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KI vs. Copyright: Leiterin des US Copyright Office nach Positionierung zu KI-Training entlassen


Im Rahmen einer eigenen Kolumne beleuchten Rechtsexperten von Fieldfisher für SPOT media & film wichtige Branchenthemen aus juristischer Sicht. In der aktuellen Folge wirft Dr. Gerd Hansen, auf Media & Entertainment Law spezialisierter Rechtsanwalt und Partner bei Fieldfisher, einen Blick auf das Beben im US Copyright Office, die Hintergründe und Verknüpfungen zur Frage des KI-Trainings.

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Rechtsanwalt Dr. Gerd Hansen (Credit: Nathalie Podena)

Trump feuert Leiterin des US Copyright Office nach Positionierung zu KI-Training  

Wir leben in bewegten Zeiten – und spüren das zunehmend auch in der Bewegtbildbranche. Erst letzte Woche der Zollschock (nach der Ankündigung von US-Präsident Trump, Zölle auf ausländische Filme zu erheben). Und schon wenige Tage später ließ die US-Administration die nächste Bombe platzen: So wurde am Wochenende die langjährige Leiterin des US Copyright Office, Shira Perlmutter, seit 2020 im Amt, kurz nach Veröffentlichung eines lang erwarteten Reports zum Thema „Generative AI Training“ mit sofortiger Wirkung entlassen.

Joe Morelle, der ranghöchste Vertreter der Demokraten im House Administration Committee, das das US Copyright Office beaufsichtigt, kommentierte dies laut Politico wie folgt: es sei „kein Zufall, dass [Trump] weniger als einen Tag nachdem [Perlmutter] sich geweigert hatte, Elon Musks Bemühungen durchzuwinken, massenhaft urheberrechtlich geschützte Werke zum Trainieren von KI-Modellen zu nutzen, gehandelt hat.“

Was steht in dem Report – und wie geht es nun weiter? 

Die am Freitag veröffentlichte „Pre-Publication Version“ der Stellungnahme des US Copyright Office ist Teil 3 einer Serie von üblichen Stellungnahmen des US Copyright Office zu „Copyright and Artificial Intelligence“. Diese von US-Rechtsprechung und Fachöffentlichkeit viel beachteten Stellungnahmen sind ein gängiges Instrument und nichts Ungewöhnliches. Sie helfen insbesondere bei der Einschätzung, ob bestimmte Inhalte nach US-Recht urheberrechtlich schutzfähig sind und ob sie beim US Copyright Office registriert werden können (siehe zu den Erkenntnissen aus dem vorangegangenen zweiten Teil dieser Report-Serie erst unsere KI-Kolumne vom 18. März 2025 zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von virtuellen Influencern und künstlichen Darstellern, Link: Virtuelle Influencer und künstliche Darsteller – wie schützt man sie? – SPOT media & film). Mit diesen in der Regel sehr fundierten Stellungnahmen übernimmt das US Copyright Office zudem eine beratende Funktion gegenüber dem US-Kongress in urheberrechtlichen Fragen. 

Der 108 Seiten umfassende jüngste Report bietet eine äußerst differenzierte Analyse zur urheberrechtlichen Einordnung des Trainings von KI-Modellen (der Report ist hier abrufbar: Copyright and Artificial Intelligence, Part 3: Generative AI Training Pre-Publication Version). Er basiert den eigenen Angaben des US Copyright Office zufolge auf über 10.000 Eingaben, die es seit August 2023 erhalten haben will. Der GAI-Report gibt einen technischen Überblick darüber, wie generative KI-Systeme entwickelt und eingesetzt werden, soweit dies für die urheberrechtliche Analyse relevant ist. Er widmet sich dann der Frage, inwieweit im Rahmen der Entwicklung von KI-Modellen urheberrechtlich relevante Vervielfältigungsvorgänge stattfinden. Von zentraler Bedeutung ist sodann die umfangreiche Auseinandersetzung mit der zur Zeit wohl wichtigsten urheberrechtlichen Frage schlechthin, nämlich ob das KI-Training von der Fair-Use-Doktrin gedeckt ist oder nicht. Eine Frage, die weltweit zur Zeit die Gerichte beschäftigt (auch in Deutschland im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Text & Data Mining-Schrankenregelungen, siehe das LAION ./. Kneschke-Verfahren vor dem LG Hamburg). Während bislang die wohl überwiegende Zahl der Stimmen davon ausgeht, dass das Training von dieser Schrankenregelung gedeckt ist, hatte sich das US Copyright Office nun deutlich dahingehend positioniert, dass das KI-Training NICHT durch die Fair-Use-Regelung gerechtfertigt sei. Der Report schließt mit Ausführungen zur Praktikabilität und Zweckmäßigkeit verschiedener Lizenzierungsmodelle. 

Warum Fair-Use (nach Auffassung des US Copyright Office) nicht greift

Am interessantesten aus urheberrechtlicher Sicht ist die Begründung, warum nach Auffassung des US Copyright Office dass KI-Training nicht durch die Fair-Use-Regelung (im Sinne von Section 107 des 1976 Copyright Act) gerechtfertigt ist. Ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wird in den USA anhand folgender vier Faktoren bewertet: 

„(1) the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes; 
(2) the nature of the copyrighted work;
(3) the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole; and
(4) the effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work.“. 

Besonders hervorzuheben sind die Ausführungen zum zentralen vierten Faktor: die Auswirkungen auf den potentiellen Markt (im Report ab Seite 60). So könne angesichts des Umfangs, der Geschwindigkeit und der Komplexität, mit der KI-Systeme Inhalte erzeugen können, sowie der enormen Anzahl an Werken, die zu Trainingszwecken verwendet würden, die Marktauswirkungen für urheberrechtlich geschützte Werke ein bislang nie dagewesenes Ausmaß erreichen. Nach Einschätzung des US Copyright Office bestehe das ernstzunehmende Risiko, dass der bestehende Markt für die zum Training verwendeten Werke beeinträchtigt werde. Durch KI-generierte Inhalte werde der Wettbewerb auf dem Absatzmarkt verschärft, es werde für Urheber schwieriger ihr Publikum zu erreichen. 

Das US Copyright Office räumt zwar ein, dass manche Nutzungen unter die Fair-Use-Schranke fallen mögen. So sieht das US Copyright Office Verwendungen zu nichtkommerziellen Forschungs- oder Analysezwecken, bei denen keine Werkbestandteile im KI-Output reproduziert werden, als wahrscheinlich gerechtfertigt an. Und dann kommt der Satz, an dem politisch möglicherweise Anstoß genommen wurde: 

„On the other end, the copying of expressive works from pirate sources in order to generate unrestricted content that competes in the marketplace, when licensing is reasonably available, is unlikely to qualify as fair use.“

In der Zusammenfassung noch pointierter: „(…) making commercial use of vast troves of copyrighted works to produce expressive content that competes with them in existing markets, especially where this is accomplished through illegal access, goes beyond established fair use boundaries.“ Auf Deutsch: Die kommerzielle Nutzung großer Mengen urheberrechtlich geschützter Werke zur Erzeugung kreativer Inhalte, die mit diesen auf bestehenden Märkten konkurriert – insbesondere wenn dies durch illegalen Zugriff geschehe – überschreitet die anerkannten Grenzen der Fair-Use-Doktrin.

Was das US Copyright Office stattdessen vorgeschlagen hatte

Das US Copyright Office sieht (sah?) die Lösung in der individual- und kollektivvertraglichen Lizenzierung von KI-Trainingsdaten. Angesichts der starken Zunahme freiwilliger Lizenzierungen und eines (vom US Copyright Office so wahrgenommenen) mangelnden Stakeholder-Rückhalts für Gesetzesänderungen, hält das US Copyright Office gesetzliche Änderungen für verfrüht.  Es setzt darauf, dass sich die entstehenden Lizenzmärkte weiterentwickeln. In jenen Bereichen, in denen die Lücken durch Lizenzen nicht geschlossen werden, erwägt das US Copyright Office (bislang) sogar „Extended Collective Licensing“. 

Durch Lizenzierungsmodelle könne sichergestellt werden, dass Innovation stattfinde, ohne dabei geistige Eigentumsrechte zu untergraben. Die Vorzüge der KI sollten sowohl deren innovativen Entwicklern als auch den Kreativen, deren Werke genutzt würden, sowie der Allgemeinheit zugute kommen. Soweit die hehren Ziele des Copyright Office. 

Keine 24 Stunden nach Veröffentlichung der Stellungnahme wurde die verantwortliche Leiterin des US Copyright Office mit sofortiger Wirkung entlassen. So schnell geht das in diesen Zeiten. Über die Gründe wird seither munter spekuliert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Beraterrolle von Elon Musk. Eine offizielle Begründung gibt es soweit ersichtlich bis dato nicht, lediglich eine offizielle Bestätigung der Entlassung seitens des US Copyright Office. 

Da es sich bei dem Report um eine „Pre-Publication Version“ handelte, wird nun spannend zu beobachten sein, wie die finale, ggf. geänderte Version dieses Reports aussehen wird. Vereinzelt wurde der Report bereits als „dead on arrival“ bezeichnet. Doch das könnte verfrüht sein. Die differenzierten Ausführungen zu den Marktauswirkungen könnten – auch international – argumentativ durchaus noch Einfluss entfalten – nicht zuletzt auch in den zahlreichen Gerichtsverfahren, die in anderen Jurisdiktionen anhängig sind. Auch hier stellt sich im Zusammenhang mit dem in mehreren internationalen Abkommen und dem Unionsurheberrecht verankerten „Dreistufentest“ ja die Frage, ob durch die Anwendung der Text & Data Mining-Schranke die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen der Urheber nicht ungebührlich verletzt werden. Ausgang ungewiss. 

Die zweite Woche in Folge bleibt man aus deutscher Branchensicht jedenfalls staunend zurück – und mit dem mulmigen Gefühl, dass es hier längst um mehr geht als nur KI und Urheberrecht.

Dr. Gerd Hansen (zum LinkedIn-Profil)

Zu Teil I der KI-Kolumne (Development-Phase)
Zu Teil II der KI-Kolumne (Schauspielbereich)
Zu Teil III der KI-Kolumne (Synchrobereich)
Zu Teil IV der KI-Kolumne (Dokumentarbereich)
Zu Teil V der KI Kolumne (KI-Training und Opt-out)
Zu Teil VI der KI-Kolumne (KI-generierte Musik)
Zu Teil VII der KI-Kolumne (Kaliforniens KI-Gesetze)
Zu Teil VIII der KI-Kolumne (Regeln zur KI-Kompetenz)
Zu Teil IX der KI-Kolumne (KI-Ausblick 2025)
Zu Teil X der KI-Kolumne (KI-Tarifvertrag)
Zu Teil XI der KI-Kolumne (Virtuelle Influencer und künstliche Darsteller)