In Rotterdam hat das deutsche Schwarzweiß-Familiendrama „Im Haus meiner Eltern“ mit Schauspielern wie Jenny Schily, Ursula Werner oder Manfred Zapatka Weltpremiere gefeiert. Es ist ein stiller, trauriger und guter Film des Spielfilm-Regiedebütanten Tim Ellrich geworden.

FAST FACTS:
• Das Spielfilm-Regiedebüt von Tim Ellrich ist von persönlichen Erfahrungen inspiriert
• Weltpremiere des Familiendramas ist am 5. Februar im Tiger-Wettbewerb des IFFR
• Schwarzweißes Kammerspiel mit starken Schauspielern wie Jenny Schily, Ursula Werner, Manfred Zapatka
CREDITS:
Deutschland 2025; 95 Minuten; Produktion: Elemag Pictures, Port au Prince Film & Kulturproduktion, Coronado Film; Produzent:innen: Tanja Georgieva-Waldhauer, Jan Krüger, Leopold Pape; Regie & Drehbuch: Tim Ellrich, Kamera: Konstantin Pape; Editor: Tobias Wilhelmer; Casting: Ulrike Müller; Cast: Jenny Schily, Ursula Werner, Manfred Zapatka, Jens Brock, Johannes Zeiler, Kirsten Block, Peter Schneider, Markus Schleinzer; Weltpremiere: 5.2.25 beim International Film Festival Rotterdam (IFFR); Deutscher Kinostart: 10.4.25
REVIEW:
Mit „Im Haus meiner Eltern“ ist Spielfilm-Regiedebütant Tim Ellrich ein stiller und trauriger Film mit großer Pietät gegenüber seinen Figuren gelungen. Es ist ein ganz in Schwarzweiß gehaltenes Kammerspiel und Familiendrama, bei dem sich langsam die familiären Strukturen aufzulösen scheinen und so die Ausnahmesituation mit dem erwachsenen Sohn Sven (Laiendarsteller Jens Brock) nicht weiter gestemmt werden kann.
Der Film schildert eigentlich eine deutsche Durchschnittsfamilie. Die Kinder wie Holle (sehr überzeugend: Jenny Schily) oder Niels (Peter Schneider) sind schon länger erwachsen, ausgezogen und haben ihre eigenen Leben. Nur Sven wohnt noch bei den Eltern Elisabeth (Ursula Werner) und Thomas (Manfred Zapatka). Beim Sohn wurde vor vielen Jahren eine Schizophrenie diagnostiziert, aber Sven weigert sich, in Behandlung zu gehen. So haust er wie ein Geist durch das alte Elternhaus, frisst alles in sich hinein und spricht kaum bis gar nicht mehr.

Reduktion der Mittel hat etwas Intimes
Die Situation kippt vollständig, als Mutter Elisabeth selbst ins Krankenhaus muss, die helfende Schwester Holle im Haushalt an ihre Grenzen gerät und alte Konflikte zwischen Vater und Sohn Sven aufbrechen. Regisseur Ellrich, der vom Dokumentarfilm kommt und für „Mein Vietnam“ im Jahr 2021 mit dem First Steps Award ausgezeichnet wurde, setzt auf Reduktion. Die größtenteils aus der Perspektive von Jenny Schilys Schwesterfigur erzählte Geschichte hat weder Score noch Soundtrack und auch fast keine auffälligeren Kamerabewegungen, vielleicht mal einen gelegentlichen Kameraschwenk.
Häufig sind es statische Einstellungen der familiären Räumlichkeiten, die etwas zutiefst Klaustrophobisches haben und die gereizte und überforderte Familiensituation noch verstärken. Gleichzeitig hat die Reduktion der Mittel auch etwas Intimes an sich, weil der Film viel aus Großaufnahmen der Gesichter besteht, Menschen, die sich auf engen Räumlichkeiten körperlich zueinander verhalten müssen. In der allerersten Szene holt die Feuerwehr einen Leichnam ab, der in einer Schutzhülle gewickelt ist. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um den erwachsenen Sohn Sven handelt.
Fokus auf die Pflegenden
Was „Im Haus meiner Eltern“ neben der bedrückenden Familienstimmung sehr gut einfängt, ist die emotionale Überforderung der Eltern und der erwachsenen Geschwister, von denen sich zwei mehr oder weniger aus der Verantwortung stehlen oder sich schon vor vielen Jahren zu diesem Schritt der Distanzierung entschlossen haben, um weiterleben zu können. Jenny Schilys Figur, die beruflich selbst so eine Art Therapeutin ist und auf alternative Medizin setzt, glaubt jedoch noch immer an eine Veränderung der Situation zum Positiven, auch wenn es sie selbst wahnsinnig viel Kraft kostet.
Über die verschiedenen Familienkonflikte lässt sich leicht emotional an das Drama „Im Haus meiner Eltern“ andocken, das sich aus persönlichen Erfahrungen des Regisseurs speist. Der Film ist Ellrichs Mutter gewidmet, es gibt auch ein „In Memoriam“-Hinweis zum Schluss. Die Kargheit der Machart gibt hier den Blick auf das Wesentliche frei: Die Herausforderung besteht nicht aus langen Einstellungen ohne Schnitt und Dialog. Denn die hat „Im Haus meiner Eltern“. Es ist eher das unvermeidliche Zustreben auf das geahnte Ende, was den Film so unendlich traurig und realistisch macht.
Michael Müller