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Robert Eggers zu „Nosferatu“: „Diese Jagd finde ich aufregend“

In nur fünf Tagen mit mehr als 40 Millionen eingespielten Dollar am US-Boxoffice ist Arthouse-Darling Robert Eggers durch seine am Donnerstag startende „Nosferatu“-Neuinterpretation zum Blockbuster-Regisseur aufgestiegen. Im SPOT-Interview spricht er darüber, wie er diesen Ur-Vampir-Stoff zu seinem zugänglichsten Werk machte.

Robert Eggers
Der Bilderstürmer-Regisseur Robert Eggers drehte neben „Nosferatu – Der Untote“ bereits „The Witch“, „Der Leuchtturm“ und „The Northman“ (Credit: Christian Tierney/2024 Universal Studios. All Rights Reserved)

Wer Ihre Filme bislang nur oberflächlich wahrnahm, könnte meinen, sie seien visuell beeindruckende Genrefilme mit großen Stars. Aber für Sie sind die Werke auch sehr persönlich. Wie sah dieser Zugang bei der „Nosferatu“-Neuinterpretation (SPOT-Review) aus?

Robert Eggers: Wir könnten über meine persönliche Geschichte sprechen, dass ich „Nosferatu“ sah, als ich jung war. Als Teenager machte ich in der High School daraus ein Theaterstück, das ich in einem lokalen Theater aufführen ließ. Es war und ist eine wichtige Geschichte für meine Identität. Das allein macht die Angelegenheit schon persönlich. Drehbuchautoren bekommen häufig den Tipp, über das zu schreiben, was sie kennen. Und ich schreibe immer schon über Geschichten, die vor Hunderten von Jahren existierten. Bei „The Northman“ waren es sogar Tausende von Jahren. Natürlich habe ich keine persönlichen Erfahrungen mit dieser Zeit. Aber ich behandele das Ganze, als wären es meine Erinnerungen, die mir passiert sind. Teils unbewusst, teils bewusst sind die Charaktere des Films Ausdruck der Facetten meiner Persönlichkeit. Man muss die Figuren fühlen, um sich in ihrer Welt zu befinden. So verrückt das Liebesdreieck in „Nosferatu“ auch ist, befinden sich kleine Elemente aus meinem Leben darin, zum Beispiel ein Streit, den ich mit meiner Frau mal beim Dinner hatte oder Auseinandersetzungen mit Freunden auf Partys. Ich nutze sie, um die Geschichte mit einem gewissen Realismus anzureichern, was meiner Meinung nach auch dem Publikum hilft, besser die Figuren emotional zu verstehen.

Können Sie auch etwas mit dem Thema der Obsession anfangen, die sich so stark zwischen Graf Orlok und Hutters Ehefrau Ellen wiederfindet?     

Robert Eggers: ‚Erwischt‘ würde Willem Dafoe jetzt sagen, wenn er hier wäre. Aber ja, ich bin besessen von meiner Arbeit und versuche meine Vorstellung auf die Leinwand zu bringen. Manchmal gelingt das erfolgreicher als andere Male. Was mich antreibt, ist die Unmöglichkeit, historische Genauigkeit zu erreichen. Das ist nicht machbar, weil es keine Zeitmaschinen gibt. Und selbst wenn es sie gäbe, wäre meine Darstellung immer noch eine Interpretation der Wirklichkeit. Aber umso mehr ich die materielle Welt und das Innenleben der Figuren artikulieren kann, umso mehr kann sich ein Publikum emotional in eine Vampir-Figur investieren. Es hilft auch allen meinen Gewerken am Set, weil jeder weiß, wonach wir auf der Suche sind. Manchmal ist das einfach. Man schaut sich ein paar Gemälde an und weiß, wie das Wohnzimmer aussehen soll. Dann recherchiert man weiter. Manchmal ist die Jagd nach der genauen Info, wie die traditionelle Kleidung der transsilvanischen Bevölkerung im Jahr 1838 aussah, herausfordernd. Aber diese Jagd finde ich dann wiederum auch aufregend.

Robert Eggers am Nosferatu-Set
V.l.: Hauptdarsteller Nicholas Hoult, Regisseur Robert Eggers und Kameramann Jarin Blaschke am Set (Credit: 2024 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED)

In diesem Fall haben Sie auch den 1922er-„Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau als Quelle, aus dem Bildmotive wie die Kreuze am Meer der deutschen Küstenstadt inspiriert scheinen. Gleichzeitig erinnert Ihre Hauptdarstellerin Lily-Rose Depp in manchen Einstellungen an Isabelle Adjani in Werner Herzogs 1970er-Jahre-Remake.  

Robert Eggers: Mein Kameramann Jarin Blaschke und ich haben keine Kamerafahrten direkt von Murnaus Film repliziert, auch wenn es offensichtlicherweise bei uns viele Bilder gibt, die an das Original erinnern. Bei Murnaus Strandszene sitzt der Protagonist zum Beispiel hauptsächlich auf einer Bank. Der Murnau-Film war der Prüfstein für mein Drehbuch, das ich dann aber in vielen Aspekten in eine ziemlich andere Richtung bewegte. Zwei der größten Änderungen waren, dass ich Ellen zur Hauptfigur und Orlok mehr zu einem Vampir aus alten Sagen machte. Es gibt noch weitere Änderungen, aber auch Ähnlichkeiten. Den Herzog-„Nosferatu“ sah ich viel in meiner Teenager-Zeit. Und es mag Entscheidungen beim Dreh gegeben haben, die dadurch inspiriert wurden. Aber ich habe den Film nicht mehr in den zehn Jahren wiedergesehen, in denen ich versuchte, meinen „Nosferatu“ zu machen. Ich habe auch nicht bewusst versucht, Zitate an Herzog einzubauen. Lily-Rose Depp hat ein wunderschönes, verängstigtes, blasses Gesicht und dunkle Haare, die nicht ganz historisch akkurat sind.

Es ist eine echte Tour-de-Force-Performance, die sie im Film gibt.  

Robert Eggers: Sie ist unglaublich. Ihr Vorsprechen damals war so mutig und roh. Und sie hat immer weiter daran gearbeitet. Sie gibt einen überzeugenden Akzent, an dem sie viele Monate vor dem Dreh arbeitete, damit er dann als Voraussetzung für die Rolle perfekt ist. Sie macht so verrückte Dinge mit ihrem Körper im Film, dass sie dann keine Zeit mehr gehabt hätte, darüber nachzudenken.

Einer der größten und offensichtlichsten Unterschiede zum Stummfilm ist der Sound in Ihrem Film. Es ist ein überwältigendes Sound-Design. Graf Orlok manifestiert sich bei Ihnen auch zuerst über Bill Skarsgårds markerschütternde Stimme. War für Sie die Sound-Ebene mindestens genauso wichtig wie die Bilder?

Robert Eggers: Ja, wir haben viel Zeit auf das Sound-Design und die Musik investiert. Häufig höre ich, dass in meiner Inszenierung viel Modernität stecke. Tatsächlich sind die Kamerabewegungen oder der Umstand, dass wir auf 35mm drehen, eher ähnlich zu der Drehweise von älteren Filmen aus den 1960er-Jahren oder noch früher. Aber der Sound und das Vermixen mit dem Score gibt „Nosferatu“ eine viszerale Extra-Qualität.

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Lily Rose-Depp in „Nosferatu – Der Untote“ (Credit: Aidan Monaghan / © 2023 FOCUS FEATURES LLC)

Sie danken in den Credits Henrik Galeen, dem Drehbuchschreiber des Original-„Nosferatu“. Eine mysteriöse Figur der deutschen Filmgeschichte, um den sich viele Mythen ranken und bei dem eigentlich nur gesichert ist, dass er Murnau das Drehbuch zu diesem Klassiker lieferte. Wie ist Ihre Verbindung?    

Robert Eggers: Eine der ersten Dinge, die ich machte, als ich dieses Projekt anging, war, Lotte Eisners Buch „Die dämonische Leinwand“ zu nehmen, in dem sich das Original-Drehbuch zu Murnaus Adaption befindet. Im Drehbuch ist zum Beispiel die Verzweiflung nach Geld der Hutter-Familie um Ellen und Thomas viel deutlicher als im Film zu finden. Orloks Schiff, das im deutschen Hafen so erinnerungswürdig wie ein Geisterschiff einläuft, ist in meinem Film so umgesetzt, wie es bei Henrik Galeen beschrieben steht: als wildes pestbefallenes Schiffswrack. Damals fehlten ihnen die Mittel, das so umzusetzen.

Ihr „Nosferatu“ spielt wie das Original zu großen Teilen in Deutschland, wurde aber in Prag gedreht. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt der Produktion die Möglichkeit, dass diese Produktion auch in Deutschland hätte umgesetzt werden können?

Robert Eggers: Anfangs wussten wir das noch nicht. Also scouteten wir deutsche Städte wie Lübeck, Bremen, Wismar und Stade, aber auch die polnische Stadt Danzig. Wir schauten uns vor allem Städte an, die entweder von Murnau tatsächlich verwendet wurden, um seine Fiction zu erzählen oder die vom Stil her sehr ähnlich waren. Wegen des Zweiten Weltkrieges war aber in Deutschland nicht mehr genug intakt, damit es funktioniert hätte. Deswegen mussten wir ein Set bauen, das auf unseren Recherchen aufbaute. In Lübeck und Stade machten wir dafür digitale Licht-Scans von den Gebäuden. Der Kanal vor dem Hutter-Haus ist zum Beispiel eine genaue Replik zu einem Kanal, den es in Stade gibt. Die Scans nutzten wir für unsere Set-Architektur wie auch CGI-Ergänzungen und -Verlängerungen der Gebäude. Wir bauten aber nicht nur unser eigenes Deutschland, sondern auch unser Transsilvanien nach. Auch dafür scouteten wir viel. Zwischenzeitlich dachte ich, dass es uns günstiger kommt, wenn wir diese Szenen tatsächlich in Transsilvanien drehen. Letztlich drehten wir einige Landschaften vor Ort und Hutter auf seinem Weg zum Schloss des Grafen. Aber das transsilvanische Dorf wurde auch in Tschechien gebaut.

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„Nosferatu“ zählt zu den aktuellen Filmprojekten, die das tschechische Anreizsystem nutzten (Credit: Aidan Monaghan / © 2024 Focus Features LLC)

„Nosferatu“ wäre eigentlich auch ein sehr passender Eröffnungsfilm für die Berlinale 2025 gewesen: Er hat ein deutsches Thema, die Filmgeschichte, die Stars, Sie als Regisseur und ist zudem noch großartig. Musste der Film aber noch 2024 in den US-Kinos starten?

Robert Eggers: Der Plan für die USA war, ihn an Weihnachten zu starten. Wir fanden, es war ein interessantes Counter-Programming zu den sonstigen Filmen an einem Tag, der ein wichtiges Datum für Filmstarts in den USA ist. Ich lebe in London, wo es eine große Tradition für Geistergeschichten in dieser Jahreszeit gibt, was mir gefällt. Außerdem war es wundervoll, die Weltpremiere von unserem „Nosferatu“ am 2. Dezember im Berliner Zoo-Palast nur 200 Meter von dem Ort entfernt zu feiern, wo Murnau selbst seinen Film im Jahr 1922 uraufführte, was ziemlich cool ist.

Der Original-Film ist deutlich kürzer als ihr mehr als zweistündiges Werk. Ihr „Nosferatu“ ist mit einem Zeh im Arthouse, aber er ist auch sehr unterhaltsam und emotional involvierend geworden. 

Robert Eggers: Einer der Vorteile, wenn man eine Geschichte erzählt, die vorher schon häufiger erzählt wurde, ist, dass man sieht, was in den anderen Versionen funktioniert und was nicht funktioniert. Ich denke, umso mehr man in die Beziehungen der Figuren emotional involviert ist, indem man sie soweit wie möglich wie richtige Menschen behandelt, umso stärker kann diese besondere Geschichte wirken. Das funktioniert nicht immer. Aber es war auch meine Absicht, dass „Nosferatu“ mein zugänglichster Film wird. Außerdem ist Chris Columbus der Produzent, der einfach unglaublich ist. Er kennt mich und meinen Stil. Aber er schaute sich auch ganz genau unsere Storyboards an, die wir sehr sorgfältig herstellten. Er fragte nach, das Gesagtes auch im Film gezeigt wird und nicht nur im Dialog zu hören ist. Einen der Meister der Hollywood-Geschichtenerzählens an der Seite zu haben, war für die gesamte Produktion sehr wertvoll.

Und Sie beide lieben Murnau. Chris Columbus zählt „Sunrise“ zu seinen Lieblingsfilmen.

Robert Eggers: Ja, aber wir haben uns auch über die gemeinsame Liebe zu den Hammer-Horrorfilmen verbunden. Chris kennt man von Filmen wie „Kevin – Allein zu Haus“ und „Mrs. Doubtfire“.  Aber es waren Filme wie „Serpico“ oder „Hundstage“, die ihn dazu brachten, Filmemacher zu werden.

Wissen Sie schon, welches Projekt Sie als Nächstes angehen wollen?    

Robert Eggers: Während der Arbeit an „Nosferatu“ habe ich zwei Drehbücher fertiggestellt. Außerdem habe ich noch weitere Ideen, an denen ich arbeite. Ich muss immer viele Töpfe gleichzeitig auf dem Herd haben, weil man nie weiß, welches Projekt den Studios am besten gefällt oder was sie als unappetitliches Mahl ablehnen.

Haben die beiden Drehbücher denn auch wieder eine mythologische Komponente?

Robert Eggers: Ich weiß, ich bin dahingehend ein bisschen ein One Trick Pony. Über eines der Projekte habe ich auch schon viel gesprochen. Aber schauen wir mal, wie es ankommt. Einige der Ideen schauen auf den ersten Blick vielleicht lachhaft aus. Aber wenn man das Drehbuch dazu liest, klingen sie gar nicht so schlecht.

Das Interview führte Michael Müller