Die Produktionsallianz, BFFS und ver.di haben sich in einer wegweisenden Vereinbarung erstmals auf verbindliche Regeln zum Umgang mit generativer KI im Rahmen von Filmproduktionen geeinigt. Der KI-Tarifvertrag, der am 1. März als Ergänzung zum Manteltarifvertrag in Kraft tritt, wurde nun der Öffentlichkeit präsentiert.

Noch bevor sich die deutsche Filmbranche in den Trubel der Berlinale stürzt, können die Produktionsallianz, die Schauspielgewerkschaft BFFS und ver.di einen weiteren Durchbruch in Sachen Sozialpartnerschaft vermelden. Nachdem Mitte Oktober bekannt gegeben worden war, dass sich die Tarifparteien auf Neuabschlüsse des TV FFS sowie des Schauspieltarifvertrages, eine tarifliche Einigung zur betrieblichen Altersversorgung und eine zu Nachwuchsfilmen geeinigt hatten, wurde nun auch die Einigung in Sachen KI-Tarifvertrag offiziell verkündet und das entsprechende Tarifwerk vorgestellt.
REGELUNGSUMFANG
Der KI-Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende umfasst laut der Zusammenfassung der Produktionsallianz folgende Regelungsbereiche:
• Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Schauspielerinnen und Schauspielern / Erfordernis der Einwilligung für digitale Nachbildungen / Vorgaben für die Weiterverwendung digitaler Nachbildungen in anderweitigen Produktionen
• Entgelt für Einsatz „digitaler Doppelgänger“
• Benennung typischer KI-Einsatzfälle
• Benennung praxisrelevante Ausnahmeregelungen
• Rechtssicherheit für Produzentinnen und Produzenten u.a. in der Postproduktionsphase
Folgende Tarifverträge finden Sie hier zum Download:
• Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende – TV FFS vom 12. Oktober 2024, Gagentarifvertrag 2024-2026
• Anlage zum Manteltarifvertrag des TV FFS Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz in Filmproduktionen
• Tarifvertrag „Nachwuchsfilm“
• Schauspieltarifvertrag
Eine ausführliche Skizzierung und Einordnung des Inhaltes des KI-Tarifvertrags durch den an den Verhandlungen beteiligten Rechtsanwalt Dr. Gerd Hansen finden Sie hier:
• KI-Kolumne, Teil X: Das regelt der KI-Tarifvertrag für die Filmbranche
Die Tarifregelung zum Einsatz generativer KI tritt am 1. März 2025 in Kraft und gilt zunächst bis zum 30. Juni 2026. Sie soll halbjährlich evaluiert werden, um mit der rasanten KI-Entwicklung in der Filmbranche Schritt halten zu können. Als erste tarifvertragliche Regelung für den Einsatz generativer KI in der deutschen Filmbranche gewährleistet die Regelung nach Worten der Produktionsallianz „einen technologieoffenen Interessenausgleich und sichert die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Filmwirtschaft“. Laut BFFS werden die Gewerkschaften „diesen Abschluss als Grundlage für den Einsatz generativer KI auch für die Beschäftigung und die Arbeit der weiteren Filmgewerke ansetzen“.
Die Tarifregelung betrifft laut BFFS den Einsatz generativer KI, einer Unterform der Künstlichen Intelligenz, die aus Trainingsdaten Muster erlernt und unter Einsatz von Algorithmen neue Inhalte erzeugt. Herkömmliche KI-Technologie-Anwendungen, die bislang etwa zur Nachbildung oder Veränderung der Stimme oder der Bildaufnahmen von Filmschaffenden beispielsweise in der Postproduktion eingesetzt wurden, fallen nach Angaben des BFFS nicht darunter.
Weiter heißt es von dessen Seite: „Der erreichte Tarifabschluss betrifft zunächst die schauspielerische Darbietung, also wenn schauspielerische Arbeit mittels generativer KI bearbeitet, umgestaltet oder durch den Einsatz sogenannter Replikate, also digitaler Nachbildungen der Schauspieler:innen, ersetzt wird. Regelungen zu Einwilligung und Vergütung sollen künftig sicherstellen, dass nicht über den Kopf der Schauspieler:innen hinweg mit ihren digitalen Nachbildungen gearbeitet wird.“
STIMMEN ZUM TARIFABSCHLUSS
Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz:
„Der erste KI-Tarifvertrag für die Filmbranche setzt Maßstäbe! Erstmalig hat sich in Deutschland eine Branche Regeln für den Einsatz generativer KI gegeben, darauf können wir stolz sein. Die Vereinbarungen wahren die Persönlichkeitsrechte der Schauspielerinnen und Schauspieler, schaffen zugleich Raum für wirtschaftlicheres Produzieren und technologische Innovationen. Mit dem KI-Tarifvertrag betreten wir Neuland und können als echtes Vorbild für andere Branchen dienen. Und wir haben einmal mehr bewiesen: Wir können uns selbst helfen. Für Herausforderungen gibt es immer dann konstruktive Lösungen, wenn sie gemeinsam angegangen werden. Letztlich ist unsere Branche immer gut beraten, eigene Lösungen zu finden, statt auf die Politik zu hoffen.“
Wiebke Wiesner, Leiterin Justiziariat, stv. Geschäftsführerin der Produktionsallianz:
„Nach langen und zähen Verhandlungen ist gelungen, was in anderen Ländern erst nach lähmenden Monaten des Streiks geschafft wurde. Wir haben ein KI-Moratorium abgewendet und uns auf kollektivvertragliche Standards für den Einsatz von generativer KI in Film und Fernsehen geeinigt. Wichtig war es, Ängste zu nehmen, mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen und zugleich Chancen für Wirtschaftlichkeit und Fortschritt zu bewahren. Wir freuen uns, all das mit einem inhaltlich konstruktiven Austausch erreicht zu haben.“
Heinrich Schafmeister, BFFS:
„Diese Vereinbarung zu KI ist in Deutschland wohl die erste auf tariflicher Ebene überhaupt. Unser Ziel war, uns gemeinsam mit unseren Tarifpartnern auf den Weg zu begeben, um den Umgang mit generativer KI so verantwortlich zu gestalten, dass einerseits unsere Arbeitgeber den technischen Fortschritt nicht verpassen und andererseits ein angemessener Schutz unserer Arbeit gewährleistet bleibt. Auf diesem Weg haben wir den ersten großen Schritt bewältigt und Zuversicht für weitere gewonnen.”
Christoph Schmitz-Dethlefsen, zuständiges Mitglied des ver.di Bundesvorstandes:
„Nach den ersten Erfolgen der US-Filmgewerkschaften haben BFFS und ver.di zusammen Tarifmaßstäbe gesetzt. Auch wenn nicht alle Folgen des KI-Einsatzes gelöst werden konnten. Einen maßgeblichen Schutz, mehr Mitbestimmung, die Pflicht zur Transparenz und auch finanzielle Kompensationen haben wir als Tarifansprüche gegen negative Folgen der Transformation in Filmproduktionen erreicht. Zunächst fürs Schauspiel als nächstes dann mit dieser Vereinbarung auch für alle weiteren Kreativen hinter der Kamera.“