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Das regelt der KI-Tarifvertrag für die Filmbranche


Als Experte für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit generativer KI war Dr. Gerd Hansen auf Seiten der Produktionsallianz an den erfolgreichen Verhandlungen zum ersten KI-Tarifvertrag für die deutsche Filmbranche direkt beteiligt. Exklusiv für SPOT skizziert er, worauf sich die Parteien geeinigt haben, was dies in der Praxis bedeutet und wie das Thema künftig weiter begleitet wird.

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Rechtsanwalt Dr. Gerd Hansen (Credit: Nathalie Podena)

Der erste „KI-Tarifvertrag“ ist da! Mit ihm definieren die Produktionsallianz, die Schauspielgewerkschaft BFFS und ver.di erstmals die Bedingungen für den Einsatz von generativer KI in Filmproduktionen – und betreten damit juristisches Neuland.

Als an den Verhandlungen auf Seiten der Produktionsallianz Beteiligter kann ich sagen: Der Weg war lang. Am Anfang standen auf Seiten der Filmschaffenden weitreichende Forderungen nach einem „KI-Moratorium“ – ein pauschales Verbot von KI. Ein Ansinnen, das von Produzentenseite schon aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produktionsbranche zurückgewiesen werden musste. Es entsponnen sich dann jedoch über das vergangene Jahr hinweg zwischen den Tarifparteien zwar zähe, aber doch stets konstruktive Verhandlungen. Die Tarifparteien haben hart gerungen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen und Risiken generativer KI zu finden. Dabei ging es um sehr grundlegende Fragen: Unter welchen Bedingungen etwa dürfen digitale Nachbildungen von Schauspieler:innen eingesetzt werden? Was ist, wenn der/die Schauspieler:in krankheitsbedingt verhindert ist? Wie ist der Einsatz von digitalen Doppelgängern (auch „Digital Replicas“ genannt) zu vergüten? Wie lassen sich – allgemeiner gesprochen – die Einsatzpotenziale generativer KI durch die Filmhersteller ausschöpfen, zugleich aber die Rechte der Filmschaffenden wahren? Große, drängende Fragen. 

Angefacht durch den monatelangen Hollywood-Streik schürte jedes neue KI-Bildgeneratortool bei den Schauspieler:innen die Angst, dass der Einsatz generativer KI schauspielerische Darbietungen künftig ersetzen könnte. Diese Existenzängste verstärkten den Wunsch nach verbindlichen tarifvertraglichen Regelungen. In dieser nervösen Grundstimmung mit einem klaren Blick für das Machbare die Ruhe bewahrt zu haben, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der Verhandlungsführer auf Seiten von BFFS und ver.di.  

Auf was genau haben sich die Tarifparteien geeinigt?

Der „KI-Tarifvertrag“ tritt als Ergänzung zum Manteltarifvertrag zum 01.03.2025 in Kraft. In der Präambel betonen die Tarifparteien, „dass die Kunstfreiheit – und letztlich auch die Verwendung generativer KI – ihre Grenze insbesondere im Persönlichkeitsrecht der Schauspielerinnen findet“, d.h. vor allem dem Recht am eigenen Bilde gemäß der §§ 22ff. Kunsturhebergesetz (KUG). Dass Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland – anders als in den USA – durch gesetzliche Vorgaben, insbesondere durch das Recht am eigenen Bild, als sog. „ausübende Künstler“ durch das Urheberrecht sowie ergänzend durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und Namensrecht, bereits weitgehend geschützt sind, mag für Juristen eine Selbstverständlichkeit sein – in der mitunter überhitzt geführten öffentlichen Debatte wird dieser gesetzlich bestehende Schutz aber bisweilen übersehen.

Ein etwaiger Einsatz sog. „digitaler Doppelgänger“ bei bestehender Erkennbarkeit der real existierenden Schauspieler:in bedurfte also schon auf Grundlage des geltenden Rechts einer Einwilligung. Mit dem KI-Tarifvertrag werden nun – in konkretisierender Ausformung der gesetzlichen Regelungen – die näheren Bedingungen zu Anwendungsmöglichkeiten von generativer KI in Filmproduktionen unter Berücksichtigung der speziellen Produktionsbedingungen in der Filmwirtschaft im Interesse der Rechtssicherheit detailliert geregelt.

So sollen etwa Klarstellungen bezüglich der Einwilligung, strenge Vorgaben für eine etwaige Weiterverwendung digitaler Nachbildungen in anderen Produktionen und verbindliche Leitplanken für die Bezahlung dem Schutz der Schauspieler:innen dienen. 

Produktionsfirmen erhalten ihrerseits Rechtssicherheit insbesondere im Hinblick auf KI-gestützte digitale Veränderungen v.a. in der Postproduktionsphase (insoweit ähnlich wie gemäß der in den USA erzielten Vereinbarung mit der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA) oder für die Fälle, in denen engagierte Schauspieler:innen zur Erbringung der vertraglichen Verpflichtungen vor der Kamera z.B. krankheitsbedingt verhindert sind (insoweit geht der nun erzielte Tarifvertragsabschluss über die US-Vereinbarung hinaus).

Wie ein roter Faden zieht sich durch den KI-Tarifvertrag das grundsätzliche Erfordernis der Einwilligung für die Erstellung und Verwendung von sog. „Digitalen Nachbildungen“ von Schauspieler:innen – unabhängig davon, ob die Digitalen Nachbildungen der Schauspieler:innen im Rahmen eines Engagements entstehen oder losgelöst davon auf der Grundlage von vorbestehenden Bild-/Tonaufnahmen angefertigt werden. Anknüpfungspunkt sind die mittels generativer KI erstellten digitalen Nachbildungen der Stimme und/oder des äußeren Erscheinungsbildes der Schauspieler:in, die diese (i) in Szenen zeigen, die tatsächlich gar nicht mit ihrer Mitwirkung gedreht wurden und (ii) den Eindruck erwecken, es handele sich bei der digital nachgebildeten Stimme und/oder der digital nachgebildeten Doppelgängerin um die Schauspieler:in selbst. Letztlich wird somit (unter Bezugnahme auf § 22 KUG) auf die Erkennbarkeit der betroffenen Person abgestellt. Erkennbar ist eine Person dabei in der Regel aufgrund ihrer Gesichtszüge. Diesen persönlichkeitsrechtlichen Vorgaben folgend sind Digitale Nachbildungen gemäß KI-Tarifvertrag einwilligungsbedürftig, sofern der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich bei der digital nachgebildeten Stimme und/oder der digital nachgebildeten Doppelgängerin um die reale Person selbst; wenn der Zuschauer denkt, dass die als Vorbild verwendete Person tatsächlich mitgewirkt hat.

Strenge Vorgaben für Weiterverwendung von Digitalen Replikaten

Eine große Sorge der Schauspieler:innen war, dass sie die Rechte an ihrem Konterfei „bis in alle Ewigkeit“ verlieren könnten und ihr digitaler Doppelgänger künftig statt ihrer zum Einsatz kommt. Für die Weiterverwendung digitaler Nachbildungen im Rahmen anderer Produktionen (als im Zusammenhang mit der Produktion, für die ursprünglich das jeweilige Engagement erfolgt ist) gibt der KI-Tarifvertrag nun vor, dass eine gesonderte schriftliche Einwilligung vorliegen und ein separates Entgelt vereinbart werden muss. Zugleich muss die beabsichtigte anderweitige Verwendung der digitalen Nachbildung dargelegt werden. Diese erforderliche Zweckbestimmung (z.B. für welche (Folge-) Produktion und welche Rolle) ergibt sich im Übrigen auch aus dem gesetzlichen Bildnisschutz. Denn wer eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vermeiden möchte, musste auch bislang schon den Zweck der geplanten Bildnisverwendung benennen.

Die Produktionsfirma kann die erforderliche Einwilligung einholen, wenn das konkrete anderweitige Folgeprojekt zur Realisierung ansteht. Die Einwilligung für solche anderweitigen Projekte kann jedoch auch schon zeitgleich mit dem Abschluss des initialen Darstellervertrages des ursprünglichen Projekts erfolgen. Sie ist dann aber daran gekoppelt, dass die Schauspieler:in auch für das Folgeprojekt engagiert wird, es sei denn, sie hat daran aufgrund anderweitiger Verpflichtungen kein Interesse oder ist anderweitig verhindert. Im Interesse der Privatautonomie ist zu begrüßen, dass zudem gegen Zahlung eines Entgelts auch individualvertraglich eine Einwilligung eingeholt werden kann – ohne dass es zwingend eines Folgeengagements bedarf. Letzteres gibt deutschen Produzenten einen größeren Spielraum als ihren US-Kollegen. Der KI-Tarifvertrag ist insoweit aus Produzentensicht vorteilhafter als die restriktivere Regelung, die in den USA mit SAG-AFTRA erzielt wurde.

Zahlreiche praxisrelevante Ausnahmeregelungen

Es ist ferner gelungen, zahlreiche, für die Praxis wichtige Ausnahmeregelungen im KI-Tarifvertrag zu verankern. So soll die Einwilligung zu digitalen Veränderungen etwa des Alters, des Körpermaßes oder des Aussehens entbehrlich sein, sofern solche Veränderungen unwesentlich sind oder eine Einwilligung bereits qua Vertrag vereinbart wurde oder wenn mit der digitalen Veränderung „im Wesentlichen dem Sinngehalt oder der jeweiligen Rolle des Drehbuchs gefolgt wird“ (Ziff. 3.2.1 des KI-Tarifvertrages) oder falls eine gesetzliche oder tarifvertragliche Ausnahmeregelung greift.

Ein Beispiel: Wenn sich die Vertragsparteien (Schauspieler:in und Produzent) für eine bestimmte Produktion vertraglich darauf verständigen, dass der/die Schauspieler:in für eine Rolle mittels KI z.B. 30 Jahre älter oder jünger gemacht werden soll, dann ist eine gesonderte ausdrücklich schriftliche Einwilligung der Schauspielerin entbehrlich. Gleiches gilt, wenn es an einer solchen individualvertraglichen Regelung fehlt, sich die wesentliche Altersänderung aber bereits aus dem Drehbuch bzw. der Rolle gemäß Drehbuch ergibt. Auch dann bedarf es für die Umsetzung der Altersänderung mittels KI keiner ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung. Im Regelfall wäre ohnehin davon auszugehen, dass sich Schauspieler:in und Produzent über solche für die Rolle wesentlichen Aspekte im Vorfeld schon im Rahmen des Casting-Prozesses im Einzelnen austauschen.

Unzulässig ist es hingegen, wenn ohne ausdrückliche schriftliche Einwilligung – E-Mail genügt – „in schwerwiegender wesentlicher Abweichung von Drehbuch und Vertrag eine Verkehrung ins (visuelle) Gegenteil vorgenommen würde“. Beispiele für eine solche völlige Verkehrung ins visuelle Gegenteil wären, wenn etwa jung zu uralt wird, großwüchsig zu kleinwüchsig oder dünn zu dick – und umgekehrt. Der Tarifvertrag selbst nennt als Beispiel für eine solche (ohne entsprechende Einwilligung und ohne Anknüpfungspunkt im Drehbuch) unzulässige Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes den Anwendungsfall des sog. „Reskinning“, bei dem mit den Mitteln generativer KI die Hautfarbe wesentlich verändert wird, d. h. etwa aus einer dunkelhäutigen Person nachträglich eine hellhäutige Person gemacht wird oder umgekehrt. Dieses Beispiel zeigt, wie hoch die Messlatte für die Einstufung als „wesentliche“ Veränderung liegt. Rein kosmetische Korrekturen (z.B. das bloße Entfernen einer Hautunreinheit oder Ähnliches) fallen jedenfalls nicht darunter.

Rechtssicherheit für Produzenten in der Postproduktionsphase

Generative KI kommt in der Filmbranche (neben der Development-Phase) am intensivsten bislang in der Postproduktionsphase zum Einsatz. Vor diesem Hintergrund ist aus Praxissicht begrüßenswert, dass branchenübliche und erfahrungsgemäß häufig sehr kleinteilige Anpassungen insbesondere in der Postproduktionsphase auch weiterhin ohne eine gesonderte Einwilligung zulässig sind. Angesichts der Vielzahl und Granularität der einzelnen (technologischen) Bearbeitungsschritte in der Postproduktion wäre eine gesonderte Zustimmung zu jeder unwesentlichen Einzeländerung schlicht nicht praktikabel. Ziffer 3.2.3 des KI-Tarifvertrages stellt nun mit einer (bloß beispielhaften) Aufzählung klar, dass u.a. Bearbeitungen, Schnitte oder andere Umgestaltungen zulässig sind „zum Zwecke der Reparatur oder der qualitativen Verbesserung des aufgenommenen Filmmaterials (z. B. Color Grading), des Kostüms, der Kürzung, des Timings oder der Geschwindigkeit, der ‚Continuity‘, der Lärmreduzierung, der Verständlichkeit, des (O-)Tons, des Sounddesigns, der Tonmischung, des Hinzufügens von VFX-Effekten oder Filtern, erforderlicher Änderungen zur Einhaltung sonstiger (strengerer gesetzlicher) Vorgaben und (branchenüblicher) Praktiken, des (Jugendschutz-) Ratings (für ein größeres Publikum) sowie unwesentlicher Anpassungen von Dialogen oder Handlung“. Wer mit der SAG-AFTRA-Guild-Vereinbarung vertraut ist, wird hier keineswegs zufällige Parallelen erkennen. 

Einer gesonderten Einwilligung bedarf es gemäß Ziffer 3.2.4 KI-Tarifvertrag auch nicht bei nachträglichen digitalen Veränderungen „zur Nachsynchronisierung (‚Dubbing‘), bei Verwendung eines Doubles oder bei Anpassungen der Lippen- und / oder anderen Gesichts- oder Körperveränderungen und/oder der Stimme, die für die Synchronisierung des Filmwerkes in eine andere Sprache und die hierfür erforderliche Anpassung der Gesichtsmimik erforderlich werden“. Diese Regelung soll auch Anpassungen des Dialogs oder der Aufnahmen für den Vertrieb in bestimmte Lizenzmärkte umfassen.

Typische Anwendungsfälle

Die Tarifparteien konnten sich zudem darauf verständigen, dass der Einsatz „Digitaler Nachbildungen oder Digitaler Teilverkörperungen“ im Interesse aller Beteiligten liegen kann. Beispielhaft genannt werden in Ziffer 3.3 des KI-Tarifvertrages gefahrgeneigte (Stunt-) Szenen, Fälle einer (z. B. krankheitsbedingten) Verhinderung der engagierten Schauspieler:in oder auch künstlerische Gründe. So können „digitale Doppelgänger“ etwa bei lebensgefährlichen Stuntszenen zum Einsatz kommen – oder in Fällen, in denen ein Main-Cast-Schauspieler krankheitsbedingt ausfällt oder gar verstirbt. Man denke hier an Fälle, in denen sich zum Beispiel der Schauspieler einer actionlastigen Krimiserie inmitten der Dreharbeiten das Kreuzband reißt. In solchen Fällen drohten bislang Produktionsabbruch oder kostspielige Nachdrehs. Künftig haben Produzenten hier auch die Option, einen KI-generierten Doppelgänger einspringen zu lassen (ohne dass es hierfür wohlgemerkt einer gesonderten Einwilligung bedürfte) – jedenfalls soweit der Einsatz des digitalen Doppelgängers nicht wesentlich über den Umfang hinausgeht, der für den Einsatz der realen Schauspieler:in vereinbart war.

Und wie ist das mit der Bezahlung?

Der KI-Tarifvertrag regelt schließlich auch, dass für die (persönlichkeitsrechtliche) Einwilligung zur Verwendung digitaler Doppelgänger ein Entgelt zu vereinbaren ist (Ziffer 3.5 KI-Tarifvertrag). Dies gilt jedoch nur, soweit die Schauspieler:in nicht ohnehin schon für ihre ggf. durch die KI ersetzte Mitwirkung einen Anspruch auf eine Gage oder Lohnersatzleistung hat. Folglich ist die Vereinbarung eines Entgelts auch dann entbehrlich, wenn das digitale Replikat für eine Szene verwendet wird, in der die Schauspieler:in ohnehin selbst auftritt (es sei denn, es handelt sich um eine Doppelrolle). Das würde bedeuten, ein Entgelt wäre beispielsweise dann zu vereinbaren, wenn ein etwaiger Doppelgängereinsatz wesentlich über den Umfang der vertraglich vereinbarten Mitwirkung der Schauspieler:in hinausgeht (etwa durch zusätzliche Drehtage, die zuvor nicht vorgesehen waren).

Zur Bemessung des ggf. zu vereinbarenden Entgelts sind sog. „Fiktive Drehtage“ heranzuziehen, also die Anzahl der Drehtage, die für die Herstellung der Produktion erforderlich gewesen wäre, hätte der/die Schauspieler:in die Rolle in der betreffenden Szene tatsächlich persönlich gespielt. Die Anzahl dieser Fiktiven Drehtage soll dabei anhand objektiver Kriterien ermittelt werden. Dies kann gemäß KI-Tarifvertrag insbesondere die vom Produzenten geschätzte Länge der Szene auf Grundlage des Drehbuchs sein (sog. „gestoppte Scriptlänge“). Was die Höhe des Entgelts angeht, verweist der Tarifvertrag – wohlgemerkt nur zur Orientierung – auf die gemäß Schauspieltarifvertrag individuell verhandelte bzw. zu verhandelnde Drehtagsvergütung – ohne sie jedoch mit dieser gleichzusetzen. Bei der Preisbildung sind letztlich alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ziffer 4.1 des Schauspieltarifvertrages nennt insoweit beispielhaft (und nicht abschließend) einige der preisbildenden Faktoren wie etwa Aussehen, Alter, Charisma und Erfahrung.

Fazit

Der neue KI-Tarifvertrag ist ein wichtiger erster Schritt in der Regulierung des Einsatzes generativer KI in der Filmproduktion. Zugleich ist es nur ein Auftakt, weil absehbar ist, dass nicht zuletzt aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung auf kurz oder lang Nachjustierungen erforderlich werden dürften. Die halbjährliche Evaluierung, auf die sich die Tarifparteien geeinigt haben, verdeutlicht, dass sie sich des disruptiven Potenzials der KI-Entwicklung durchaus bewusst waren.

Man sollte sich dabei keiner Illusion hingeben: Der KI-Tarifvertrag kann nicht sämtliche durch das Aufkommen generativer KI aufgeworfenen Fragen lösen, insbesondere nicht solche, die jenseits der Einflussmöglichkeiten der Verhandlungsparteien liegen. Vollständig KI-generierte Filme mit realistisch menschlich anmutenden Protagonisten etwa werden sich durch diesen KI-Tarifvertrag nicht unterbinden lassen. Dies stand schlicht nicht in der Macht der Tarifparteien – OpenAI & Co. saßen schließlich nicht mit am Tisch. 

Was der KI-Tarifvertrag jedoch erreicht, ist ein höheres Maß an Rechtssicherheit für den KI-Einsatz in der Filmbranche. Schauspieler:innen erhalten Klarheit, dass digitale Nachbildungen ihres äußeren Erscheinungsbilds und ihrer Stimme grundsätzlich nicht ohne ihre Zustimmung verwendet werden dürfen (insbesondere nicht für anderweitige Produktionen als die, für die sie engagiert wurden). Produzenten profitieren von Klarstellungen zum zulässigen KI-Einsatz, insbesondere in der Postproduktionsphase. Zum Teil wird – auch im internationalen Vergleich – Neuland beschritten. So etwa mit der Verständigung darauf, dass Produzenten digitale Doppelgänger einsetzen dürfen, wenn die Schauspieler:in zur Erbringung der vertraglichen Verpflichtungen verhindert ist (z.B. durch ein gebrochenes Bein während der Dreharbeiten).

Klar ist auch: Der zum 01.03.2025 in Kraft tretende KI-Tarifvertrag zieht notwendige Anpassungen bei den Darstellervertragsmustern und Standard-Rechtekatalogen nach sich. Produzenten sind daher gut beraten, ihre Vertragsmuster zeitnah zu überarbeiten, um die Chancen der neuen technologischen Möglichkeiten optimal nutzen zu können und rechtliche Risiken zu vermeiden. Erfreulicherweise lässt der KI-Tarifvertrag nämlich durchaus Raum für individualvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten.

Mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kreativwirtschaft ist erfreulich, dass das anfänglich im Raum stehende (sehr deutsche) „KI-Verbot“ abgewendet werden konnte. Stattdessen wurde ein technologieoffener Interessenausgleich erzielt. Dennoch ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass deutsche Film- und Fernsehproduktionen künftig nur noch mit seelenlosen „digitalen Avataren“ bevölkert werden. Im Gegenteil: Neben den (noch) beträchtlichen Kosten (insbesondere für eine professionelle digitale Bewegungserfassung zur Schaffung digitaler Nachbildungen) ist die normative Kraft des Faktischen nicht zu unterschätzen. 

Denn in der Präambel betonen die Tarifparteien völlig zu Recht: „Es sind vor allem Schauspieler:innen mit ihrer einzigartigen Fähigkeit, Emotionen und Geschichten zum Leben zu erwecken, die Realfilmen ihre emotionale Tiefe und Authentizität verleihen.“

Viel spricht daher dafür, dass generative KI das filmische Schaffen unterstützen, die Verzauberungskünste der Schauspieler:innen aber nicht ersetzen wird.

Dr. Gerd Hansen (zum LinkedIn-Profil)

Bisherige Beiträge von Dr. Gerd Hansen zum Thema KI bei SPOT:

Zu Teil I der KI-Kolumne (Development-Phase)
Zu Teil II der KI-Kolumne (Schauspielbereich)
Zu Teil III der KI-Kolumne (Synchrobereich)
Zu Teil IV der KI-Kolumne (Dokumentarbereich)
Zu Teil V der KI Kolumne (KI-Training und Opt-out)
Zu Teil VI der KI-Kolumne (KI-generierte Musik)
Zu Teil VII der KI-Kolumne (Kaliforniens KI-Gesetze)
Zu Teil VIII der KI-Kolumne (Regeln zur KI-Kompetenz)
Zu Teil IX der KI-Kolumne (KI-Ausblick 2025)