„Die Gespräche sind jetzt andere.“ Mehr als dieser Einschätzung von Studio-Babelsberg-CEO Jörg Bachmaier bedarf es eigentlich kaum, um das traditionelle Berlinale-Panel von MPA und GreenbergTraurig auf den Punkt zu bringen und ein weiteres Mal dick zu unterstreichen, was besser schon in den ersten 100 Tagen einer neuen Regierung zum Abschluss gebracht werden sollte. Wobei die Hinzunahme eines Kernsatzes des Warner-Verantwortlichen für Westeuropa argumentativ keineswegs schadet…
Es war schlicht dieses eine Zitat, das die von Laura Zentner (Partner GreenbergTraurig) moderierte Berlinale-Veranstaltung von MPA und GreenbergTraurig perfekt auf den Punkt brachte. „The conversation has changed“ fomulierte es Jörg Bachmaier als CEO von Studio Babelsberg – und was er meinte, sind natürlich die atmosphärischen Änderungen nach der Bekanntgabe der Erhöhung des Fördersatzes bei DFFF und GMPF sowie der (späteren) Bestätigung der Erhöhung der Kappungsgrenzen bei DFFF I und GMPF.
Eine Übergangslösung; erst kurz vor den Feiertagen verkündet; vor dem Hintergrund der vorläufigen Haushaltsführung erst einmal nicht übertrieben üppig ausgestattet – und mit ungewisser Zukunft. Und doch eine Lösung, die schon jetzt dafür sorgt, dass internationale Partner wieder mit ganz anderen Augen auf den Filmstandort Deutschland blicken.
Das erste wichtige Signal ist gesetzt. Jetzt muss das nächste, das große, unbedingt folgen. Ein Satz, der beim literarischen Innovationspreis vermutlich keinen der vorderen Plätze mehr belegen würde. Der deswegen aber nicht weniger richtig und wichtig ist – erst recht so kurz vor der Bundestagswahl.
Warum man ihn überhaupt noch so oft wiederholen muss? Dazu durfte der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Thomas Hacker* in einer Keynote noch ein paar (bittere) Worte verlieren. Ohne das „Blame Game“ einer krachend gescheiterten Koalition an dieser Stelle noch einmal allzu sehr auswalzen zu wollen – aber der Applaus, der den Worten „Wir hatten eine BKM, die gut im Vorschlagen war, die aber nicht abliefern konnte“ folgte, signalisierte durchaus, welchem der unterschiedlichen Narrative zumindest die bei dieser Veranstaltung versammelte Branche eher geneigt ist, zu glauben…
*Für den es angesichts seines Listenplatzes mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit erst einmal die letzte Legislaturperiode im Bundestag war
Zur Investitionsverpflichtung als einem der zentralen Themen dieser Veranstaltung wiederholte Hacker seine bekannte Position: Nein. Nope. Nada. Allenfalls nach einer Evaluierung der Effekte jener Maßnahme, auf die man absolute Priorität legen solle (und deren Umsetzung seiner Ansicht nach durch die Debatten um ein umstrittenes Instrument nur ausgebremst worden sei): der Umsetzung eines neuen Anreizmodells in Form des Tax Incentive.
Dass diese (sehr) schnell erfolgen muss, dazu gab es auf diesem Panel keine zwei Meinungen, zumal allseits damit gerechnet wird, dass die Mittel die Sommerferien nicht überdauern werden. Die jetzt gefundene Lösung sei ein wichtiger Schritt – aber eben nur der erste, wie es Clement Schwebig als Verantwortlicher für Westeuropa und Afrika bei Warner Bros. Discovery formulierte.
Sein Kernsatz, der Bachmaier zu einem „Ihr habt ihn gehört!“ animierte, war schlicht jener: Die letzte große internationale Produktion, die Warner in Deutschland realisiert habe („Matrix: Resurrections“) liege nun schon eine Weile zurück. Aber man wolle mehr machen. Und die simple Wahrheit ist nun einmal, dass die Förderbedingungen wesentlicher Teil der Standortentscheidung sind.
Wie wesentlich? Als neue Präsidentin der MPA im EMEA-Raum (und erste Frau auf diesem Posten!) hatte Emilie Anthonis nicht nur prominente Film- und Serien-Beispiele für das Produktionsengagement der MPA-Mitglieder in Europa parat. Sondern auch eine Auswahl an Daten der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, anhand derer sie klar machte, wie weit die Schere mittlerweile zwischen Deutschland und Ländern mit konkurrenzfähigem Anreizmodell aufgeht. Anthonis bezog sich dabei auf Zahlen aus einer Studie aus 2023; die gerade erst vorgelegte, aktuelle Ausgabe leidet in ihrer Aussagekraft womöglich ein wenig unter den Streiks des Jahres 2023, zeichnet aber kein dramatisch anderes Bild. Spanien kann im Verlauf des zurückliegenden Jahrzehnts um ein Mehrfaches höhere durchschnittliche Wachstumsraten aufweisen als Deutschland, was Investitionen der Streamer anbelangt. Und wer sich davon überzeugen wollte, wie einladend Spanien als Produktionsstandort wirkt, durfte direkt nach der Paneldiskussion in die Spanische Botschaft wechseln, wo von diversen Vertreter:innen großer US-Studios ein Hohelied auf das dortige System gesungen wurde.
Dass weder die MPA noch Warner bei diesem Termin eine Lanze für die Investitionsverpflichtung brechen würden, verstand sich nun wirklich von selbst; Jörg Bachmaier wählte den Mittelweg. Selbstverständlich wäre Studio Babelsberg eine solche Verpflichtung alles andere als unrecht, allerdings sekundierte er Thomas Hacker insofern, als er feststellte, dass die schnelle Umsetzung des Anreizmodells absolute Priorität genießen müsse. Dinge, die diesen Prozess ausbremsen würden, seien erst einmal ein Problem. Und er würde es favorisieren, wenn die mit einer solchen Verpflichtung verbundenen Punkte nicht von oben aufoktroyiert würden, sondern man in „gemeinsamen strategischen Gesprächen“ zu einer Win-Win-Situation für alle gelangen würde. Durchaus Zuspruch von Schwebig, der auf die Branchenvereinbarung zu den Sperrfristen verwies (die im FFG-Reformprozess bekanntlich beinahe noch von der Politik torpediert worden wäre…). Der aber auch betonte, dass schon das Wort „Investitionsverpflichtung“ ein Widerspruch in sich sei. Bei Investitionen müsse man schließlich wirtschaftlich handeln.
Abschließende Frage von The SPOT media & film: Machen 30 Prozent die Branche überhaupt schon glücklich? „Wir nehmen, was wir kriegen können!“: Noch ein Leitzitat von Bachmaier an diesem Abend. Eines, das stellvertretend für eine Branche steht, die jetzt schon (zu) lange auf eine moderne, international konkurrenzfähige Lösung gewartet hat. Vor allem auf eine unbürokratische, langfristige, verlässliche. Und unbedingt ungedeckelte.