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REVIEW FESTIVAL: „15 Liebesbeweise“


Herausragende Liebesgeschichte über eine 32-jährige Frau, die den Behörden beweisen muss, dass die Liebe zu ihrer Frau genuin ist, damit sie als zweite Mutter ihres gemeinsamen Kindes akzeptiert wird.

CREDITS:
O-Titel: Des preuves d’amour; Land / Jahr: Frankreich 2025; Laufzeit: 96 Minuten; Regie & Drehbuch: Alice Douard; Besetzung: Ella Rumpf, Monia Chokri, Noémie Lvovsky, Emy Juretzko, Julien Gaspar-Oliveri; Verleih: Luftkind; Start: 4. Dezember 2025

REVIEW:
„Ehe für alle“ nannte man es prosaisch, als in Frankreich im April 2013 das Gesetz verabschiedet wurde, das es gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubte, Mann und Mann oder Frau und Frau zu werden. Zu heiraten. Was ein wichtiger, richtiger, überfälliger, notwendiger Schritt war in einer modernen Gesellschaft, nicht aber automatisch alle Dinge einfacher machte – oder besser: die Dinge für schwule und lesbische Paare nicht ebenso einfach machte wie heterosexuellen Paaren. Die kafkaesken Kapriolen der französischen Rechtssprechung bilden die Basis für „15 Liebesweise“, mit dem Alice Douard ihr Spielfilm-Regiedebüt gibt, nachdem sie nach ein paar Kurzfilmen bereits eine Episode zu dem Omnibusprojekt „Lesbengeschichten: Halt mich fest“ beigetragen hatte – und was für ein wunderbares Regiedebüt es geworden ist, wenn man das gleichmal loswerden darf. Weil es nämlich gar nicht so einfach ist, sich freizuschwimmen von der Prämisse, sie nur Sprungbrett sein zu lassen für die ganz persönliche Reise einer 32-Jährigen, die zwar Mutter wird, aber das Baby nicht zur Welt bringt. 

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„15 Liebesbeweise“ von Alice Douard mit Ella Rumpf (Credit: Films That Matter(

Céline hat ihre Freundin Nadia nur deshalb geheiratet, um gleichberechtigtes Elternteil für das kleine Mädchen werden zu können, das die Liebe ihres Lebens austrägt – Baby Nummer 2, sollte es so weit kommen, soll dann im Körper von Céline heranwachsen. Nur ist die Heirat nur ein kleiner Teil der Auflagen, die die Behörden haben, um sie vor den Augen des Gesetzes das sein zu lassen, was sie ohnehin sein wird: eine Mutter, mit allen Rechten und Verpflichtungen, die das umspannt. Dazu muss sie aber erst einmal beweisen, dass ihre Liebe zu Nadia echt ist, nicht nur gespielt. Eine der Auflagen besagt, dass sie 15 selbst verfasste Briefe von Verwandten und Freunden vorlegen muss, in denen beschrieben wird, warum sie nach Auffassung der Verfasser eine gute Mutter und Nadia eine gute Partnerin ist. Für Céline bedeutet das, nicht nur die Monate an der Seite ihrer Frau noch intensiver zu erleben, sich ihrer Überzeugungen wirklich bewusst zu werden, was es bedeutet, Mutter zu sein. Es bedeutet für sie vor allem, nach Jahren wieder Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen, eine geniale Konzertpianistin, aber auch eine so sehr auf sich bezogene Künstlerin, dass sie sich nie richtig zu ihrer Tochter bekennen konnte: Die schwierigen Etüden hatten immer Vorrang. Und nun muss diese exzentrische Frau helfen, dass Céline selbst Mutter werden kann.

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„15 Liebesbeweise“ von Alice Douard mit Ella Rumpf (Credit: Films That Matter)

Wie Alice Douard hier leichte Momente ausbalanciert mit den heftigen Konfrontationen, ist ein kleines Wunder, gleicht manchmal dem ähnlichen und doch ganz anderen „Die jüngste Tochter“ von Hafsia Herzi, rührt aber auch an ähnliche Themen wie „Was uns verbindet“ von Carine Tardieu – beides weitere Perlen des Kinojahrgangs 2025, die man nur jedem Filmfan dringend ans Herz legen kann. Man ist dabei bei den ganz normalen Dingen, die werdende Eltern auf dem Weg zur Geburt durchmachen: Wie wechselt man Windeln, wie hält man diese kleinen Dinger, ohne dass man sie zerbricht, wie kann man die große Verantwortung ausbalancieren mit dem Leben, das man bislang geführt hat? In ihrem Freundeskreis hat jeder nicht nur eine Meinung dazu, sondern auch garantiert eine andere Meinung. „15 Liebesbeweise“ erzählt von der Belastungsprobe des Paares im Zentrum der Handlung, die aufgrund ihrer Situation vielleicht noch intensiver ist. Eine fast greifbare Vertrautheit besteht zwischen Céleste, eine Tontechnikerin und DJ mit einer Vorliebe für Techno, und Nadia, einer Zahnarzthelferin. Sie ist das Fundament des Films, und Ella Rumpf – gerade auch in „Couture“ zu sehen gewesen – und Mona Chokri sind großartig in ihren Rollen, ganz offen, ganz transparent.

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„15 Liebesbeweise“ von Alice Douard mit Noémie Lvovsky (Credit: Films That Matter)

Schließlich ist es aber die Schweizerin Ella Rumpf, auf der die Kamera primär ruht, der man zusieht auf diesem beschwerlichen Weg, den sie beharrlich geht, weil es der Weg ist, den sie gehen will. Auch wenn es bedeutet, wieder die von Noémie Lvovsky überragend gespielte Mutter in ihr Leben zu lassen, fast wie in einem Film von Noah Baumbach. Ihre langsame Annäherung steckt im Kern des Films, während alles andere auch noch um sie herum passiert. Die Zärtlichkeit, mit der Alice Douard ihren Figuren ihre Fehler und Idiosynkrasien nicht nur zugesteht, sondern sie regelrecht umarmt, als seien genau die Ecken und Kanten das eigentlich Lebenswerte, macht „15 Liebesbeweise“ zu einem Erlebnis, zu einer Entdeckung, die nicht von ungefähr auf dem 33. Filmfest Hamburg den Publikumspreis gewinnen konnte und auf dem 21. Zurich Film Festival eine lobende Erwähnung erhielt. Wenn man am Schluss in einer mutigen Montage aus dem Off die Wort hört, die die Mutter ihrer Tochter ins Stammbuch und an die Behörden schreibt, weiß man, dass man nicht nur einen großen Film gesehen hat, sondern dass der große Film auch einen perfekten Schluss hat. 

Thomas Schultze