„The Village Next to Paradise“ von Mo Harawe und das Künstlerinnenbiopic „Mit einem Tiger schlafen“ von Anja Salomonowitz haben jeweils fünf Österreichische Filmpreise gewonnen. Harawes Langfilmdebüt gewann dabei in allen Kategorien, in denen es nominiert war, u.a. in den Königskategorien bester Spielfilm, beste Regie und bestes Drehbuch.
Der 15. Österreichische Filmpreis endet mit zwei Kantersiegen, die in dieser Form vielleicht ebenso überraschend sind wie der ein oder andere vielfach nominierte Titel, der schlussendlich bei der feierlichen Preisgala dann eher weniger zugkräftig war oder sogar leer ausging: „Mond“ (hier unsere SPOT-Besprechung) von Kurdwin Ayub, obwohl acht Mal nominiert, blieb ohne Auszeichnung. Und der Kinohit „Andrea lässt sich scheiden“ (hier unsere SPOT-Besprechung) von Josef Hader, sieben Mal nominiert, musste sich mit einem Preis begnügen.
Aber reden wir doch lieber von den Gewinner:innen. Da wäre zunächst einmal „The Village Next to Paradise“ (hier unsere SPOT-Besprechung) von Mo Harawe, produziert von Freibeuter Film (Oliver Neumann, Sabine Moser), der fünfmal nominiert war und fünfmal gewann, darunter als bester Film, für die beste Regie und bestes Drehbuch – in dieser Deutlichkeit durchaus überraschend. Der Film begann seinen Siegeszug mit der Weltpremiere im letztjährigen im Un Certain Regard in Cannes, es folgten zahlreiche Festivalauftritte und Preise, wie die Auszeichnung als bester österreichischer Spielfilm bei der Viennale 2024, dem Spezialpreis der Jury in beim Marrakech International Film Festival oder zuletzt der Große Diagonale-Preis des Landes Steiermark. Mo Harawe war mehrmals sprachlos ob dieser Würdigung. Sehr charmant und einnehmend bedankte er sich immer wieder – auch im Namen seines Casting Directors und seines Kameramanns, die nicht anwesend sein konnten. Für ihn bedeute es die Welt, dass er in Österreich so viele Chancen erhalten habe und auf so viele Menschen getroffen sei, die ihm immer wieder Mut gemacht hätten, seinen Weg zu gehen.
Fünf Preise erhielt auch das unkonventionelle Künstlerinnenbiopic „Mit einem Tiger schlafen“ (hier unsere SPOT-Besprechung) von Anja Salomonowitz. Für ihre schauspielerische Tour-de-Force als Künstlerin Maria Lassnig wurde Birgit Minichmayr als beste Darstellerin geehrt. Für die große Burgtheater-Schauspielerin ist es der erste Österreichische Filmpreis. Nominiert war sie bereits für „3 Tage in Quibéron“ und „Schachnovelle”. Minichmayr spielt zudem die Hauptrolle in einem anderen Film, der beim 15. Österreichischen Filmpreis ganz vorn mit dabei war, was die Anzahl der Nominierungen betrifft: „Andrea lässt sich scheiden“. Allerdings hatten die Akademie-Mitglieder ihre schauspielerische Leistung hierbei als nicht nominierungswürdig empfunden (schade eigentlich!). Nur die Kolleg:innen in den Nebenrollen – Maria Hofstätter, Thomas Schubert & Branko Samarowski – sowie Josef Hader als Hauptdarsteller kamen zum Zug (Hader hatte auch noch gemeinsam mit Florian Kloibhofer eine Drehbuch-Nominierung). Gewonnen hat dann indes nur Minichmayrs Polizei-Kollege Thomas Schubert als bester Nebendarsteller. Für Schubert ist es sein zweiter Österreichischer Filmpreis nach „Atmen“ (2012, damals als bester Darsteller).
Ein kleines Kuriosum: Als bester Hauptdarsteller wurde der Deutsche Albrecht Schuch ausgezeichnet, für seinen überragenden Auftritt in „Pfau – Bin ich echt?“ (hier unsere SPOT-Besprechung), das Regiedebüt von Bernhard Wenger, das in Venedig in der Settimana della Critica Weltpremiere gefeiert hatte. Schuch nennt bereits vier Deutsche Filmpreise sein Eigen, als bester Hauptdarsteller in „Systemsprenger“ (2020) und „Lieber Thomas“ (2022) sowie als bester Nebendarsteller in „Berlin Alexanderplatz“ (2022) und „Im Westen nichts Neues“. Jetzt hat der 39-Jährige erstmals den Österreichischen Filmpreis gewonnen. Respekt.
Bester Dokumentarfilm wurde der Kinohit „Favoriten“ (hier unsere SPOT-Besprechung) von Ruth Beckermann, der in den österreichischen Kinos über 40.000 Besuchende anlockte. Das Publikum im Saal der Awardsgala tobte vor Begeisterung, als Ruth Beckermann die im Film porträtierte Lehrerin, Ilkay Idiskut. Ein echtes Vorbild. Jedes Kind sollte eine solche Lehrerin haben!
Olga Kosanović gewann mit „Im Land der Berge“ ihren zweiten Österreicher Filmpreis für den Besten Kurzfilm. In ihrer Dankesrede sagte sie, dass wenigstens die Kultur in Österreich auf ihrer Seite stehe und sie anerkenne, denn die österreichische Staatsbürgerschaft habe sie immer noch nicht (dieses Thema verhandelt sie in ihrem sehr sehenswerten Langfilm-Dokumentarfilm „Noch lange keine Lipizzaner“, der beim Filmfestival Max Ophüls Preis Weltpremiere feierte).
Der diesjährige Sonderpreis ging an die große Schauspielerin Christine Ostermayer, die auch im als publikumsstärksten Spielfilm des Jahres 2024 ausgezeichneten „80 Plus“ neben Margarethe Tiesel die Hauptrolle spielt. Ostermayer war zu Tränen gerührt und unterstrich bei ihrer Dankesrede, dass das wichtigste Zaubermittel eines jeden Schauspielers die nötige Portion Glück sei.
Insgesamt muss man der Gala des 15. Österreichischen Filmpreises zugute halten, dass sie flott vonstatten ging. Für lange Dankesreden war kein Platz, die Musik (Band: Ruhmer) würgte alle, die dachten, sie könnten die Bühne länger als eine Minute für sich beanspruchen, gnadenlos ab. Eine Wohltat als Zuschauer:in. Die ganze Gala stand unter einem Trauerflor in Gedenken an die Opfer des schrecklichen Amoklaufs in Graz, was insgesamt auf die Stimmung drückte. Dennoch gab es auch einige heitere Momente, auch dank des gut harmonierenden Moderationsduos Stefanie Reinsperger und Philipp Hansa. Dennoch war es Michael Ostrowski, der physisch zwar nicht anwesend war, aber mit seinem Filmchen zum „besten adaptierten Drehbuch“ (dieses Element gab es bereits 2024) die Bude zum Bersten brachte. Als Schüler von Ilkay Idiskut musste er fragen zu den nominierten Filmen beantworten, in die er sich teilweise wieder selbst „hineinmontierte“. Urkomisch. Von den vielen prominenten Preispatinnen und -paten ist vor allem Marco Wanda eine herausstechende humoristische Einlage gelungen, als er die Preiskategorie Beste Filmmusik ankündigen durfte und vollmundig erklärte, dass es für ihn ganz ungewohnt sei als Preislaudator, weil bislang nur er immer ausgezeichnet wurde und noch nie selbst einen Preis hätte überreichen dürfen.
Der österreichische Humor beziehungsweise Schmäh blitzte dann doch noch einige Mal durch in einer ingesamt den Umständen angepasst getragen gehaltenen Gala. Sehr charmant war Stefanie Reinspergers Sketch, in dem sie die Österreichische Filmbranche ordentlich durch den Kakao zog, oder Bernhard Fleischmann, der für die Musik von „Mit einem Tiger schlafen“ gewann und sich bedankte, dass er sich für seine Arbeit immer wieder „den Arsch aufreißen dürfe“.
Das Thema Filmförderung durfte nicht fehlen. Nicht nur die Gewinner des Besten Spielfilms „The Village Next to Paradise“, die Freibeuter-Produzenten Oliver Neumann und Sabine Moser, oder auch „80 Plus“-Produzent Ulrich Gehmacher von Orbrock Filmproduktion monierten die von der Regierung angekündigten Kürzungen ilm Filmbereich. Bereits gleich zu Beginn der Gala kamen eine Reihe namhafter Filmschaffender wie Barbara Albert, Stefan Ruzowizky oder Akademie-Obfrau Mercedes Echerer auf die Bühne und stellten klar, wie wertvoll der österreichische Film sei und wie sehr er gerade im Ausland gefeiert werde. Die drastischen Kürzungen im Filmbereich hätten viele Projekte für dieses Jahr unmöglich gemacht. Sie appellierten, „gemeinsam mit uns, der Branche, konstruktive Lösungen zu finden für die aktuelle Lage, um das Potenzial für das heimische Filmschaffen in seiner Gänze zur Geltung zu bringen. Um dieses künstlerische und auch wirtschaftliche Erfolgsmodell fortfahren zu können, braucht es ein Bekenntnis des öffentlichen Österreichs. Auf das Kino, auf den österreichischen Film!“
ÖSTERREICHISCHER FILMPREIS 2025
DIE GEWINNER:INNEN IM ÜBERBLICK
DIE GEWINNER:INNEN IM ÜBERBLICK
BESTER SPIELFILM
The Village next to Paradise
P: Sabine Moser, Oliver Neumann
BESTER DOKUMENTARFILM
Favoriten P: Ruth Beckermann
R: Ruth Beckermann
BESTER KURZFILM
Land der Berge
R: Olga Kosanović
BESTE WEIBLICHE HAUPTROLLE
Birgit Minichmayr Mit einem Tiger schlafen
BESTE MÄNNLICHE HAUPTROLLE
Albrecht Schuch Pfau – Bin ich echt?
BESTE WEIBLICHE NEBENROLLE
Gerti Drassl Gina
BESTE MÄNNLICHE NEBENROLLE
Thomas Schubert Andrea lässt sich scheiden
BESTE REGIE
Mo Harawe The Village next to Paradise
BESTES DREHBUCH
Mo Harawe The Village next to Paradise
BESTES CASTING
Mohamed Mohamud Jama The Village next to Paradise
BESTE KAMERA
Mostafa El Kashef The Village next to Paradise
BESTE MONTAGE
Andrea Wagner Dear Beautiful Beloved
BESTES KOSTÜMBILD
Anaïs Horn, Marcus Karkhof Veni Vidi Vici
BESTES MASKENBILD
Sam Dopona, Verena Pellegrini Mit einem Tiger schlafen
BESTES SZENENBILD
Martin Reiter, Andreas Ertl Mit einem Tiger schlafen
BESTE MUSIK
Bernhard Fleischmann Mit einem Tiger schlafen
BESTE TONGESTALTUNG
OT: Hjalti Bager-Jonathansson, Johannes Baumann,
SD: Veronika Hlawatsch, MI: Tobias Fleig (OT – Originalton, SD – Sounddesign, MI – Mischung)
Mit einem Tiger schlafen
PUBLIKUMSSTÄRKSTER KINOFILM
80 Plus
P: Ulrich Gehmacher, Gerald Podgornig,