Mit dem AIL Audio Innovation Lab geht in Köln ein neues Synchronstudio an den Start, das ausschließlich auf KI-geprägte Produktionsworkflows setzt. Wir haben bei den drei Geschäftsführern, Benjamin K. Höller, Ingo Hugenroth und Prof. Dr. Stefan Sporn, nachgehakt.
Wie kam es zur Gründung Ihrer Firma?
Ben Höller: Die Geschichte ist die: Drei Menschen, die schon lange in der Branche und mit Film und Fernsehen arbeiten und sehr komplementär zueinander sind – ein Unternehmensentwickler bzw. Jurist, ein Audio-Studio-Betreiber und ein Filmproduzent und -verleiher – trafen sich, sprachen miteinander und teilten die grundsätzliche Überzeugung, dass KI und synthetische bzw. synthetisierte Stimmen die Herstellung von deutschen oder fremdsprachigen Audiofassungen von Filmen, Serien und Dokumentationen sowie von vielen anderen Stimmanwendungen fundamental verändern werden. Sie hielten die Zeit für reif für neue Audiowelten und beschlossen: Wir gehen gemeinsam an den Start!
Wie wollen Sie sich von anderen Synchronstudios absetzen? Was für Vorteile bieten Sie?
Stefan Sporn: Das Audio Innovation Lab setzt ausschließlich auf die neuen durch KI-geprägten Produktionsworkflows. Dadurch können wir bei hoher Audio-Qualität die technologischen Vorteile voll einsetzen, die die traditionelle Produktionsweise nicht bieten kann: Wir produzieren bei höchster Qualität schneller, günstiger und zuverlässiger – wir sind erheblich weniger von der Verfügbarkeit von Personal abhängig, es ist rechtlich einfacher und unsere Stimmen „leben“ ewig und verändern sich nicht, außer wir wollen das. Hinzukommt, dass wir keine Probleme mehr mit dem Einsatz von Kinderstimmen haben – denken Sie an die Herausforderungen von FSF/FSK-18-Fassungen.
Ingo Hugenroth: Und wir können problemlos multilinguale Fassungen anbieten. Internationale Vertriebsfirmen können von uns aus einer Hand sämtliche Sprachfassungen erhalten, die sie für ihren Vertrieb auf den Messen in Cannes oder sonst wo auf der Welt brauchen. Gerade deutsche Filmproduktionen können damit jetzt einfacher einen internationalen Vertrieb bedienen.
KI ist für viele ein Reizwort, löst Unsicherheit und Sorge aus. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?
Ingo Hugenroth: Wir verstehen selbstverständlich viele der Bedenken und Ängste. Hier hilft eine Versachlichung anhand von Fakten, das Vereinbaren von klaren und transparenten Regeln zum Aufbau von Vertrauen und das Miteinandersprechen.
Stefan Sporn: Die Möglichkeiten der KI existieren, entwickeln sich exponentiell weiter und werden nicht mehr verschwinden. „Dagegen“ ist keine Haltung, die in dieser Situation hilft. Vielmehr gilt es, die Möglichkeiten zu nutzen und positiv zu gestalten. Das ist unser grundsätzlicher Ansatz. Bei uns gibt es vom Start weg in Abgrenzung zu anderen Anbietern klare Spielregeln, was wir machen und was wir nicht machen. Diese Spielregeln sind in unserer für alle Beteiligten verbindlichen Ethikrichtlinie niedergelegt, die jeder auf unserer Homepage nachlesen kann. Dazu gehört natürlich, dass keine Stimme ohne Zustimmung verwendet wird und jede Nutzung eine Vergütung auslöst.
Welche Rolle spielt in Ihren Prozessen noch der Mensch?
Ingo Hugenroth: Unsere Grundüberzeugung ist: Der Mensch bleibt auch in einem KI-basierten Prozess der Schlüssel zu einem qualitativ überragenden Audio-Ergebnis. Die KI-Systeme können schon sehr viel, aber z.B. nicht lippensynchron texten. Wir brauchen daher auch zukünftig hervorragende Autoren und Autorinnen und Sprecher und Sprecherinnen. Allerdings verändern sich zwangsläufig viele Dinge. Sprecher werden nur noch einmalig für eine Aufnahme zur Synthetisierung eingeladen; aber dafür erhalten sie bei jeder Nutzung eine Vergütung, obwohl sie dann faktisch nicht arbeiten – vergleichbar mit Musik, die im Radio gespielt und über Verwertungsgesellschaften abgerechnet wird. Es entsteht auch ein völlig neues Berufsfeld: Das des KI-Audio-Realisators, wie wir den Job nennen. Das ist – etwas vereinfacht gesagt – die neue Synchronregie, nur dass sie nicht mehr einem Menschen Anweisungen gibt, sondern einer Software.
Für wen ist das Angebot von AIL gerade besonders spannend?
Ben Höller: Für jeden, der hochwertige Versionen für den internationalen Vertrieb seiner Filme, Serien und Dokumentationen braucht, geht an AIL eigentlich kein Weg vorbei. Es gibt zwar KI-Systeme, mit denen man für den Hausgebrauch fremdsprachige Versionen erstellen kann, die sind aber nicht für den professionellen Einsatz geeignet. Wer mit seinen Produktionen Geld verdienen will, braucht uns – wir ermöglichen einen wesentlich breiteren Marktangang für deutsche Produktionen und den schnelleren Einsatz von internationalen Produktionen in Deutschland.
Wann können Sie loslegen? Gibt es bereits erste Projekte, die Sie in Angriff nehmen werden?
Stefan Sporn: Wir sind unmittelbar startklar. Dank der Kooperation mit der rain productions, einem seit Jahrzehnten etablierten Audiostudio in Köln, haben wir alles, was wir brauchen: Spitzentechnik und ein motiviertes und erfahrenes Team. Und bei der Content-Produktion steigen wir mit fiktionalen Formaten auch gleich in die Champions-League der Synchronisation ein. Weitere Projekte sind bereits in Verhandlung.
Thomas Schultze