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REVIEW CANNES: „Highest 2 Lowest“


Spike Lees auf den heutigen Stand der Dinge gebrachte Neuverfilmung des Klassikers „Zwischen Himmel und Hölle“, in der ein Schwarzer Plattenmogul die Entscheidung treffen muss, ob er das Geld für die Freilassung des entführten Sohnes seines Chauffeurs aufbringen soll.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 133 Minuten; Regie: Spike Lee; Drehbuch: Alan Fox; Besetzung: Denzel Washington, Jeffrey Wright, A$sap Rocky, Ilfenesh Hadera, Aubrey Joseph, Elijah Wright; Plattform: Apple

REVIEW:
So recht kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Spike Lee auf halbem Wege zur Fertigstellung im Schneideraum die Inspiration verlassen hat oder er sich selbst nie so richtig klar war, warum genau er Akira Kurosawas Klassiker „Zwischen Himmel und Hölle“ aus dem Jahr 1963 mit Toshiro Mifune in der Hauptrolle überhaupt neu verfilmen wollte. Nicht von ungefähr spricht der streitbare Regisseur von einem „re-imagining“ und nicht von einem Remake, wobei er die zentrale Prämisse und Konstruktion des Plots beibehalten hat, das Drehbuch von Alan Fox aber auch viele Schlupflöcher geschaffen hat, die Lee die Möglichkeit geben, dem Film seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Ging es im Original – eine Verfilmung von Ed McBains unter dem Pseudonym Evan Hunter geschriebenen Krimi „King’s Lösegeld“ – noch um einen Schuhfabrikanten, der das Lösegeld für die Freilassung seines entführten Sohnes zahlen soll, rückt „Highest 2 Lowest“ einen erfolgreichen Mogul eines Schwarzen Plattenlabels ins Zentrum, der zumindest dem Namen nach ein König ist: David King hat „das beste Ohr im Musikbusiness“, aber nicht mehr so ganz das beste Gespür, was der Markt braucht, weshalb er die Entscheidung treffen muss, wie es mit der von ihm aufgebauten Plattenfirma Stackin’ Hits weitergehen wird: Soll er das generöse Übernahmeangebot eines Megakonzerns unterstützen oder sich die Anteile seines Freundes und Partners mit seinem eigenen Geld sichern und das Geschäft, das er aufgebaut und das ihn reich und berühmt gemacht hat, ohne Einflussnahme weiterführen? In diese Situation platzt die Nachricht, sein 17-jähriger Sohn sei entführt worden, für 17,5 Millionen Dollar könne er wieder freikommen. Es stellt sich heraus, dass die Entführer irrtümlicherweise den Sohn seines Chauffeurs entführt haben, was King vor den Gewissenskonflikt stellt, ob ihm auch das Leben eines anderen Jungen soviel Geld wert ist.

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Spike Lees „Highest 2 Lowest“ mit Denzel Washington (Credit: Apple)

Vielleicht wollte sich Spike Lee einfach die Chance nicht entgehen lassen, wieder mit Denzel Washington zu arbeiten, den er in den letzten 35 Jahren nunmehr fünfmal inszenieren konnte, erstmals bei „Mo’ Better Blues“ 1990, dann bei seinem Opus magnum, „Malcolm X“, und zuletzt bei dem kommerziell erfolgreichsten Film in der Karriere des Regisseurs, „Inside Man“. Man wünschte sich, er hätte sich dessen erzählerische Ökonomie auch hier zum Vorbild genommen, ein tighterer Thriller wäre dabei herausgekommen, der sich nicht in der zweiten Hälfte mangels besserer Einfälle in uninspirierte Montagen zu überstrapazierten Gassenhauern von James Brown flüchten muss. „The Payback“ und „The Boss“ kurz hintereinander? Um mit „She’s Gotta Have It“ zu sprechen: Please baby, pleasebaby, please baby, baby baby please??? Dazu kommt eine bizarre Verfolgungsjagd bei der Übergabe des Lösegelds, die vorne und hinten keinen Sinn ergibt und obendrein noch den Zuschauer schamlos beschummelt (wann können die Taschen denn vertauscht worden sein). Aber immerhin hat Lee sie zu einem von Rosie Perez und Anthony Ramos angekündigten Liveauftritt des legendären Eddie Palmieri geschnitten, 88 Jahre alt und immer noch keine idle hands am Klavier. Der Film hat außerdem eine U-Bahn-Fahrt, bei der Yankees-Fans minutenlang Hassgesänge auf die Boston Red Sox anstimmen, und bizarre Improvisationsszenen, in denen Denzel Washington in tiefster Verzweiflung das Zwiegespräch mit gerahmten Fotos von Aretha Franklin, Jimi Hendrix und Stevie Wonder sucht, wie sie sich in seiner Situation verhalten würden. Wonder lebt noch. Vielleicht sollte er ihn einfach anrufen.

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Beim „Highest 2 Lowest“-Photocall: Spike Lee, A$ap Rocky, Denzel Washington (Credit: IMAGO / imageSPACE)

Das klingt negativer, als es gemeint ist, weil mindestens ebenso viel auch für „Highest 2 Lowest“ spricht. Es ist frustrierend, weil die gestalterische Arglosigkeit und ein fehlverstandener Impetus, dem Material unbedingt den eigenen Stempel aufdrücken zu wollen, den Stoff hindern, sich zu einem richtig guten Film zusammenzusetzen, der da irgendwo drinsteckt in diesen oft stimmungsvollen Aufnahmen eines New Yorks im Umbruch (Kamera: Matthew Libatique), die ihre Reise in den neuen High-Rises in Brooklyn mit Blick auf Manhattan beginnen und dann in den heruntergekommenen Gassen der Bronx enden, vom highest zum lowest, wie eben bei Kurosawa auch. Jeffrey Wright macht jede Szene, in der er als langjähriger Freund Kings auftritt, zu einem Highlight. Und schließlich erweist sich Hiphop-Superstar A$ap Rocky bei seinem ersten Leinwandauftritt im letzten Drittel des Film als Nemesis mit magnetischer Ausstrahlung: Von seiner Figur mit dem klingenden Namen Yung Felon hätte man gerne mehr gesehen. An der Seite von Wright und A$ap Rocky ist dann auch Washington am besten, lotet er das Zentrum seiner Hauptfigur aus, ist er so souverän und überzeugend, wie man das von ihm gewohnt ist. Da findet dann auch der Film zu sich, der unter einer Last inszenatorischer Fehlgriffe und einem Übermaß an Product-Placement ächzt und seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, seine Seele an den Teufel verkauft. Vielleicht sollte sich „Highest 2 Lowest“ Nachhilfeunterricht von „Blood & Sinners“ geben lassen. 

Thomas Schultze