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„Talentförderung hört nicht bei Entwicklung und Produktion auf“


2022 konnten im Rahmen des 1. Forum Talentfilm wertvolle Impulse erarbeitet werden, die ein wesentliches Fundament für die geplante Neuaufstellung der Talentförderung auf Bundesebene bilden. Das 2. Forum Talentfilm widmete sich nun vor allem jenen Fragen von Sichtbarkeit und Auswertung, die im Reformprozess bislang nicht ausreichend adressiert wurden. Wir sprachen dazu mit den Initiator:innen Svenja Böttger, Alexandra Krampe, Mariana Schneider und Alfred Holighaus.

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Die Initiator:innen des Forum Talentfilm Deutschland: Alexandra Krampe, Mariana Schneider, Svenja Böttger und Alfred Holighaus (Credit: Katrin Streicher)

Welcher Gedanke steckte einst dahinter, das Forum Talentfilm 2022 ins Leben zu rufen?

Svenja Böttger: Die Wurzeln reichen einige Jahre weiter zurück, im Grunde bis ins Jahr 2019, als Julie Kania und ich begannen, uns intensiv damit zu beschäftigen, wie viel Unwissenheit und Unsicherheit herrscht, wenn es um den Talentfilm geht. Darüber, dass sich im Prinzip niemand eingehend mit den spezifischen Thematiken auseinandergesetzt hat, zumindest nicht im direkten Austausch mit den Betroffenen. Bereits vor 2019, als Anna Schoeppe (heute GF HessenFilm und Medien, Anm.d.Red.) noch als geschäftsführende Direktorin des Kuratoriums junger deutscher Film fungierte, kreisten die Gedanken um Möglichkeiten, ein entsprechendes Format in Kooperation zwischen dem Kuratorium und dem Filmfestival Max Ophüls Preis aufzusetzen. Dann kam die Pandemie – und mit ihr eine Zeit, in der die Verunsicherung nur noch zunahm, in der die Frage im Raum stand, wie man überhaupt noch eine Karriere in diesem Bereich beginnen kann. So kam dann 2021 endgültig Bewegung in die Sache, denn wir wollten unbedingt ein Dach bauen, unter dem man zusammenkommen kann, um sich auszutauschen und miteinander zu arbeiten. Das entscheidende Wort an dieser Stelle ist „miteinander“, denn es geht nicht darum, quasi von oben herab über Talente und ihre Projekte zu sprechen, sondern auf Augenhöhe mit ihnen gemeinsam Ideen und Lösungen zu entwickeln. Über Hoffnungen, Ängste, Wünsche zu sprechen. 

Alexandra Krampe: Parallel kam die Nachwuchsstudie des Produzentenverbandes (heute PROG Producers of Germany), die Schwarz auf Weiß bestätigt hat, dass es dem Nachwuchs doch nicht so gut geht, wie allgemein in der Branche behauptet wurde. Und dass gerade auch am Anfang stehende Produktionsfirmen – zumal, wenn weiblich geführt – strukturell benachteiligt werden. Das war dann der entscheidende Funke um das Thema Talentförderung auch im Rahmen der Reform der Filmförderung weiter in den Fokus von Branche und Politik zu rücken.

„Es wurde überhaupt nicht darüber nachgedacht, was nach dem ersten Film passiert“

Denken Sie tatsächlich, dass die Auffassung herrschte, der Nachwuchs habe kaum Sorgen?

Alexandra Krampe: Es herrschte weit verbreitet die Auffassung, dass diejenigen, die etwas können, am Ende auf jeden Fall durchkommen – und dass es in den anderen Fällen an mangelndem Talent liegt. Als Beweis dafür, dass es dem Nachwuchs gut geht und er ausreichend unterstützt wird, wurden einzelne Leuchtturmprojekte genutzt. Dabei wurde ausgeblendet, dass für jede Person, denen diese Sichtbarkeit gelungen ist, gut ein Dutzend andere Absolventinnen und Absolventen des gleichen Jahrgangs stehen, die keinen ähnlichen Weg einschlagen konnten. Und das an jeder der bekannten Filmhochschulen. Hinzu kommt, dass wir auch jede Menge kreatives Potenzial aus Reihen jener haben, deren Talent vielleicht von einer Hochschule nicht erkannt wurde und die als Autodidakt:innen einen Platz in der Branche suchen. 

Alfred Holighaus: Es wurde auch überhaupt nicht darüber nachgedacht, was nach dem ersten Film passiert. Es gab die Abschlussfilme, die standen groß im Fokus, auch durch entsprechende Programme und Preise – und dann vielleicht noch den ersten Film danach, der vielleicht auch Festivalerfolge feiern konnte. Aber dann brach es für viele Nachwuchsfilmschaffende ab. Das wurde abseits der Betroffenen kaum thematisiert.

Alexandra Krampe: Hinzu kommt natürlich auch die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen diese ersten Filme entstehen. Es wurde nicht darüber gesprochen, dass 190.000 Euro kein angemessenes Budget für einen 90-minütigen Spielfilm sein können.

Svenja Böttger: Wir hatten uns anlässlich der 40. Max-Ophüls-Jubiläums im Jahr 2019 mit Artikeln und Reden der ersten Stunde beschäftigt – und sind dabei auf eine ganze Reihe gestoßen, denen man besten Gewissens ein aktuelles Datum hätte verpassen können. Das hat uns in dem Gefühl bestärkt, dass sich an den grundlegenden Fragen über die Jahrzehnte hinweg nichts geändert hat. Oder zumindest viel zu wenig. Auch das war ein Weckruf und der Wunsch, etwas gemeinsam neu zu gestalten und zu verändern.

Alexandra Krampe: Einer der wichtigsten Aspekte dieser Studie war, die individuellen Erfahrungen der Talente und das Bauchgefühl jener mit konkreten Zahlen und Fakten untermauern zu können, die tatsächlich mit Talenten gearbeitet haben, die wirklich nah am Thema waren. Was mitunter als diffuses Gefühl abgetan wurde, wurde belegbar – das war die perfekte Ausgangsposition, um im Schulterschluss von Max Ophüls Filmfestival, Kuratorium und Produzent*innenverband/PROG ein Format wie das Forum Talentfilm auf die Beine zu stellen.

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„Komplexe Herausforderungen kollaborativ und lösungsorientiert anzugehen“ ist Zielsetzung des Forum Talentfilm Deutschland (Credit: Katrin Streicher)

Dessen Konzept hat sich bewährt?

Svenja Böttger: Absolut. Wir hatten das Glück, mit Svenja Rüger und ihrem Team zusammenzuarbeiten und den Prozess mit einer Methodik zu gestalten, die auf Partizipation, gemeinsamer Gestaltung und dem Denken in Zusammenhängen basiert. Sie eignet sich besonders, um komplexe Herausforderungen kollaborativ und lösungsorientiert anzugehen – ohne starre Abläufe, dafür mit viel Raum für neue Perspektiven und vor allem auf Augenhöhe.

Alfred Holighaus: Zu sehen, wie sehr so ein Ansatz die Perspektiven erweitern kann – und wie in diesem Zuge ein Austausch auf Augenhöhe zur Selbstverständlichkeit wird, war für mich eine geradezu beglückende Erfahrung.

Inwieweit konnten die beim ersten Termin erarbeiteten Impulse und Lösungsvorschläge in den politischen Prozess der Förderreform eingebracht werden?

Mariana Schneider: Im Rahmen des ersten Forums im Herbst 2022 konnte im Grunde ein sehr umfassender Katalog erarbeitet werden. Im Zentrum stand, das hat das 1. Forum Talentfilm deutlich gezeigt, die Notwendigkeit einer neuen Talentförderung auf Bundesebene, die erstmals Bundesmittel speziell für den Talentfilm bereitstellt und hierfür eigene Förderrichtlinien schafft. Ergänzend zum wichtigen Engagement der Regionalförderungen. Eine Förderung, die nicht nur zugänglicher sein muss als bislang, sondern die auch in einem transparenten Verfahren vergeben wird. Im Rahmen des Austauschs wurden vielfältigste Aspekte abgedeckt, bewusst in einer offenen Form des sprichwörtlichen „Wunschkonzerts“. Denn in der Freiheit, die das Forum für den Austausch bietet, können neue Ideen entstehen. Auf Basis der daraus erarbeiteten Konzepte konnte speziell das Kuratorium in die Reformgespräche gehen, es konnte darlegen, was die Bedürfnisse sind und wie die einzelnen Förderstufen ineinandergreifen müssen. 

Das Kuratorium hatte unterdessen bereits mit Reformmaßnahmen begonnen?

Mariana Schneider: Im ersten Schritt haben wir im Kuratorium die Stoffentwicklungsförderung neu gestaltet, hin zu einem flexibleren Modell, in dem eine sehr frühe Antragstellung möglich ist. Zu einem Zeitpunkt, zu dem auch grundlegendere Fragen wie jene nach der konkreten Form – zum Beispiel „Serie oder Langfilm?“ – noch offen sein können. Ein Modell, bei dem es zuallererst um die Idee geht. Aus diesem Grund wurde auch ein teilanonymisiertes Auswahlverfahren implementiert. Denn eine Ideenförderung soll niedrigschwellig sein, an dieser Stelle soll es noch nicht um Referenzen gehen. Die Umsetzung gelang zügig, wir konnten schon im Sommer 2023 mit der ersten Ausschreibung nach dem neuen Modell starten, kürzlich wurde der Call für die diesjährige Runde eröffnet. Der weitere und große Effekt ist, dass die Arbeit im Forum Talentfilm dazu beigetragen hat, dass ergänzend zu bisherigen Fördermaßnahmen eine neue Produktionsförderung für den Talentfilm aus Bundesmitteln aufgestellt und beim Kuratorium angesiedelt werden soll. Ein  Vorhaben, das in der letzten Legislaturperiode nicht abgeschlossen werden konnte und nun in die Umsetzung gehen muss. Natürlich gab es im Vorfeld der Ausarbeitung der Förderinstrumente und -richtlinien auch Branchenanhörungen, aber die Erkenntnisse aus dem ersten Forum waren extrem hilfreich, um basierend auf praktischen Erfahrungen und mit ganz konkreten Begründungen Strategien zu entwickeln.

Alexandra Krampe: Ein ganz wesentlicher Punkt, von dem man hoffentlich auch nicht mehr abrücken wird, ganz gleich, wie die Förderreform im Detail zu Ende gebracht wird, ist die Tatsache, dass der Nachwuchs- oder Talentfilmbegriff nicht mehr nur über den ersten und zweiten Film der Regie definiert wird, sondern dass endlich mehr Gewerke und somit das künstlerische Kerndreieck Drehbuch-Regie-Produktion in den Fokus genommen wird, also auch die Produzent:innen zukünftig im Rahmen der Talentförderung von Relevanz sein werden.

Svenja Böttger: Die Themen Förderung auf Bundesebene und Definition von Talentfilm zu adressieren, war der wichtige und vor allem lang ersehnte erste Schritt, der erfolgreich war. Jetzt geht es darum, das Momentum zu nutzen, darauf aufzusetzen und die nächsten Schritte zu gehen. Denn auch wenn wir Step by Step vorgehen müssen, wissen wir ja, dass es noch viel mehr Arbeitsaufträge gibt, von denen wir jene im Bereich von Auswertung, Sichtbarkeit und Erfolgsdefinition in den Fokus der zweiten Ausgabe des Forum Talentfilm genommen haben.

„Es ist unglaublich schwierig, überhaupt Sichtbarkeit zu bekommen“

Welche sind die Knackpunkte, mit denen man sich dabei beschäftigt hat?

Svenja Böttger: Es ging vor allem erneut darum, konkret zu werden in verschiedenen Aspekten. Erfolg beispielsweise wird im Moment eigentlich ausschließlich empirisch dargestellt, also vor allem über Kinobesuchszahlen bzw. Festivalpreise international. Dabei wird ausgeblendet, dass es auch andere Erfolgsfaktoren gibt, dass man an Projekte ganz unterschiedliche Kriterien anlegen muss, weil die Projekte nicht einem Schema gleichen. Es sollte also um einen Baukasten an Erfolgsdefinitionen gehen. Das ist das eine. Aber noch darüber schwebt die Problematik, die uns auch immer wieder in den Gesprächen mit den Talenten gespiegelt wird: Es ist unglaublich schwierig, überhaupt Sichtbarkeit zu bekommen, überhaupt ins Kino, ins Fernsehen oder auf die Streamingplattformen vorzustoßen. Das ist in manchen Bereichen ein noch größeres Problem als in anderen, zum Beispiel ist es im Zuge der Pandemie unfassbar schwer geworden, noch einen künstlerischen Dokumentarfilm zu machen – weil dafür schlicht kein Geld mehr ausgegeben wird. Und wir sehen auch, wie schwierig es für Verleiher ist, Debüts, aber vor allem zweite und dritte Filme, erfolgreich auszuwerten. Denn von den Kosten, die entstehen, um diese Werke sichtbar zu machen und sie an ein Publikum zu bringen, kann viel zu wenig auf Förderseite geltend gemacht werden. Es wird einfach nicht attraktiv genug gemacht, auch jene ihre Geschichten auf der großen Leinwand erzählen zu lassen, die vielleicht noch keinen großen Namen haben. Das sind keine gänzlich neuen Beobachtungen. Aber die Pandemie hat die Probleme noch verstärkt, hat quasi wie ein Brennglas gewirkt. Klar ist, dass wir eine andere Definition benötigen, die dem Ansatz gerecht wird, dass es nicht nur um wirtschaftlichen, sondern auch um künstlerischen Erfolg geht und um eine differenzierte finanzielle Unterstützung von Sichtbarkeit und Auswertung auf unterschiedlichen Ebenen.

Inwieweit trägt die Erweiterung der Festivalliste im Zuge der FFG-Reform diesem Ansatz Rechnung? 

Alexandra Krampe: Ich würde es so formulieren: Im Sinn des Talentfilms ist die Liste, so wie sie jetzt zusammengestellt ist, das, was zum jetzigen Zeitpunkt möglich war. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Liste länger wäre oder wenn schon die Teilnahme an Max Ophüls beispielsweise zählen würde, nicht nur einer der beiden Hauptpreise. Ich denke, wir müssen an dieser Stelle auch ein wenig Geduld haben. Die neue Liste muss erst einmal in den Praxistest gehen, danach kann man sehen, ob sie als Instrument auch für die Talente funktioniert und was vielleicht ergänzend noch möglich ist. Aktuell lässt sich noch nicht genau abschätzen, welche ganz konkreten Auswirkungen die Neugestaltung der Liste und die Erweiterung u.a. um das Filmfestival Max Ophüls Preis oder das Filmfest München auf den Wert des Festivalpunktes hat.

Alfred Holighaus: Es ist jedenfalls schon einmal ein Fortschritt. Die alte Festivalliste war über unzählige Jahre geradezu in Stein gemeißelt. Ich erinnere mich unter anderem an meine Zeit bei der Berlinale, als ich mit dem Einwand, das damalige Kinderfilmfest dürfe doch nicht fehlen, förmlich gegen Wände gelaufen bin. Insofern ist etwas erreicht. Aber wichtig ist, die Dynamik beizubehalten, jetzt weiter daran zu feilen.

Svenja Böttger: Aus Sicht der AG Filmfestival ist klar: Wir wünschen uns einen stärkeren Fokus auf nationale gegenüber internationalen Festivals, wir wünschen uns, dass auch die Publikumszahlen von Festivals angerechnet werden können; dass man auch im Kontext des gesamten Bildungskanons nicht nur die Besuche innerhalb der SchulKinoWochen wertet, sondern die unterschiedlichen Bildungsangebote ebenfalls zählen dürfen. Der Wunsch ist, zu zeigen, dass gerade auch die nationalen Filmfestivals – und auch die kommunalen Kinos – einen sehr großen Mehrwert zur Sichtbarkeit von deutschen Filmen beisteuern. Das drückt die Liste unserer Ansicht nach noch nicht ausreichend aus. Nicht umsonst haben wir seitens der AG schon angekündigt, dass wir unseren neuen Sitz im FFA-Verwaltungsrat in den kommenden Jahren gerne dafür nutzen werden, auch genau diese Themen anzusprechen.

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Erneut arbeitete man mit Svenja Rüger und ihrem Team zusammen (Credit: Katrin Streicher)

Es geht in diesem Kontext aber nicht nur um Forderungen?

Svenja Böttger: Richtig. Wir fordern nicht nur, sondern sind auch bereit, unseren Beitrag zu leisten. Das Geld ist nun einmal endlich – und es geht nicht darum, Punkte zu verwässern. Es geht darum, darüber sprechen zu können, wie man Erfolg definiert. Denn das ist die entscheidende Grundlage für die Zukunftsvorstellung, die wir uns von Kino, TV und Plattformen machen.

Nun fand das zweite Forum Talentfilm in einer politischen Übergangszeit statt, in der es noch viele offene Fragen hinsichtlich der von der Vorgängerregierung angestoßenen Initiativen und vor allem des Haushalts gibt. Welche Impulse hofft man, dem Prozess noch geben zu können?

Alexandra Krampe: Es ist uns auf alle Fälle gelungen, noch einmal nachdrücklich zu unterstreichen, dass die Themen Auswertung und Verleihförderung unverzichtbar sind. Ursprünglich war seitens der BKM geplant, dass es eine eigene Verleihförderung für die durch das Kuratorium unterstützten Talentfilme geben soll, das fiel dann aber im Fortschreiten der Reform wieder unter den Tisch. Wir sind nicht realitätsfremd, wir wissen, wie schwierig es im Moment ist, solche Maßnahmen zu finanzieren. Aber das Thema zumindest mittelfristig wieder ernsthaft auf die Agenda zu bringen, wäre uns ein sehr großes Anliegen. Talentförderung hört nicht bei Entwicklung und Produktion auf – diese Botschaft wollen wir mit Nachdruck vermitteln; als Produzent:innen gerne im Schulterschluss mit Verleihern, Weltvertrieben und Filmfestivals. Talentfilme wollen und sollen auch gesehen werden – und in diesem Bereich findet man nun einmal keine Selbstläufer wie den nächsten „Bond“.

Mariana Schneider: Ein ganz zentraler Aspekt, der auch im Rahmen des zweiten Forums im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, ist jener der gesellschaftlichen Verantwortung, die die Talente mit ihren Werken wahrnehmen wollen. Damit deren Botschaften Teil eines öffentlichen Diskurses werden können, müssen sie natürlich auch gesehen werden, müssen sie die Chance erhalten, ein Publikum zu finden und sichtbar zu bleiben.

„Die Verunsicherung ist aktuell erheblich“

Die Schwierigkeit der Finanzierung wurde gerade angesprochen. Wie groß ist denn die Sorge angesichts einer ohnehin angespannten Haushaltssituation, die sich vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen erst einmal nicht schlagartig zu verbessern verspricht?

Alexandra Krampe: Natürlich ist die Sorge groß. Wir wissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, was von den ursprünglichen BKM-Plänen die Haushaltsverhandlungen übersteht. Das Kuratorium junger deutscher Film sollte ab 2025 mit 7,2 Mio. Euro für die Produktionsförderung ausgestattet werden, bis 2027 steigend auf 8,5 Mio. Euro. Umso wichtiger war es, genau zum jetzigen Zeitpunkt und auch vor vielen Teilnehmenden aus dem Kreis der Filmförderungen zu unterstreichen, dass die Anstrengungen für den Talentfilm nicht abreißen dürfen, weder beim Bund, noch in den einzelnen Bundesländern. Dass man diesen Bereich in Zeiten klammer Kassen und breit geschwungener Rotstifte besonders schützen muss. Die Verunsicherung ist aktuell jedenfalls erheblich, nicht umsonst war die Veranstaltung auch sehr stark vom Ruf nach wenigstens beständiger Finanzierung geprägt. 

Svenja Böttger: Das erstreckt sich übrigens auch auf die Öffentlich-Rechtlichen, wo wir uns weiterhin eine Verpflichtung wünschen, auch Debüts, auch zweite und dritte Filme zu machen – und wo man natürlich weiterhin die entsprechenden Budgets haben und auch einsetzen können muss. Klar muss zudem sein, dass die bundesweite Förderung, die über das Kuratorium kommt, nicht als Ersatz für bisherige Talentförderung betrachtet wird. Es ist eine Ergänzung – und es darf auch nur eine Ergänzung sein, denn sonst fehlt es uns in Zukunft an einem innovativen Talentbereich, der das Kino, die Serien und das Fernsehen von innen heraus verändern kann.

Veränderung bedingt aber auch, das Publikum zu erreichen.

Svenja Böttger: Unbedingt. Es geht nicht darum, jedes Projekt zum nächsten großen Blockbuster machen zu wollen. Aber es geht schon darum, das zu tun, was wir eher nicht gewöhnt sind: Ein Zielpublikum schon in der Entwicklung mitzudenken. Das heißt aber auch, gegebenenfalls mehrere Stoffe entwickeln zu können, um dann deren Potenzial zu überprüfen und das auszuwählen, was wirklich wert erscheint, in die Produktionsförderung zu gehen.

Alfred Holighaus: Man sprich in diesem Zusammenhang ja gerne davon, auch ein „Scheitern“ zuzulassen. Ich finde den Begriff seit jeher schwierig, ich würde lieber davon sprechen, dass man die Möglichkeit des Erkenntnisgewinns schafft. Ich halte es nach wie vor für ausgesprochen wichtig, eine Bandbreite an Ideen zu entwickeln, aus der sich am Ende etwas herauskristallisiert, das den Fokus wirklich verdient. Aber das erfordert die Bereitschaft der Branche, ad acta gelegte Ideen nicht als Manko zu sehen, sondern als Weg zum Bestmöglichen. Diese Bereitschaft sehe ich in Deutschland noch nicht so recht, das ist in anderen Ländern ganz anders. Da muss die Branche hierzulande vielleicht noch ein wenig in sich gehen, sich fragen, was sie eigentlich möchte und was sie auszuhalten bereit ist.

Svenja Böttger: Das sehe ich auch als eine der ganz großen Erkenntnisse der zurückliegenden zwei Tage: Dass man wirklich überlegen sollte, was man eigentlich möchte. Wollen wir relevante Themen, wollen wir Werte vermitteln, wollen wir auch das als Erfolg begreifen – und wollen wir Menschen mitnehmen können? Wenn das Ziele sind, die wir verfolgen, dann ist damit der klare Arbeitsauftrag formuliert, dann muss es im nächsten Reformschritt auch darum gehen, die Auswertung in den Fokus zu nehmen und das in allen Stufen der Projektentwicklung und -durchführung. 

Alfred Holighaus: Auch das ist für mich an diesen zwei Tagen noch einmal deutlich in den Vordergrund getreten: Die Kreativen machen diese Filme ja nicht für sich, da geht es nicht um bloße Selbstverwirklichung. Sie wollen mit ihren Werken zum Publikum und sie wollen am entsprechenden Diskurs auch beteiligt werden.

Wie geht es denn jetzt mit der Aufarbeitung weiter? Gerade das erste Forum konnte auf die erwähnte Studie aufsetzen, wäre eine neuerliche analytische Betrachtung etwas, das man anstrebt?

Alexandra Krampe: Das ist eine schöne Frage in Zeiten knapper Kassen. Unsere drei Institutionen haben leider nicht die Mittel, das aus eigener Hand aufzusetzen – aber natürlich reden wir schon lange darüber, dass es eigentlich einer Nachwuchsstudie 2.0 bedarf. Die dann auch weiter blickt als die erste Studie und neben dem Start in die Branche über den ersten Langfilm auch die Weiterentwicklung analysiert. Wir brauchen noch einmal aktuelle Zahlen. Man sollte jedoch der neuen Talentförderung auch erst einmal den Moment geben, zu starten und erste Wirkung zu zeigen. Das gilt übrigens auch für die dringend notwendige Grundlagenstudie zu den Festivals, die seitens der BKM schon versprochen war. Aber in der momentanen Krisenzeit gilt es vielleicht erst einmal, das Jahr zu überstehen, um sich solchen Projekten dann zuzuwenden, wenn wieder ein wenig mehr Ruhe in der Branche eingekehrt ist. Zahlen aus den letzten Jahren und dem Jahr 2025 wären bei den derzeitigen Umbrüchen und Verzögerungen nicht lange repräsentativ. 

Svenja Böttger: Zunächst einmal gilt es, abzuwarten, wie der Kulturbereich künftig politisch besetzt ist und was die Haushaltsverhandlungen ergeben. Aber das Schöne ist, dass wir auf jeden Fall sehr viel in Petto haben, um die nächsten notwendigen Schritte argumentativ untermauern zu können. Wir sind jedenfalls für die nächsten Schritte gerüstet und freuen uns darauf gemeinsam im Forum für den Talentfilm, seinen Macher*innen ein Sprachrohr zu geben und innovative Stimmen sichtbar zu machen.