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REVIEW FESTIVAL: „La Mort viendra”

Im Internationalen Wettbewerb von Locarno konkurriert um den Goldenen Leoparden Christoph Hochhäuslers nächster Neo Noir „La Mort viendra“ um eine von Sophie Verbeeck gespielte Auftragskillerin, der auf den Spuren von Jean-Pierre Melville wandelt.

La Mort viendra
Hauptdarstellerin Sophie Verbeeck verschmilzt mit den Schatten (Credit: Heimatfilm)

CREDITS:

Deutschland, Belgien, Luxemburg 2024; Regisseur: Christoph Hochhäusler; Drehbuch: Christoph Hochhäusler, Ulrich Peltzer; Produktion: Heimatfilm, Amour Fou Luxembourg, Tarantula Belgique; Produzent:in: Bettina Brokemper, Bady Minck, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Joseph Rouschop; Redaktion: BR (Harald Steinwender), Arte (Barbara Häbe); Cast: Sophie Verbeeck, Louis-Do de Lencquesaing, Marc Limpach, Mourade Zeguendi, Hilde Van Mieghem; 101’; Weltpremiere: 8.8.24 Locarno; Dt. Verleih: MFA+; Dt. Kinostart: ?

REVIEW:

Vergangenes Jahr feierte Christoph Hochhäuslers Neo Noir „Bis ans Ende der Nacht“ Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale und gewann mit Thea Ehre den Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung. Gut ein Jahr später erscheint schon Hochhäuslers nächster Neo Noir „La Mort viendra“ („Der Tod wird kommen“), dessen Werk „Die Lügen der Sieger“ vor diesem Genre-Doppelschlag zehn Jahre zurückliegt. Die deutsch-luxemburgisch-belgische Koproduktion „La Mort viendra“, die ihre Weltpremiere am heutigen Donnerstag im internationalen Wettbewerb von Locarno feiert, ist dabei sein erster in französischer Sprache gedrehter Film. Die Sprache unterstreicht die motivischen und visuellen Jean-Pierre-Melville-Referenzen dieser eiskalten, hypnotischen Gangstergeschichte, die in Brüssel spielt.

Gangsterboss Charles Mahr (stoisch wie ein Antiheld in einem Albert-Serra-Film: Louis-Do de Lencquesaing) beauftragt die Killerin Tez (Sophie Verbeeck), den Mörder seines Geldkuriers ausfindig zu machen und zu töten. Dabei wird die Jägerin bei ihrer detektivischen Recherche in der belgischen Hauptstadt zur Gejagten, bis sie selbst durch das verwirrende Netz aus Parteien steigt, wer wen hier eigentlich warum umbringen will.

La Mort viendra
Louis-Do de Lencquesaing als alternder Gangsterboss (Credit: Heimatfilm)

Als überlebensgroßes Filmvorbild prangt über „La Mort viendra“ der Über-Klassiker „Der eiskalte Engel“ mit Alain Delon als ikonischer Schlapphutträger. Aber während Melville in seinen existenzialistischen Genrewerken über Ehre und Männerbünde selten Frauen in den Mittelpunkt stellte, sondern eher am Rande vorkommen ließ, bestimmen sie das Hochhäusler-Werk, das er zusammen mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer schrieb. Neben der fantastisch spielenden Belgierin Sophie Verbeeck als Profi-Killerin Tez, die trotz Lebensgefahr zwischendrin Zeit für einen netten Bar-Flirt hat, gibt es auch Hilde Van Mieghem mit dunkler Sonnenbrille als Partnerin einer der Widersacher des Gangsterbosses, die genauso die Fäden im Hintergrund zieht wie Delphine Bibet als blinde Zuhälterin, die ihre Augen und Ohren trotzdem überall hat.

Christoph Hochhäusler
Treu: Christoph Hochhäusler hat bislang alle seine Filme mit Produzentin Bettina Brokemper gemacht (Credit: Caroline Lessire)

Verbeecks Figur Tez mit kurzer Wuschelkopffrisur ist dabei als Killerin am ehesten die Identifikationsfigur, weil sie trotz ihrer tödlichen Tätigkeit noch am meisten dem Leben zugeneigt ist. Die glasklaren, teils in den blutigeren Genremomenten bewusst kompromisslosen, aber immer aufregenden Filmbilder stammen von Reinhold Vorschneider, der seit Jahrzehnten einer der besten Kameraleute Deutschlands ist, auf Weltniveau dreht und wie Hochhäusler aus der sogenannten Berliner Schule stammt. Das Ganze ist ein bisschen so, als würde man einem elegant durchgeplanten Tanz von Todgeweihten zusehen, der aber wundervoll reduziert, melancholisch und auf den Punkt erzählt ist. Zu verdanken ist das sehenswerte, für eine Melville-Hommage etwas dialoglastige, aber angenehm unspektakulär-spröde Genrewerk ebenso der Festivalkönigin unter den Produzentinnen: Bettina Brokemper und ihrer Produktionsfirma Heimatfilm.  

Michael Müller