SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Showrunner Peter Craig zu „Dope Thief”: „Als würden 200 Menschen gleichzeitig denselben Roman schreiben“


Mit „Dope Thief“ startet bei Apple TV+ eine neue Leuchtturmserie, deren Pilotfolge von niemand geringerem als Ridley Scott inszeniert wurde. Als Showrunner fungierte der versierte Drehbuchautor Peter Craig („The Town“, „Gladiator II“), der im Gespräch mit SPOT aus dem Nähkästchen plauderte. 

imago scaled e x
Peter Craig, Showrunner von „Dope Thief“, mit Wagner Moura und Brian Tyree Henry (Credit: Imago / Cover-Images)

Könnte man sich „Dope Thief“ auch als Spielfilm vorstellen?

Peter Craig: Vielleicht… vielleicht… Naja, es gäbe schon Wege, wie man es hätte machen können. Aber der Clou ist eben genau, dass es nicht so ist. Ich bin froh drum. Es ist eine dieser Geschichten, die ihre Kraft daraus bezieht, dass die Figuren ausreichend Zeit erhalten, leben und atmen zu können, damit wir sie und ihre Motivationen besser verstehen und auch ein besseres Gespür für Philadelphia bekommen können. Wenn man diesen Raum erhält, kann man vier oder fünf weitere Figuren etwas besser entwickeln, eine größere Leinwand ausrollen, die für eine tiefere Erfahrung sorgt, als wenn es ein Spielfilm gewesen wäre. Der Serienansatz war der richtige Ansatz für den Stoff, auch wenn ich mir einen knackigen Krimi vorstellen könnte in der Tradition eines Sam Peckinpah.

Peckinpah kommt aber auch in der Serie durch, die von der filmischen Umsetzung sehr in der Tradition eines amerikanischen Thrillers der Siebzigerjahre steht – wenngleich klar im Hier und Jetzt angesiedelt ist.

Peter Craig: Ich bin besessen von dieser Filmära. Gerade haben wir in den USA die Oscarsaison hinter uns gebracht, wo sich jeder in alle möglichen neuen Filme vertieft, von denen viele bestimmt auch wirklich toll sind. Aber wenn Freunde mich fragen, zucke ich immer mit den Schultern, weil ich mir lieber einen Film dieser Zeit ansehe. Diese Zeit ist tief in meiner kreativen DNS verankert. 

„Dope Thief“ ist Ihre erste Serie. War die Arbeit für Sie als Autor anders?

Peter Craig: Schon. Aber ich habe sofort Gefallen daran gefunden. Zu Beginn meiner Karriere habe ich selbst Krimis geschrieben, die ich rückblickend als meist überlang empfinde. Diese spielerische Freiheit meiner frühen Arbeiten habe ich immer vermisst. Man findet eine eigene Struktur für sich, die funktioniert, kann Figuren auf viel freiere Weise charakterisieren. Ich liebe die Arbeit als Drehbuchautor. Aber man muss viel disziplinierter sein, viel stärker auf das Regelwerk achten. Alles ist klar strukturiert, eine fast klaustrophobische Erfahrung. Man muss ein Talent dafür entwickeln, wie man auf dem engsten möglichen Raum ein Maximum an Information unterbringt. Als ich mit „Dope Thief“ begann, habe ich diese alte Freiheit wiederentdeckt. Es war, als würde ich mit den Figuren wirklich leben. Wenn Sie mich fragen, dann stellt man am besten eine Verbindung zu Figuren her, wenn man ihnen bei ihrem Alltag zusieht. 

Solange auch sonst noch etwas passiert.

Peter Craig: Keine Frage. Verfolgungsjagden sind wichtig, Schießereien sind wichtig, wenn man einen Thriller macht. Aber in meinen Augen ist es genauso wichtig, einer Figur wie Ray, die von Brian Tyree Henry gespielt wird, zusieht, wie er sich nachts ins Bett legt oder im Fernsehen alte Filme ansieht. Es hat mir große Freude bereitet, all das im Paket schreiben zu können. Mich hat’s richtig gepackt. Am liebsten würde ich nichts mehr Anderes machen, speziell diese besondere Art des langformatigen Fernsehens, bei dem man eine Geschichte in acht Stunden erzählt, wie bei einem sehr langen Kinofilm. 

„Mich hat’s richtig gepackt. Am liebsten würde ich nichts mehr Anderes machen.“

Es heißt gerne einmal, dass Fernsehserien die filmische Entsprechung eines Roman sind. Stimmen Sie dem zu?

Peter Craig: Mittlerweile ist es so. Das war nicht immer so. Wir alle wissen, dass dieses goldene Zeitalter der Fernsehserie angefangen hat mit den bahnbrechenden HBO-Serien, mit „Die Sopranos“ und „The Wire“. Diese Serien sind wie Romane, das waren die Leuchttürme, an denen man sich immer noch messen muss. Mittlerweile ist alles etwas unübersichtlich geworden, aber es gibt doch immer noch einige Projekte, die in der Tradition der Klassiker stehen, mit denen alles begonnen hat. Bei HBO finden sich solche Stoffe, ebenso bei Apple, auch bei den anderen Streamern. Ich bin begeistert davon. Es ist eine wirklich neue Form, man kann immer noch Neuland beackern. Es gibt ein großes Bedürfnis: Wenn das Publikum eine Figur in sein Herz schließt, dann will es mittlerweile mehr als nur zwei Stunden mit ihr verbringen. Filme haben immer den gleichen Ablauf, den gleichen Erzählrhythmus, alles sehr vorhersehbar, formelhaft, ein bisschen wie Popmusik. Man weiß: Jetzt kommt der Refrain, jetzt die Brücke… Im Fernsehen ist man freier, man kann Strukturen durchbrechen, Konventionen auf den Kopf stellen. Der Umgang ist spielerischer, jede Episode kann ein bisschen anders sein. Sehen Sie sich Episode 4 von „Dope Thief“ an: Diese Folge hat drei Höhepunkte. Im Kino wäre das undenkbar.   

imago scaled e x
Peter Craig, Showrunner von „Dope Thief“ (Credit: Imago / MediaPunch)

Bei „Dope Thief“ sind Sie aber mehr als Autor, Sie sind auch der Showrunner, erstmals in Ihrer Karriere.

Peter Craig: Es ist sehr interessant. Ein Showrunner hat so viele unterschiedliche Aufgaben, dass man es einem unmöglich beschreiben kann. Man erfährt es, wenn man es macht. Ständig gibt es ein anderes Feuer, das man löschen muss. Mir gefällt daran, dass man als Showrunner zwar vielleicht den Ton angibt, aber vor allem mitbekommt, wie sehr die Arbeit einer Serie ein Gemeinschaftsprodukt ist. Man hat es nicht nur mit ein oder zwei kreativen Leuten zu tun, man ist von hunderten von kreativen Menschen umgeben, die ihren Anteil daran haben, dass die Serie erfolgreich umgesetzt werden kann. Man hat tausende von Gesprächen, um zu gewährleisten, dass wir alle dieselbe Serie machen. Wenn alles gut läuft, und in unserem Fall traf das zu, dann fühlt es sich an, als würden 200 Menschen gleichzeitig denselben Roman schreiben. 

„Ridley liebt das alles. Deshalb macht er immer weiter. Und liefert immer noch erstaunliche Arbeit ab.“

Wie war die Arbeit mit Ridley Scott, der die Pilotfolge inszeniert hat? 

Peter Craig: Seine Energie ist unfassbar, seine Vision einmalig. Er hat den Look der Show etabliert, ihr generelles Tempo. Wir kommen sehr gut miteinander aus und haben ziemlich früh schon alles Grundlegende gemeinsam erarbeitet. Ihm bei der Arbeit zusehen zu können, wie ihn nichts aus der Ruhe bringt und er sich von dem Chaos eines Sets motivieren und inspirieren lässt, war eine großartige Lernerfahrung für mich. Nicht nur seine Professionalität, nicht nur seine Erfahrung, sondern wieviel Freude er am Prozess hat. Wenn man sich nicht aufreiben will, dann muss man diese Freude mitnehmen, dann muss man Kraft aus dem Spaß ziehen, den es bereitet, etwas erschaffen zu können, dass einem selbst so viel bedeutet. Ridley liebt das alles. Deshalb macht er immer weiter. Und liefert immer noch erstaunliche Arbeit ab.

Die Produktion war nicht einfach. Aufgrund der Streiks in Hollywood mussten Sie den Dreh unterbrechen. Hat das die Serie verändert?

Peter Craig: Die Show selbst hat es nicht verändert. Es veränderte die Umstände, unter denen wir die Show gemacht haben. Ein Beispiel: Wir waren sehr präzise in der Beschreibung, dass die Geschichte am Ende des Winters spielt und der Frühling sich langsam zu zeigen beginnt. Wenn man auf einmal gezwungen ist, den Winter mitten im Mai zu drehen, weil es vorher nicht möglich war, dann muss man kreativ werden. Man kann es sich nicht erlauben, einer winterlichen Szene eine Szene mit Bäumen voller Blätter folgen zu lassen. Das hat uns logistisch gefordert. Aber wir haben es hinbekommen, weil das Team absolut herausragend war. Es war außerdem nicht ganz einfach, die wichtigsten Kreativköpfe an Bord zu behalten. Viele sind sehr gefragt und hatten Folgejobs. Es ist uns gelungen, etwa 90 Prozent der Crew und der Besetzung zu halten. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.