Gestern veröffentlichte der VTFF die bitteren Ergebnisse einer Mitgliederbefragung, heute zog die Produktionsallianz mit ihrer Herbstumfrage und deren dramatischen Ergebnissen nach. Was daraus folgt, liegt auf der Hand: Ein eindringlicher Appell an die Politik.
Die Stimmung in der deutschen Filmwirtschaft: Sie könnte aktuell kaum schlechter sein – und tatsächlich muss man wohl konstatieren, dass jüngste Neuigkeiten zum Trauerspiel, zu dem die Förderreform zu verkommen droht, kaum geeignet sein dürften, das Bild in irgendeiner Form positiv zu beeinflussen.
Wie dem auch sei: Gestern hatte der VTFF sein mehr als nur ernüchterndes „Herbstbarometer“ vorgelegt, heute folgte nun die Produktionsallianz mit ihrer Herbstumfrage – und deren Ergebnisse sind keinen Deut weniger dramatisch. Eher im Gegenteil.
„Die deutsche Filmbranche kämpft mit einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage“ werden die Resultate seitens der Produktionsallianz zusammengefasst, die eine dazugehörige Mitteilung mit den Worten „Die deutsche Filmwirtschaft sieht bitteren Zeiten entgegen und hofft auf die Unterstützung der Politik“ überschreibt.
Konkret wird die wirtschaftliche Lage von 77 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen (die Rücklaufquote lag bei 36 Prozent) in der Produktionsallianz als „schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“ eingeschätzt. Nicht dass die Resultate 2023 übermäßig erbaulich gewesen wären – aber damals lag dieser Prozentsatz noch um ganze 21 Punkte niedriger – bei 56 Prozent. Angesichts dieser Entwicklung zu konstatieren, dass sich die Stimmung eingetrübt habe, käme einem Euphemismus gleich.
Nur noch ein verschwindend geringer Anteil von 0,5 Prozent der befragten Unternehmen beurteilt die Lage der Branche als „sehr gut“ oder „gut“.
Die Ergebnisse einer Sonderumfrage im Bereich Fiction überraschen (leider) nicht: In deren Rahmen gaben 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen an, dass die Auftragslage seit 2022 „stark“ bzw. „sehr stark“ zurückgegangen sei.
„Im Falle des Scheiterns der Filmreform zum 1.1.2025 drohen insbesondere in diesem Bereich massive Abwanderungen ins Ausland“, schreibt die Produktionsallianz – was ahnen lässt, wie groß die Enttäuschung darüber sein dürfte, dass das Projekt „Investitionsverpflichtung“ zumindest in dieser Legislaturperiode gestorben ist. Vorbereitet durfte man darauf sein – und es bedarf schon ein gehörigen Portion Optimismus, um noch auf eine Umsetzung des Anreizmodells in dieser Legislaturperiode zu hoffen.
Um die Befürchtungen mit Zahlen zu unterlegen: Knapp 70 Prozent der Unternehmen sehen im Falle des Scheiterns der Filmreform eine Abwanderung der Produktionen ins Ausland als unvermeidlich an. Wenn alle Unternehmen entsprechende Ankündigungen realisieren würden, drohe demnach rund eine halbe Milliarde an Euro Fiction-Produktionsvolumen ins Ausland verlagert zu werden.
Abgesehen davon, dass die Auftragslage (viel) besser sein könnte – wo drückt der Schuh? Als größte Probleme und Herausforderungen nannten die befragten Unternehmen laut der Produktionsallianz die steigenden Kosten bei gleichzeitig sinkenden Budgets der Auftraggeber. Diese Problemlage bestehe bei kleinen wie großen Unternehmen sowie unabhängig davon, ob sie Fiction oder Non-Fiction-Programme herstellen.
Die Unternehmensgewinne bleiben wie im Vorjahr auf einem sehr niedrigen Niveau und einem Median von 2,5 bis fünf Prozent. Der häufigste Wert in der Stichprobe liegt bei einem Gewinn zwischen 0 und 2,5 Prozent. „Der Rückgang der Unternehmensgewinne hat inzwischen ein Niveau erreicht, das eine nachhaltige Entwicklung der Branche kaum noch möglich erscheinen lässt“, heißt es dazu seitens der Produktionsallianz.
Dies gelte wiederum insbesondere für das Fiction-Segment: Fast ein Drittel der Fiction-produzierenden Unternehmen macht derzeit Verluste. Ein weiteres Viertel liegt im Bereich von prekären Gewinnmargen zwischen 0 und 2,5 Prozent. Nicht genug damit – denn gleichzeitig seien bei Fiction-Produktionen die Risiken, dass Produktionen teurer würden als geplant besonders hoch – Risiken, die fast ausschließlich vom Produktionsunternehmen getragen würden
Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz kommentiert die Ergebnisse wie folgt: „Die dramatische Eintrübung der konjunkturellen Lage der Filmwirtschaft setzt sich auch in diesem Jahr fort. Die unklare Lage bei der Filmförderung droht nun alle Hoffnungen für das nächste Jahr abzuwürgen. Erschreckend ist vor allem die Aussicht, dass der hohe wirtschaftliche Druck viele Projekte ins Ausland abwandern lässt. Auch der künstlerische Erfolg verhindert dann nicht das Ausbluten des Produktionsstandortes Deutschland. Wir appellieren erneut an die Politik, jetzt zu handeln! Die Film- und Fernsehwirtschaft braucht die Impulse der Filmreform und Klarheit beim von der KEF empfohlenen Erhöhung des Rundfunkbeitrages.“
Die Herbstumfrage ist die jährliche Mitgliederbefragung der Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen & Audiovisuelle Medien. Sie wird seit 2009 durchgeführt und fragt wirtschaftliche Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres (hier: 2023) und Einschätzungen für das kommende Jahr ab. Befragt wurden 329 Mitglieder der Produktionsallianz im Zeitraum zwischen dem 09.10.2023 und dem 04.11.2024. Die Grundgesamtheit umfasste 362 Unternehmen, von denen 214 vollständig teilgenommen haben (Rücklaufquote 59 % und damit repräsentativ für die Mitgliedsunternehmen der Produktionsallianz, jedoch nicht für den Gesamtmarkt, da Produktionsunternehmen mit Umsätzen unterhalb von 1 Mio. Euro in der Produktionsallianz im Vergleich zum Gesamtmarkt unterrepräsentiert sind). Die Unternehmen in der Stichprobe stehen für einen Gesamtproduktionsumsatz von rund 2,3 Mrd. Euro. Zusätzlich zur Herbstumfrage 2024 hat die Produktionsallianz eine Sonderbefragung unter ihren Mitgliedsunternehmen im Bereich Fiction zu den Themen „Auftragsvolumen im Bereich Streaming“ und zur Filmreform durchgeführt. Von 152 Unternehmen (Grundgesamtheit) haben 55 Unternehmen teilgenommen (Rücklaufquote: 36 Prozent).