In den Kinos war „Bob Marley – One Love“ ein Hit. Jetzt steht die Home-Entertainment-Auswertung an: ab 29. April als Download zum Kaufen, ab 13. Mai als Video on Demand zum Leihen und ab 29. Mai als Limited 4K Ultra HD SteelBook und auf Blu-ray und DVD. Anlass genug, sich mit Hauptdarsteller Kingsley Ben-Adir über die Rolle seines Lebens zu unterhalten.
Bob Marley ist eine der großen Ikonen der Popkultur. Jeder hat eine persönliche Meinung von ihm. Wer ist Bob Marley für Sie, was bedeutet er Ihnen?
Kingsley Ben-Adir: Ich kann schon einmal mit Bestimmtheit sagen, dass er die letzten zwei Jahre mein Leben bestimmt und gewiss auch verändert hat. In dieser Zeit habe ich wohl mehr Bob Marley gehört und mehr über ihn nachgedacht, mich mit ihm beschäftigt als irgendwer sonst auf der Welt. Es war die beste Zeit, die man haben kann. Über Monate hinweg gehörte ihm meine volle Aufmerksamkeit, von dem Moment an, wo ich aufstand, bis ich wieder ins Bett gegangen bin, war er immer an meiner Seite, ging neben mir. Ganz persönlich gesprochen, gehört Bob ein großer Teil meines Lebens. Dieser Film hat mich verändert. Er hat verändert, wie ich die Dinge sehe, wie ich über die Dinge nachdenke. Bob Marley war ein Künstler durch und durch. Ein Genie, ein Vorbild, eine Leitfigur.
Leicht wurde es ihm nicht gemacht.
Kingsley Ben-Adir: Er stand unter enormem Druck. Politisch, von außen. Nicht alle waren mit seiner Botschaft der Einigkeit und des Friedens einverstanden. Aber auch privat, auf persönlicher Ebene. Wie er mit dem Trauma nach dem Anschlag auf sich und seine Familie umging, wie er das, umgeben von einem Bürgerkrieg in Jamaika, zu einem künstlerischen und menschlichen Statement formen konnte. Mich hat das umgehauen. Wir zeigen das in unserem Film. Und dann seine Hingabe zur Musik, Musik als seine Sprache, mit der er mit der gesamten Welt kommunizierte.
Sie haben zuvor bereits legendäre reale Figuren dargestellt, Malcolm X in „One Night in Miami“, Barack Obama in „The Comey Rule“. War es dennoch einschüchternd, sich einer solchen Figur zu stellen, eine Lichtgestalt, die aber eben auch menschlich war, Fehler und Makel hatte…
Kingsley Ben-Adir: Es gibt eine Million Wege, es falsch zu machen, und nur einen richtigen Weg. Der Vorsprechtermin war kein Akt, das ist einfach mein Job. Man bereitet sich vor, gibt sein Bestes. Aber als ich dann im Flugzeug nach Jamaika saß, um Ziggy Marley und die Familie kennenzulernen, da habe ich mir in die Hosen gemacht. Da habe ich gespürt, was für eine Verantwortung auf meinen Schultern lastet. Ich fühlte mich unfassbar klein. Wer bin ich schon, dass ich mir anmaßen konnte, Bob Marley zu spielen. BOB MARLEY! Aber dann war es fantastisch. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, und nach einem Nachmittag ließ Ziggy mich wissen, er wolle unbedingt, dass ich seinen Vater spiele und dass es dem Rest der Familie genauso ging. Das war ein Wow-Moment.
„Mir war es wichtig, sein Wesen zu kanalisieren, seine Emotionalität und Verletzlichkeit, seine menschliche und seine väterliche Seite.“
Die Belastung für Sie wurde dadurch aber gewiss nicht geringer.
Kingsley Ben-Adir: Weil ich es richtig machen wollte. Wobei… Das ist nicht das richtige Wort… Ich wollte ihm gerecht werden, wollte einen Weg finden, seiner Menschlichkeit zu entsprechen, ihr Ausdruck zu verleihen. Uns allen – dem Studio, dem Regisseur, der Familie und mir – war es wichtig, dass ich nicht versuchen würde, Bob nachzuspielen. Ich wollte ihn nicht verkörpern. Das wäre falsch gewesen. Mir war es wichtig, dass es mir als Schauspieler gelingen musste, sein Wesen zu kanalisieren, seine Emotionalität und Verletzlichkeit, seine menschliche und seine väterliche Seite, der private Bob Marley. Dazu musste ich verstehen, was seine Träume und Hoffnungen waren und welche Hindernisse ihm damals in den Weg gelegt wurden, unterbewusst und bewusst.
Und die Musik…
Kingsley Ben-Adir: Richtig, die Musik. Darauf kommt man immer wieder zurück. Sie ist der Schlüssel zu Bob Marley. Mir stand die Option offen, so zu tun, als würde ich Gitarre spielen. Aber das war ein No-Go. Wenn ich Bob spielen sollte, musste ich einfach wissen, wie es sich wirklich anfühlt, das Instrument in Händen zu halten und gleichzeitig zu singen und die Musik zu spielen und zu fühlen, mit dem Publikum zu kommunizieren. Das galt auch für die Sprache. Ich hatte noch nie Patois gesprochen. Aber das musste stimmen. Dafür bekam ich ein ganzes Team von Experten an meine Seite, die mich begleitet und unterrichtet haben, eine Operation von sieben Leuten. Auf die Details kam es an, und sie stellten sicher, dass die Details stimmten. Nur so konnte ich mich wohl genug fühlen, mich auf die schauspielerischen Herausforderungen zu konzentrieren.
Wenn so viel Lernen und Sammeln von Informationen nötig ist, eine Rolle zu spielen, gibt es denn überhaupt einen Zeitpunkt, wo man als Schauspieler komplett im Moment sein kann?
Kingsley Ben-Adir: Vor dem ersten Drehtag hatte ich mächtig Bammel. Es war die erste Klappe, jetzt galt’s. Alle seine Kinder waren da und zusätzlich einer von Bobs besten Freunden. Sie standen direkt hinter der Kamera und sahen zu. Sie hatten die Proben nicht gesehen, sondern erlebten mich in diesem Moment erstmals als Bob Marley. Die ersten zwei Stunden am Morgen waren schwierig, aber nach der Mittagspause war es, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Alle Schwere fiel ab, alle Mühe. Alle spürten das, und von da an, war es wie ein Wachtraum.
Was ist der Grund, dass Bob Marley heute noch so populär ist, wenn nicht gar populärer als zu Lebzeiten, warum eine neue Generation ihn gerade neu entdeckt und sich angesprochen fühlt?
Kingsley Ben-Adir: Es ist zeitlose Musik, weil es essenzielle Musik ist. Die Jugend von heute fühlt sich angesprochen von seiner rebellischen Ader. Wenn man in diesem Alter ist, sagen wir von 16 bis 21, dann ist man auf der Suche nach sich, dann will man herausfinden, wer man ist, was der Platz sein könnte, den man in der Welt hat. Sturm und Drang und all das. Bob Marley spricht das ganz direkt an, weil er sich stark macht für Individualität. Das ist die Quelle seiner Rebellion. Und das spürt man. Das hat man damals gespürt. Das spürt man heute. Das wird man auch in Zukunft spüren.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.