Beim 11. Seriencamp feierte die neue RTL+-Comedy „Softies“ Weltpremiere. Am 6. Juni startet sie dann direkt auf der Streamingplattform. Entstanden ist sie aus dem Storytellers-Wettbewerb. Wir haben uns mit den beiden Creators, Yves Guillaume und Jonathan Westphal, sowie Produzent Eike Adler von UFA Fiction über diesen besonderen Stoff unterhalten.

Eure Comedy-Serie „Softies“ überrascht: Sie zeigt Männer, die Gefühle haben! Wie kommt man auf diese krasse Idee? 😄
Yves Guillaume: Ursprünglich kam mir die Idee beim Joggen mit einem Freund. Wir sprachen dabei viel über Gefühle, Beziehungen, Mental Health… Als ich nachhause gekommen bin, wurde mir bewusst, wie selten ich das mache, solche Gespräche mit anderen Männern zu führen. Mit meiner Freundin oder weiblichen Freunden mache ich das. Aber mit meinen männlichen Freunden superselten. Ich fragte mich dann, warum es darüber keine Serie gibt. Es ist eine so simple Prämisse, die aber noch nie aufgegriffen wurde. Dagegen gibt es so viele Serien über Frauen, wo genau diese Themen im Mittelpunkt stehen. Ich schrieb sofort Jonathan, weil ich wusste, dass er diese Art von Tonalität schätzen würde…
Jonathan Westphal: Wir haben uns zusammengesetzt und erst mal überlegt, was das für ein Genre, für eine Welt sein könnte. Und haben schnell festgestellt, dass es Comedy sein muss. Das Sprechen über eigene Gefühle hat durchaus etwas Absurdes, Witziges. Man gesteht sich grundsätzlich menschliche Bedürfnisse nicht zu, unterhält sich aber trotzdem darüber.
Yves Guillaume: Den Pitch zu entwickeln, war gar nicht so schwer, weil Jonathan und ich viel bei uns und unseren Freunden geschaut haben. Die Herausforderung war, ehrlich zu bleiben und Themen aufzugreifen, die man nicht allen erzählen würde. Uns war es ein Anliegen, diese Themen damit sichtbar zu machen.
„Bei Männern geht es meist darum, Tresore zu knacken oder jemanden zu besiegen, aber selten darum, wie es ihnen geht.“
Jonathan Westphal
Bei „Softies“ ist das traditionelle Männerbild – Stärke demonstrieren, Emotionen unterdrücken und bloß keine Schwäche zeigen – fehl am Platz…
Eike Adler: Der Pitch von Yves und Jonathan beim RTL-Storyteller-Wettbewerb hat mich thematisch sofort gepackt. Als ich zwei Jahre zuvor Vater wurde, begann ich intensiv darüber nachzudenken, welche Rollenbilder ich meinem Sohn vorleben möchte. Mit diesem geschärften Blick nimmt man Alltagssätze wie „Du bist doch ein großer Junge“ oder „Stell dich nicht so an“ plötzlich ganz anders wahr – sie zeigen, wie tief das Bild vom starken, unerschütterlichen Mann in unserer Gesellschaft verankert ist. Leider bietet auch die Popkultur bis heute zu wenig vielfältige Bilder von Männlichkeit.
Jonathan Westphal: Das ist uns in unserer Recherche aufgefallen. Bei Männern geht es meist darum, Tresore zu knacken oder jemanden zu besiegen, aber selten darum, wie es ihnen geht.
Yves Guillaume: Der Blick auf die Geschlechterrollen mag sich verändert haben, aber der Druck ist immer noch da. Zum Beispiel beim Blick auf den Körper: Die Gesellschaftsnorm ist immer noch ein super durchtrainierter Körper. Das gilt auch für Männer. Auch der Leistungsgedanke, der unsere Figur Marvin umtreibt, ist nicht verschwunden, nur weil er nicht mehr so offensichtlich ist. Der Macho-Typ ist in den Hintergrund gerückt, trotzdem gibt es immer noch riesige Erwartungen an Männlichkeit.
Welche Überlegungen gab es hinsichtlich des Settings?
Jonathan Westphal: Wir waren uns schnell einig, unsere drei jungen Männer ins heutige Berlin zu setzen, in eine Welt und in eine Großstadt, in der diese Themen vermeintlich keine große Rolle mehr spielen und Männer nicht Holzfäller sein müssen, die jeden Abend Bier trinken. Sie sind die neue Generation, wie Yves und ich, die eigentlich längst weiter ist… oder eben doch nicht. Denn die Muster und Strukturen, wie Männer zu sein haben, schlummern immer noch in uns.
Eike Adler: Glaubenssätze wie „Männer lösen Probleme, Frauen haben Gefühle“ sitzen tief. Ich selbst bin gerne emotional und sehe das nicht als Schwäche – und doch ertappe ich mich dabei, in klassische Männlichkeitsmuster zurückzufallen. Gleichzeitig müssen diese per se auch nicht falsch sein – solange sie frei von äußeren Erwartungshaltungen gelebt werden. Genau diese Diskussion stößt „Softies“ hoffentlich an.
„Eike und die UFA – gerade auch weil sich die UFA sehr für Nachwuchs einsetzt – waren einfach das beste Match.“
Yves Guillaume
„Softies“ hat den RTL-Storytellers-Wettbewerb gewonnen. Wie wichtig sind Möglichkeiten wie diese für junge Kreative?
Jonathan Westphal: Extrem wichtig. RTL setzt sich hier dafür ein, dass junge Kreative mit Stoffen ein Greenlight bekommen, ohne dass eine Produktionsfirma an Bord sein muss. Diese sucht man sich dann selbst. Wir haben uns von Elsa van Damke beraten lassen. Sie sagte uns, dass wir die Person aussuchen sollen, die unseren Stoff am besten versteht, bei der wir merken: Sie hat ein intrinsisches Interesse an unserem Stoff. Und diese Person war bei der UFA Fiction.
Yves Guillaume: Eike saß in der Jury, vor der wir gepitcht haben. Er hat uns direkt danach angesprochen und sich als großer Fan geoutet. Wir hatten auch Gespräche mit ein paar anderen Produzenten, aber Eike und die UFA – gerade auch weil sich die UFA sehr für Nachwuchs einsetzt – waren einfach das beste Match.
Ihr habt das Drehbuch gemeinsam geschrieben. Wie ging das vonstatten?
Yves Guillaume: Wir hatten viel in dem ersten Pitch angelegt. Unsere Charaktere Marvin, Hassan und Joshi hatten Jonathan und ich schon sehr genau gezeichnet. Bei der Drehbucharbeit ging es dann darum zu überlegen, was in den fünf Folgen passieren, wie die Dramaturgie aussehen soll und wie wir die Komposition zwischen Comedy und Dramedy hinbekommen.
Jonathan Westphal: Wir haben uns für die Drehbuchentwicklung viel Zeit genommen. Das Coole an dem Storytellers-Wettbewerb ist, dass man weiß, dass das Projekt zu 100 Prozent gemacht wird. Man muss seine Geschichte nicht mehr diversifizieren, verbiegen, verändern. Wir wussten: Das ist unser Shot, den haben wir, da packen wir alles rein.
Eike Adler: Ja das ist wirklich besonders. Beim RTL Storytellers-Format erhalten Autor:innen auf Pitchbasis ein direktes Greenlight – eine enorme Freiheit und zugleich eine große Chance. Mit dieser Sicherheit lassen sich Ideen ganz anders denken und mit neuer Energie umsetzen. Genau so entsteht Raum für neue Stimmen und mutige Konzepte – und es zeigt sich, wie sehr Vertrauen kreative Prozesse beflügelt. Davon können natürlich nicht nur Nachwuchsprojekte, sondern die gesamte Film- und Serienlandschaft profitieren. Deshalb wünsche ich mir, dass Vertrauen und Planungssicherheit keine Ausnahmen bleiben. Das würde uns inhaltlich nochmal stärker werden lassen.
Jonathan Westphal: RTL hat auch die Angst rausgenommen. Wir konnten alle Ideen auf den Tisch packen. Und Eike und die UFA haben das super unterstützt.
Yves Guillaume: Wir haben sicher ein Dreivierteljahr geschrieben, viele witzige Ideen sind entstanden… In einem normalen Setting, in dem ein Projekt jederzeit abgesagt werden kann, traut man sich vielleicht nicht so viel.
Jonathan Westphal: Wir konnten die Figuren so schreiben, wie wir wollten. Im tiefen Kern kommen die drei Charaktere aus uns beiden.
Yves Guillaume: Wobei wir uns auch haben inspirieren lassen aus unserem Umfeld oder von Geschichten, die uns Freundinnen erzählt haben.
„Das schätze ich an Damian Hardung: Er denkt immer und ausschließlich aus dem Inhalt heraus.“
Eike Adler
Wer hat euch bei der Besetzung unterstützt? Ist ja durchaus ein Coup, Damian Hardung zu gewinnen, der damals sicher schon mit „Maxton Hall“ durchgestartet ist, der Megahit, der ebenfalls bei der UFA produziert wird…
Jonathan Westpahl: Unsere Casting Director Berti Caminneci hat uns sehr unterstützt. Eigentlich kamen alle Vorschläge über sie. Da wir die Figuren schon so konkret im Kopf hatten, ist es leichtgefallen, den passenden Menschen zu finden. Es hatte viel damit zu tun, wie sehr sie die Figuren sind, wie sehr sie sich mit dem Thema identifizieren konnten.
Yves Guillaume: Wie das mit Damian Hardung zustande gekommen ist, darüber kann Eike was erzählen…
Eike Adler: Damian und ich kennen uns von einem früheren Projekt und waren zufällig am Tag der Premiere von „Maxton Hall“ zum Frühstück verabredet. Da habe ich ihm natürlich auch von „Softies“ erzählt. Und ja, damals war allen schon klar, dass „Maxton Hall“ ein großer Erfolg werden würde und dass dann ein Nachwuchsprojekt nicht der offensichtliche nächste Karriereschritt wäre. Aber genau das schätze ich an Damian: Er denkt immer und ausschließlich aus dem Inhalt heraus. Als ich ihm mehr von der Serie erzählt habe, war er interessiert und wollte gerne mehr lesen. Es folgte ein langer Austausch. Wir haben uns zwischenzeitlich getroffen und gemeinsam immer wieder über die Figur und das Thema gesprochen, bis er irgendwann meinte, er will unbedingt Marvin spielen. Wir haben auch ganz offen darüber gesprochen, ob sein Erfolg der Authentizität des Projektes im Wege stehen könnte. Aber nach jedem weiteren Gespräch mit ihm war klar, dass Damian, Samir Salim und Oskar „Softies“ nicht nur bereichern – sie sind es zu dritt, die der Serie ihre authentische Kraft verleihen. Insofern war es ein Coup – aber auf das gesamte Ensemble bezogen.
Jonathan Westphal: Das große Glück war, dass sich unser Hauptcast, Damian Hardung, Oskar Redfern und Samir Salim, in den Figuren gefunden hat. Jeder fand seinen Anteil, konnte sich mit den Themen identifizieren.
Die UFA ist dafür bekannt, die Talente im Blick zu haben und zu fördern. „Softies“ ist ein solches Projekt. Was haben Sie als Produzent von Yves und Jonathan als junge Kreative gelernt?
Eike Adler: Die Arbeit an „Softies“ hat mich immer wieder an meine eigenen Anfänge erinnert. Die Zusammenarbeit mit jungen Kreativen bietet eine wertvolle Gelegenheit zur Selbstreflexion. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich mit der nächsten Generation auszutauschen. Sie bringt frische Perspektiven, stellt neue Fragen und blickt mit eigenen Augen auf unsere Welt. Deswegen ist Nachwuchsförderung für mich auch keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Lernen und Austauschen. Unser Team war dabei genauso vielfältig wie der Blick auf Männlichkeit, den die Serie erzählt: erfahrene Profis neben Talenten, die ihre ersten Schritte gehen. Unsere Szenenbildnerinnen kamen frisch von der Filmuni Babelsberg, unser Herstellungsleiter hatte gerade „Where’s Wanda?“ abgeschlossen. Wir alle haben unglaublich viel mitgenommen und deswegen hat die Zusammenarbeit mit Yves und Jonathan nicht nur sehr viel Spaß gemacht, sondern war auch genauso bereichernd.
Yves Guillaume: Für uns war ein Vorteil, dass wir die Bücher geschrieben und dann auch Regie geführt haben. So kam alles aus einem Guss. Mit Eike konnten wir bereits ein halbes Jahr vor Drehstart über alle Themen sprechen, waren frühzeitig mit der Herstellungsleitung in Kontakt. Es war alles ein sehr natürlicher Vorgang. Wir wussten, alles, was wir schreiben, müssen wir auch inszenieren.
Eike Adler: Die Zusammenarbeit bei Softies war von Anfang an transparent und frei von Egos. Es ging immer ums Projekt, nie ums Rechthaben. Genau diese Haltung verändert sich mit dem Generationswechsel – und wo sie es noch nicht tut, sollten wir sie fördern. Denn dort, wo Fragen erlaubt sind und Fehler dazugehören, entstehen einfach die besseren Geschichten. Und dann ist es auch egal, wenn jemand nicht weiß, was eine Schnapsklappe ist.
Jonathan Westphal: Eike hat bei uns ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen etabliert. Wir konnten offen über Dinge sprechen. Die Grundhaltung am Set war nie ein Gegen- sondern Miteinander. Dadurch ist auf allen Ebenen Zusatzmotivation entstanden. Man hat gemerkt: Wir rudern in die gleiche Richtung.
Wollt ihr weiter zusammenarbeiten?
Yves Guillaume: Auf jeden Fall. Die Arbeit an „Softies“ war eine schöne Erfahrung. Es hat einen Haufen Vorteile, wenn man sich versteht. Wir wissen jetzt, wie wir zusammenarbeiten können.
Jonathan Westphal: Genau.
Das Gespräch führte Barbara Schuster