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REVIEW BERLINALE: „Heldin“


Intensives Drama über eine engagierte Pflegefachkraft, die in einer Nachtschicht an ihre Grenzen geführt wird.

CREDITS: 
Land / Jahr: Schweiz, Deutschland 2025, Laufzeit: 92 Minuten; Regie, Drehbuch: Petra Volpe; Besetzung: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Urs Bihler, Margherita Schoch, Jürg Plüss; Verleih: Tobis; Start: 27. Februar 2025

REVIEW:
Der Film von Petra Volpe kann überhaupt nichts dafür, wenn man Parallelen zieht zu „Das Lehrerzimmer“. Das ist einfach nur der unglaublich starken Präsenz von Leonie Benesch geschuldet, die zwischenzeitlich in einer tragenden Nebenrolle des Ensemblefilms „September 5“ zu sehen gewesen war und in „Heldin“ erstmals seit dem oscarnominierten Film von İlker Çatak wieder eine Hauptrolle spielt, es auch wieder mit der dieser ganz eigenen und unverkennbaren Konzentration und Entschlossenheit tut, eine ganz besondere Energie, die auch diesen Film prägt und formt, in dem sie mehr oder weniger in jeder Szene zu sehen ist. Gleichsam ist es aber auch unverkennbar ein Film der Schweizer Filmemacherin, die zuletzt als Drehbuchautorin des von Barbara Kulcsar inszenierten „Die goldenen Jahre“ in Erscheinung getreten war und davor als Regisseurin von „Die göttliche Ordnung“ ihre beiden Darstellerinnen Marie Leuenberger (in diesem Jahr in Berlin in dem österreichischen Wettbewerbsfilm „Mother’s Baby“ von Johanna Moder) und Rachel Braunschweig zu Schweizer Filmpreisen geführt hatte und selbst den Drehbuchpreis gewinnen konnte.  

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Leonie Benesch in „Heldin“ von Petra Volpe (Credit: Tobis)

Acht Jahre sind vergangen seit „Die göttliche Ordnung“. Und wenn überhaupt, dann hat Petra Volpe ihre Kunst auf allen Ebenen noch verfeinert und verbessert. Einen ungemein präzisen Film hat sie gemacht mit ihren Mitstreitern Judith Kaufmann an der Kamera und Hansjörg Weißbrich am Schneidetisch (die in dieser Konstellation auch an Ina Weisses „Zikaden“ gearbeitet haben, der vor zwei Tagen auf der Berlinale Premiere gefeiert hatte), ein Werk aus einem Guss, das sich elegant mit der Hauptfigur über eine Nachtschicht hinweg durch die Gänge der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses schlängelt und zusieht, wie Floria ihre Arbeit verrichtet, Handgriff über Handgriff. Sie ist Pflegefachkraft und zeichnet sich aus durch ihre Professionalität und Empathie. Jede Bewegung sitzt, jede Routine ist verinnerlicht. Immer die exakt gleichen Abläufe, nach denen man die Uhr stellen könnte. Reichlich Zeit verwendet der Film zunächst darauf, mit großer Ruhe zu zeigen, wie sie sich um jeden Patienten kümmert, für jeden ein Ohr hat, bei jedem Bescheid weiß, was Sache ist. 

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Petra Volpes „Heldin“ mit Leonie Benesch (Credit: Tobis)

Wenn Floria angepflaumt wird, schaltet sie auf Durchzug. Wenn sie angeschrien wird, dreht sie sich weg und sammelt sich erst einmal. Nie fällt sie aus der Rolle, immer ist sie sich ihrer Verantwortung gerecht. Das zu etablieren und dem Zuschauer nahezubringen, ist entscheidend. Man ahnt natürlich, dass die Balance nicht die ganze Handlung über aufrecht zu erhalten sein wird. Sonst hätte man keinen Film. Weil eine Kollegin krankheitsbedingt ausfällt, muss Floria doppelt anpacken und profitiert von den zur zweiten Natur gewordenen Abläufen. Aber man sieht auch, wie sich der Druck erhöht, wie sie immer weiter zu kämpfen hat, Herrin der Dinge zu bleiben, die Kontrolle zu behalten. Als ihr dann der eine Fehler unterläuft, ist er der Unmöglichkeit der Situation geschuldet, lässt den Film dann aber fast unmerklich von einer Charakterstudie unter Druck zu einem Thriller werden, bei dem die Uhr tickt. 

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Leonie Benesch in „Heldin“ von Petra Volpe (Credit: Tobis)

Es geht Petra Volpe nicht um Spannung, einfach nur der Spannung halber: Ihr Film ist kein Thriller, er ist nur spannend wie ein Thriller. Ihr Blick ist und bleibt empathisch, immer zutiefst menschlich: Sie ist nicht an der Eskalation interessiert, sondern daran, wie ihre Heldin (sic!) mit dieser Situation umgeht, wie sie die Kontrolle wieder zurückgewinnt. Am Anfang kommt sie mit dem Bus, am Ende fährt sie wieder mit dem Bus. Dazwischen ist Knochenmühle, eine Frau allein, die sich gegen die Realität stemmt, dass sie überfordert ist: Das eine Bild, das Floria in ihrem blauen Pflegerinnenkittel zeigt, wie sie ihrer Verzweiflung allein im stahlgrauen Aufzug Ausdruck geben kann, weil sie hier niemandem Stärke und Kompetenz spielen muss, bleibt bei einem. Ein ganz fein beobachteter Film ist das, ebenso fein gespielt, der sensibel ist und sensibilisieren will, der nicht mehr als 92 Minuten braucht, um dem Publikum seine abgerundete und gescheit geformte Geschichte zu erzählen, auf den Punkt. Und am Schluss aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, seiner Verzweiflung über den Status Quo im Gesundheitswesen Ausdruck gibt mit einem Ausrufezeichen in Form von Texttafeln, die erschreckende Zahlen liefern. Das ist dann weniger subtil als der Film, den man gerade gesehen hat, aber ein allemal angebrachter Weckruf.

Thomas Schultze