Eines der Highlights auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck war die deutsche Premiere des dänischen Coming-of-Age-Films „Min evige sommer“ („Mein ewiger Sommer“) der Debütantin Sylvia Le Fanu, bei dem die Lust am Leben und die Angst vor dem Tod nah beieinander liegen.
FAST FACTS:
• Sylvia Le Fanus Coming-of-Age-Debütwerk feierte Weltpremiere Ende September in San Sebastián
• Als deutsche Premiere war die Geschichte am 8. November bei den Nordischen Filmtagen zu sehen
• Es geht um einen Sommer der 15-jährigen Fanny, die mit ihrem Vater und der todkranken Mutter Urlaub auf dem Land in Dänemark macht
CREDITS:
Dänemark 2024; Regie: Sylvia Le Fanu; Drehbuch: Mads Lind Knudsen, Sylvia Le Fanu; Produzent:innen: Jeppe Wowk, Katja Adomeit; Produktionsfirma: Adomeit Films ApS; Cast: Kaya Toft Loholt, Maria Rossing, Anders Mossling; Weltpremiere: 23.9.24 San Sebastián; Deutsche Premiere: 6.11.24 Nordische Filmtage in Lübeck
Review:
Die junge dänische Regisseurin Sylvia Le Fanu, die zwar einen französisch klingenden Namen trägt, aber familiäre Wurzeln in Großbritannien hat, erzählte auf der Bühne der Nordischen Filmtage, dass sie ihr Regiedebüt „Min evige sommer“ („Mein ewiger Sommer“) machen musste. Sie wisse zwar noch nicht, ob sie so viele weitere Filme drehen wolle, auch wenn sie sich gerade in der Vorbereitung ihres nächsten Projekts befinde. Aber diese doch sehr persönliche Geschichte über ein 15-jähriges dänisches Mädchen, das mit der todkranken Mutter und dem Vater aufs Land fährt, war ihr ein wichtiges künstlerisches Anliegen.
Es ist ein reifes, bewegendes Sujet für einen Debütfilm mit der beeindruckenden Kaya Toft Loholt in der Teenagegerin-Hauptrolle. Die Natur und die Musik spielen darin eine bedeutende Rolle, weil die Regisseurin selbst nicht an Gott glaubt, das aber Elemente des Lebens seien, woraus sie in dieser schwierigen Zeit Kraft gezogen habe. So erinnert „Min evige sommer“ optisch auch stark an einen Eric-Rohmer-Film, der die dänischen Landschaften und das Leben in den gesuchten Ausflüchten des Mädchens umarmt, während er gleichzeitig ganz ruhig und unaufgeregt, das Sterben der Mutter schildert.
Das Szenario des Ausflugs der Familie ist klar: Der wahrscheinlich doch an Krebs erkrankten Mutter verbleibt nicht mehr viel Zeit. Auf die Idee des Vaters hin, reisen sie aufs Land, was wiederum die Tochter emotional total überfordert und in einen Konflikt zum Vater bringt. Denn Fanny hat zwar große Empathie für ihre Mutter, würde am liebsten aber der Situation und der harten Realität davonlaufen. So beordert sie ihren Freund zum Besuch, feiert mit ihren Freundinnen Partys, heuert in einem Imbiss an, um aus dem Haus mit der sterbenden Mutter zu kommen.
Diese Gleichzeitigkeit von Leben und Sterben macht „Min evige sommer“ so besonders und hebt den Film aus den vielen ähnlich gelagerten Coming-of-Age-Filmen heraus. Es ist zumal der Konflikt mit dem Vater, der seine junge Tochter in der Fluchtbewegung nicht verstehen kann, weil er ganz für seine Frau da sein will. Er sitzt an ihrem Bett, hört Bach, organisiert ein letztes großes Treffen mit Freunden und bereitet sich emotional auf den Abschied vor. Der Schauspieler Anders Mossling spielt in sich selbst ruhend, mit leiser Verzweiflung und Unverständnis gegenüber der Tochter genauso stark wie Maria Rossing die langsam aus dem Leben scheidende Mutter.
Michael Müller