Als wäre er nie fort gewesen: Auch nach elfjähriger Pause trifft „Der letzte Bulle“ noch den richtigen Ton. Das Comeback des einstigen Sat.1-Hits, das in der Zusammenarbeit mit Prime Video zustande kam, weiß zu überzeugen. Henning Baums Mick Brisgau ist ein zeitloser Charakter.

FAST FACTS
• 2014 endete „Der letzte Bulle“ auf Sat.1 mit der 5. Staffel. Vorerst, wie man heute weiß.
• Die Produktionsfirma, Glisk, ist neu (zuvor ITV Studios), der Produzent, Philipp Steffens, ist der alte
• 2019 gab es unter der Regie von Peter Thorwarth 2019 einen Ausflug ins Kino, der Erfolg war überschaubar
• Prime Video & Sat.1 sind im Comeback-Fieber und legen bald mit „Stromberg“ und „Kommissar Rex“ nach
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2025; Laufzeit: 8 x 45 Minuten; Auftraggeber: Prime Video / Sat.1; Produktion: Glisk – Philipp Steffens; Regie: Wolfgang Groos, Thomas Nennstiel; Drehbuch: Regine Bielefeldt (Headautorin),Boris Dennulat (Headautor), Christian Kaps; Cast: Henning Baum, Maximilian Grill, Helmfried von Lüttichau, Peri Baumeister, Torben Liebrecht Tatjana Clasing, Robert Lohr, Christina Hecke, Karen Dahmen, Konstantin Gerlach;Termin: Prime Video ab 31.10., Sat.1 ab 24.11.
REVIEW:
Der Einstieg wirkt weit over the top: Doch die „Robinsonade“, Mick Brisgau nach einem Flugzeugabsturz über dem Pazifik zunächst auf einer einsamen Insel zu deponieren, ist ein glänzender Einfall. Die Parallele zum Auftakt der Serie vor 15 Jahren, als dieser Brisgau aus einem zwei Jahrzehnte anhaltendem Koma erwachte, ist augenscheinlich, aber auch besonders reizvoll, weil abermals die gesamte Palette eines aus der Zeit Gefallenen bespielt werden kann. Und die Fan-Base von Henning Baum wird ob der aus einem knappen Lendenschürzchens bestehenden Insel-Haute Couture verzückt sein.
Mick Brisgau in eine von technologischen Auswüchsen wie Smart Homes und Watches, von Gender-Debatten und gesellschaftlicher Spaltung geprägte Welt zurückkehren zu lassen, erweist sich ebenfalls als glänzende Idee. Eine Lichtgestalt in düsteren Zeiten. Humor wird in den acht neuen Folgen deutlich größer geschrieben als Crime. Dafür bürgt auch das wunderbar eingespielte Ensemble.
Der so übereifrige wie ungeschickte Leiter der Mordkommission Ferchert, den Helmfried von Lüttichau so richtig aufblühen lässt, als er sich in Folge sechs als Brisgaus Partner wähnt und in den Ermittleralltag stürzt, nachdem er zuvor Micks Kollegen Andi Kringge suspendierte. Tatjana Clasing als Fercherts Lebensgefährtin Uschi, Barbetreiberin, das Herz auf der Zunge und nie um einen weisen Ratschlag verlegen. Und natürlich Maximilian Grill als eben dieser Kringge. Das Zusammenspiel zwischen Baum und Grill ist harmonischer denn je und wird noch befördert, weil der von seiner Frau verlassen Kringge, sein Sohn und Mick fortan eine Männer-WG bilden. Aus den Neckereien spricht eine gegenseitige Wertschätzung, wie man sie von Bibi und Moritz aus den Wiener „Tatorten“ kennt.

Das Ensemble wurde aber auch raffiniert erweitert. Zwischen Mick, dem neuen Staatsanwalt Berger (Torben Liebrecht) und der neuen Rechtsmedizinierin (Peri Baumeister) wurde eine Dreiecksgeschichte aufgezogen, bei der man letztlich doch nicht weiß, wohin das Pendel ausschlägt.
Wie ein Roter Faden ziehen sich außergewöhnliche Vater-Sohn-Geschichten durch diese sechste Staffel. Andi und sein 15-jähriger Sohn Karl müssen sich, nachdem sich Karls Mutter auf Findungstrip nach Fuerteventura begeben hat, erst zueinander finden. Mick ist dabei ein hilfreicher Gefährte, was nicht verwundert, weil er damit zurecht kommen muss, dass er seinen Sohn zwar kennen lernt, aber der Sohn nicht wissen soll, dass er seinem Vater gegenüber steht. Die wieder von Christina Hecke gespielte Astrid hat den Sohn ebenfalls Mick getauft, aber sie will ihn nicht aus dem Familienidyll mit ihrem neuen Lebensgefährten reißen. Das ist sehr gefühlvoll, aber an keinem Punkt zu gefühlig, mit allzu großem Gewese erzählt. Ein weiterer Pluspunkt. Auch im ersten Fall der neuen Staffel geht es um einer äußerst tragische Vater-Sohn-Beziehung.
Wenn man zu Kritik ansetzen kann, dann vielleicht, dass die erzählten Kriminalfälle oft nur an der Oberfläche kratzen und nicht allzu sehr in die Tiefe gehen. Gleichzeitig spielen sie in sehr unterschiedlichen, interessant ausgewählten Milieus, bisweilen spiegeln sie den aktuellen Zeitgeist wider.
Der Fokus liegt aber auf dem Miteinander und manchmal auch Gegeneinander des Ensembles, und das ist hervorragend erzählt und herausragend gespielt. So richtig Fahrt nimmt das Comeback ab der zweiten Folge auf, als sich ein Garagentor öffnet und Brisgau seinen geliebten grün-schwarzen Opel Diplomat zurück bekommt.