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REVIEW FESTIVAL: „Funny Birds“

Bittersüße Tragikomödie über drei Frauen verschiedener Generationen, die auf der Abgeschiedenheit eines amerikanischen Bauernhofs lernen müssen, zueinander zu finden und einander zu vergeben.

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„Funny Birds“ mit Morgan Saylor und Catherine Deneuve (Credit: Filmwelt)

CREDITS:
O-Titel: Au fil des saisons; Land / Jahr: Frankreich / Belgien / UK 2024; Laufzeit: 93 Minuten; Regie, Drehbuch: Marco La Via, Hanna Ladoul; Besetzung: Catherine Deneuve, Andrea Riseborough, Morgan Saylor, Naima Hebrail Kidjo, John Robinson, Ken Samuels; Verleih: Filmwelt

REVIEW:
Rote Haare! Was einem als erstes auffällt an den drei Frauen, um die es gehen wird in „Funny Birds“, dem zweiten Spielfilm des Filmemacherduos Marco La Via und Hanna Ladoul, sind ihre roten Haare, feuerrote Haare, in Flammen, wie Ausrufezeichen. Was auch zwischen ihnen vorgefallen sein mag, was auch immer mit ihnen geschehen wird, diese roten Haare einen sie, weisen sie aus als Familie, die sie nie waren. Denn darum wird es gehen, in den etwas mehr als 90 Minuten Laufzeit, in diesem bittersüßen, schön beobachteten, gerade in seiner Bescheidenheit großen Film: Wie Menschen zueinander finden können, einander vergeben und verstehen können, wie eine Familie wieder eine Familie sein kann, und sei es nur für eine kurze Zeit. 

Am Anfang sind da Laura und ihre Tochter Charlotte, die nur Charlie genannt werden will. Besonders nahe stehen sich die beiden nicht, und Charlie empfindet es eher als Last, ihr Leben in der Großstadt hinter sich zu lassen, wo eigentlich alles gerade gut für sie läuft: ihr Studium, ihre Romanze mit Henry. Den Hilferuf ihrer von ihr entfremdeten Mutter, die ganz allein für sich lebt auf einem abgeschiedenen kleinen Bauernhof, wo sie nur ihre Hühner um sich hat, hat sie nötig wie einen Kropf. Aber Laura, eine sonst so entschlossen unabhängige Frau, ist krank, sie hat Krebs, sie braucht Hilfe. Und vielleicht auch ein bisschen Nähe und Liebe, auch wenn sie das niemals äußern und schon gar nicht erwarten würde. 

Diese beiden Frauen müssen sich annähern. Das machen sie zunächst, indem sich Charlie aus Solidarität ihren Schädel rasiert, damit auch Laura diesen Schritt macht, sich ihre Haare abzuschneiden, was sie als Eingeständnis von Schwäche und als Demütigung ansieht, dem Merkmal beraubt, für das man sie kennt. Aber es ist, wie sich zeigt, ein wichtiger Schritt, weil es erstmals ein unausgesprochenes Übereinkommen ist zwischen den beiden, die sich nackt und verletzlich der anderen gegenüber zeigen. Und damit vielleicht auch offen dafür, was sie zu sagen haben. Tatsächlich beginnt Charlie, das Leben auf der Farm zu mögen, die harte, erfüllende Arbeit, das Fahren auf dem Traktor, die glucksenden Hühner. Die Unabhängigkeit, der Stolz, etwas geleistet zu haben. 

Aber so einfach bleibt es nicht. Zum einen steht auf einmal Solange vor der Tür, Lauras Mutter, Charlies Großmutter, von der Charlie noch nie gehört hatte, eine Französin, die sich nie um ihre Tochter gekümmert hatte und schon erst recht kein Interesse an ihrer Enkelin gezeigt hat. Und dann kommt es noch schlimmer: Weil eine Vogelgrippe grassiert, müssen alle Hühner geschlachtet werden. Charmant klauen die beiden Filmemacher die entscheidende Prämisse von „Good Bye, Lenin!“: Solange und Charlie entscheiden, einerseits die Tiere zu retten und in einem Schuppen zu verstecken, andererseits Laura nichts von der Vogelgrippe wissen zu lassen. Was auch immer das bedeuten mag. Das gibt „Funny Birds“ ein schönes Momentum und ist Grundlage für ein paar sehr (aber)komische Momente, aber vor allem ist es ein einendes Ereignis, das Großmutter und Enkelin zusammenführt und schließlich auch ihr Verhältnis zu Laura ändert. 

Von „Sommer“ bis „Frühling“ zieht sich die Handlung, ein Jahr, in dem sich für die drei Frauen das gesamte Leben verändert. Marco La Via und Hanna Ladoul erzählen von den Höhen und Tiefen unaufgeregt und mit viel Liebe für ihre Figuren und dankenswerterweise ohne Ausreißer in die Untiefen einer Tragödie. Einen Film über Vergebung und Solidarität wollten sie machen, über die Fähigkeit von Menschen, anderen ihre Fehler und Macken nachzusehen. Einen Film, in dem es auch um die drei tollen Schauspielerinnen in den Hauptrollen geht, um Catherine Deneuve und Andrea Riseborough und die Entdeckung Morgan Saylor. Und treffen damit einen Nerv, was die euphorische Reaktion auf den Film beim 34. Internationalen Filmfest Emden-Norderney ebenso unterstreicht wie der Umstand, dass Martin Scorsese als ausführender Produzent mit an Bord gekommen ist.

Thomas Schultze