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Arthouse war dem Gesamtmarkt (schon) 2023 voraus

Ein Jahr, in dem zwei der größten Blockbuster als Arthouse-Filme klassifiziert werden konnten: Das blieb natürlich nicht ohne Folgen für Kernzahlen der FFA-Programmkinostudie. Deren Vorstellung in Leipzig ging mit einer interessanten Interpretation der Gegenüberstellung von Reichweiten und Besuchsintensitäten in den Zielgruppen einher – die auch ab dem Alter von null Jahren erfasst wurden.

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Brachten jede Menge Zahlen und Fakten nach Leipzig mit: Martin Michaelis und Norina Lin-Hi von der FFA sowie Nathalie Kaiser und Bernd Zickert von Comscore (Credit: AG Kino-Gilde/Uwe Frauendorf)

Es soll ja Menschen geben, die den Begriff „Barbenheimer“ so langsam nicht mehr hören können. Er wird allerdings zumindest in diesem Jahr wohl noch das eine oder andere Mal fallen, insbesondere wenn es am Ende um den Vergleich der Gesamtjahre geht. Und er spielt auch eine ganz erhebliche Rolle bei der Einordnung der Ergebnisse der Programmkinostudie der FFA, die traditionell auf der Filmkunstmesse Leipzig vorgestellt wird. 

Denn die Klassifizierung von zwei der größten Blockbuster des Jahres als Arthouse-Filme („Barbie“ und „Oppenheimer“) bleibt natürlich nicht ohne Folgen für Kernzahlen der FFA-Programmkinostudie – insbesondere jene zum Durchschnittsalter des Arthouse-Publikums, das sich zwischen 2022 und 2023 mal eben um über sechseinhalb Jahre verringert hat, von 51,8 auf 45,2 Jahre. Interessanter als die Entwicklung beim Alter der Besucher von Arthouse-Filmen wäre an dieser Stelle natürlich jene bei den Besuchern von Arthouse-Kinos. Generell gilt: Werte, die sich auf die Arthouse-Filme beziehen, unterliegen natürlich dem „Barbenheimer“-Effekt, insofern ist die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren und damit ihre Aussagekraft ein wenig eingeschränkter als üblich.

Anders sieht dies natürlich dort aus, wo es um die Entwicklung bei den Arthouse-Kinos selbst geht – bzw. genauer gesagt bei den Kinos mit Programmkinoleinwänden, zu denen auch „Mainstream“-Häuser mit einzelnen Programmkinoleinwänden zählen. 

Zur FFA-Präsentation „Zahlen – Daten – Fakten“

An dieser Stelle lässt sich sagen: Das Arthouse war dem Gesamtmarkt im vergangenen Jahr voraus – und das sogar deutlich, was die Entwicklung gegenüber 2022 anbelangt. Denn während es laut der aktuellen FFA-Programmkinostudie auf Basis des GfK-Panels bei den Besuchen um 23 Prozent nach oben ging, waren es bei den Kinos mit Programmkino (was natürlich vor allem auch die „reinen“ Programmkinos umfasst) ganze 35 Prozent. Auch beim Abstand auf das letzte vorpandemische Jahr hatten letztere die Nase vorne, wenn auch – der Entwicklung 2021/2022 geschuldet – nicht mit einer ähnlich hohen prozentualen Differenz. Im Gesamtmarkt fehlten 2023 noch 19 Prozent an Besuchen auf das Niveau aus 2019, bei den Kinos mit Programmkino 17 Prozent.

Interessant ist an dieser Stelle natürlich auch der (in Leipzig nicht vorgenommene) ergänzende Blick auf eine Halbjahresbilanz, die von der AG Kino-Gilde zusammen mit Comscore gezogen wurde und über die SPOT vor einigen Wochen exklusiv berichtet hatte. Demnach setzte sich der Trend, vor allem dank eines ausgesprochen starken ersten Quartals, bis zum Ende des ersten Halbjahres im Prinzip fort. Denn während der Gesamtmarkt Ende Juni ein Besuchsminus von rund acht Prozent gegenüber dem Vorjahr aufwies, konnten die Mitgliedskinos der AG Kino-Gilde im Schnitt ganze zehn Prozent MEHR Tickets verkaufen. Zur Einordnung dieser Entwicklung sei auf den entsprechenden Artikel verwiesen.

Zurück zum FFA-Blick auf 2023: Konsequenter Weise konnte das Arthouse auch bei der Rückkehr zu vorpandemischen Reichweiten stärker punkten. So fehlten dort noch 14 Prozent an „Unique Usern“, im Geamtmarkt waren es gegenüber 2019 noch 18 Prozent.

Zur ausführlichen Programmkinostudie

Auch beim Bestand sieht die FFA eine positive Entwicklung: Die Zahl der Programmkinos stieg um rund ein Prozent von 578 auf 582, das Plus von vier Häusern verteilt sich auf einen Zuwachs von drei bei den reinen Programmkinos (zuletzt 498) und um eines bei den Kinos mit einzelnen Programmkino-Leinwänden (zuletzt 84). Anders sieht dies aber bei der Zahl der Leinwände aus, die sich per Saldo insgesamt um vier reduzierte. Einem Rückgang von neun Leinwänden bei den reinen Programmkinos steht hier ein Zuwachs um fünf Leinwände bei den Kinos mit gemischtem Programm gegenüber. Dabei sticht die Entwicklung in Rheinland-Pfalz negativ hervor. Von 24 Programmkinoleinwänden ging es um 25 Prozent auf 18 zurück, das ist der mit weitem Abstand schlechteste Wert im Ländervergleich.

Bei der Präsentation der Zahlen in Leipzig wartete die FFA zudem noch mit einem Bonus auf: Zum zweiten Mal wurde bei der GfK eine Betrachtung der Zielgruppen ab 0 Jahren in Auftrag gegeben, üblicherweise erfasst die GfK nur das Publikum ab zehn Jahren. Gewählt wurde dafür ein Zwölf-Monats-Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024. Diese Auswertung soll später im Jahr erstmals auch gesondert publiziert werden.

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(Credit: FFA)

Dazu zunächst grundsätzliche Fakten, die durchaus nicht überraschend sind: Im Alter zwischen Null und fünf Jahren ist die Kinoreichweite noch recht überschaubar – liegt aber immerhin schon bei 22 Prozent, mit einer Besuchsintensität von 2,3. Im Alter zwischen sechs und neun Jahren geht die Reichweite dann (fast) durch die Decke. Der Wert von 73 Prozent ist der zweithöchste aller Altersgruppen – und liegt nur sechs Prozentpunkte hinter dem Spitzenwert, den die Zielgruppe 10-14 Jahre erreicht (79 Prozent). Ab diesem Alter geht es leider nahezu kontinuierlich nach unten, nur zwischen 40 und 49 Jahren nimmt die Kinobegeisterung gegenüber jener der Alterskohorten zwischen 20 und 29 Jahren (37 Prozent) bzw. 30 und 39 Jahren (35 Prozent) vorübergehend wieder zu (auf 40 Prozent Reichweite), bevor dann wieder ein relativ steiler Rückgang erfolgt.

Interessanterweise korrespondiert die Entwicklung der Besuchsintensitäten keineswegs mit jener bei den Reichweiten. Tatsächlich steigt diese in den fünf Alterskohorten zwischen 0 und 29 Jahren kontinuierlich an, um danach zwar leicht abzufallen, sich aber doch relativ stabil zu halten. Bis hin zu einem jährlichen Durchschnittswert von 4,5 Kinobesuchen pro Jahr in der Zielgruppe 70+, in der allerdings zuletzt nur noch elf Prozent der Bevölkerung erreicht wurden.

Der Schluss, den Martin Michaelis und Norina Lin-Hi bei der Präsentation daraus zogen: Das offensichtliche Potenzial an zusätzlichen Kinogängern, das schon durch die Reichweiten signalisiert wird, steht mit Blick auf die Besuchsintensitäten in einem womöglich noch besseren Licht. Oder anders gesagt: Wer (wieder) für das Kino gewonnen werden kann, bietet die Chance, dass er (oder sie) nicht nur für sporadische Besuche zu gewinnen ist – und in quasi jedem Alter.

Prognosen zum Gesamtjahr 2024 gab es bei diesem Termin übrigens auch noch – und das sowohl seitens der FFA wie auch von Comscore. Dazu sei auf den eigenen Artikel verwiesen.