulentes High-End-Drama über die Schrecken des Krieges, die in einer Mordserie im von den Nazis besetzten Prag 1945 widergespiegelt werden. Die für ARD, Servus TV und Canal+ Austria entstandene Miniserie feierte auf dem Filmfest Hamburg ihre Premiere.

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Jonas Nay als Jan Morava in „Sternstunde der Mörder“ (Credit: Zeitgeist Filmproduktion/Epo-Film / Petro Domenigg)

CREDITS:
Regie: Christopher Schier; Drehbuch: Klaus Burck, Florian Plumeyer; Cast: Jonas Nay, Nicholas Ofczarek, Jeanette Hain, Devid Striesow, Karel Dobrý, Diana Dulinková, Gerhard Liebmann; Kamera: Philip Peschlow; Ton: Dietmar Zuson, Schnitt: Cordula Werner, Charles Ladmiral, Musik: Markus Kienzl; Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt: Kostümbild: Amanda Frühwald; Casting: Franziska Aigner; Produktion: Zeitgeist Filmproduktion – Markus Kaatsch, Nina Poschinski, Michael Grudsky; Koproduktion: EPO-Film – Jakob Pochlatko, Dieter Pochlatko; Sender/Auftraggeber: ARD Degeto Film, NDR, Servus TV, Canal+ Austria, HR; Weltvertrieb: Bravado Media GmbH

REVIEW:
Faszinierend und ernüchternd zugleich. Die vierteilige Miniserie (4×45’) ist ein herausragend gut gefilmtes High-End-Drama, das History & Crime verbindet. Eine bewährte Mixtur – „Babylon Berlin“ oder „Vienna Blood“ zeugen davon.

„Sternstunde der Mörder“, nach dem 1997 erschienenen Roman von Pavel Kohout, spielt 1945 im von den Nazis besetzten Prag. History ist in diesem Fall gleich Crime. Dass in den letzten Tagen des Nazi-Regimes ein Serienmörder, der seinen weiblichen Opfern das Herz herausschneidet, durch die Stadt zieht, ist ein Spiegelbild für diese Zeit der Herzlosigkeit, der herzlosen Besatzer, die durch Devid Striesows Befehlshaber Meckerle ein markantes Gesicht bekommen. Herzlos sind aber auch die Opfer. Als die sowjetischen Truppen vor den Toren Prags stehen, rächt sich der Mob an seinen Peinigern mit roher Gewalt.

Die Schonungslosigkeit, mit der das Geschehen erzählt und gezeigt wird, ist eine große Stärke des Films. Die Unmenschlichkeit eines Krieges greifbar zu machen, ist richtig in kriegerischen Zeiten. Sie führt aber auch zu Ernüchterung. Nach 180 Minuten gibt es keinen Hoffnungsschimmer. Alle Figuren, sofern sie noch leben, haben fast alles verloren, der Trost besteht darin, seinen Toten nicht von der Seite zu weichen. Der Friedhof als Stätte des Friedens, der in Kohouts Geschichte aber auch der Ausgangspunkt ist für die Suche des Mörders nach seinen Opfern.

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„Sternstunde der Mörder“ von Christopher Schier (Credit: Zeitgeist Filmproduktion/Epo-Film / Petro Domenigg)

Am meisten fasziniert „Sternstunde der Mörder“ in der ersten Hälfte, solange alles noch in der Schwebe ist. Der erste Mord geschieht an einer deutschen Baronin. Dem tschechischen Ermittler Jan Morava (Jonas Nay) wird daher der Gestapo-Beamte Erwin Buback (Nicholas Ofczarek) zur Seite gestellt. Eine packende Konstellation, zumal Buback die tschechischen Polizisten ausspionieren soll. Buback ist selbst kriegsgeschädigt, hat Frau und Kind verloren. Das Zusammenwachsen dieser beiden so unterschiedlich scheinenden Charaktere, die Überwindung scheinbar unüberwindbarer Grenzen ist der emotionale Höhepunkt der Geschichte.

Zum psychologischen Kammerspiel werden die Szenen zwischen Buback und Meckerle, die nicht nur in ihrer politischen Haltung Welten trennen. Buback gewinnt auch das Herz der Frau, die Meckerle gerne als Geliebte hätte, die Theaterschauspielerin Marleen Baumann, bei Jeanette Hain eine erratische, zwischen pragmatisch, klar, zupackend und romantisch-entrückt angelegte Figur. Treffen die Männer aufeinander, ist die Luft zum Schneiden. Gleichzeitig wäre mehr möglich gewesen, hätte man Meckerle differenzierter angelegt, letztlich fügt er sich in die lange Reihe eindimensionaler Film-Nazis ein. Der interessantere Part bleibt Nicholas Ofczarek vorbehalten, dessen Buback das Hadern mit Meckerles Gehabe, mit seiner familiären und beruflichen Situation, mit dem Nationalsozialismus ins Gesicht geschrieben steht. Eine neuerliche Meisterleistung des Österreichers, insbesondere wenn er mit reduzierten Mitteln die Öffnung gegenüber Marleen oder dem Kollegen Morava spürbar werden lässt.

Jonas Nay wäre in einer leichteren Geschichte der jugendliche Held, dem die Herzen zufliegen. Auch das seiner Kollegin Jitka Modra (Diana Dulinková). Ihre sich anbahnende Liebe verspricht zumindest kurzfristig einen Weg aus der Düsternis. Eine mutige Entscheidung ist es, die Tschechen tschechisch sprechen zu lassen. Auch Jonas Nay spricht über weite Strecken tschechisch, für deutsche Ohren wirkt das sehr überzeugend.

Den wunderbaren Gerhard Liebmann als Serienmörder zu besetzen ist, nun ja, ein bisschen sehr naheliegend. Natürlich beherrscht er das kalte Monster, das ohne viel Worte auskommt, aus dem Effeff, Liebmann war schon im Münchner „Tatort“ und in David Schalkos „M“ in vergleichbaren Rollen zu sehen. Die Psychologie des Mörders bleibt Randnotiz, der Erzählstrang um die Mordserie verweilt lange im Schatten der politischen Geschehnisse. Eine Mordserie verliert im Angesicht des Krieges einfach an Tragweite. Im Fall von „Sternstunde der Mörder“ ändert sich dies erst durch die persönliche Verwicklung Moravas und Bubacks.

Am Ende bleibt Bewunderung für überwältigendes Schauspiel, für die Bilder, die Christopher Schier und sein DoP Philip Peschlow gefunden haben, für die filmische Umsetzung, in der sie die Welt Kopf stehen lassen. Es bleibt auch ein hohes Grad an Niedergeschlagenheit.

Frank Heine