Morgen startet das erste große Filmhighlight des Jahres bei Netflix: „Back in Action“ mit Cameron Diaz und Jamie Foxx in den Hauptrollen. Gestern gab es ein großes Special Screening in Zoopalast in Berlin. Wir haben den Anlass genutzt, um mit Regisseur Seth Gordon über die bisher größte Produktion seines Lebens zu sprechen.

Sie sind ein versierter Regisseur, haben bereits die verschiedensten Genres bedient, von Komödie bis Thriller, haben mit großen Stars gearbeitet, unter anderem mit ihrem „Back in Action“-Star Jamie Foxx bei „Kill the Boss“. Was war neu für Sie bei „Back in Action“?
Seth Gordon: Der größte Unterschied zu meinen bisherigen Arbeiten ist das Ausmaß an Ambition, das ich bei der Gestaltung und Umsetzung der Action gezeigt habe. Wir hatten es uns zum Ziel gesetzt, Sachen zu machen, die groß und anders sind. Die Flugzeugsequenz, die den Film eröffnet, die Motorradverfolgungsjagd entlang der Themse, die Szene an der Tankstelle sind in sich alle sehr unterschiedlich, sie sind aber auch generell in einer Weise umgesetzt und festgehalten, wie man es vorher vielleicht noch nicht gemacht und das Publikum hoffentlich noch nicht gesehen hat. Anders war auch, dass ich das Drehbuch hier selbst geschrieben habe. Ich habe mich früher schon stark eingebracht, aber das waren dann eher Bearbeitungen. Diesmal stammt der Stoff von mir, und das ist echt anders. Als Filmemacher spürt man dann eine andere Verbindung zu dem Stoff. Das macht es auch ein bisschen schwieriger, aber insgesamt ist es eine Hilfe, ein echter Boost. Wie bei jedem Film sieht man sich mit unerwarteten Problemen konfrontiert. Wenn man das Projekt dann als sein Baby betrachtet, hat man einen zusätzlichen Ansporn, dranzubleiben und sie zu lösen.
War das von Anfang an Ihre Ambition?
Seth Gordon: Ich wollte einen Film machen, der meinem Sohn gefallen würde. Er ist 14 und war Vorbild für eine der Figuren in „Back in Action“. Ich wollte Action machen, die größer war als alles, was ich bisher gemacht habe. Und ich war bereit, meine Erfahrungen als Komödienregisseur hintanzustellen, wenn es dazu beitragen würde, die genannten Ambitionen umzusetzen. Man weiß nie, was einen erwartet. Aber es war eine großartige Erfahrung. Wir haben während Covid gedreht, was bei einem Film dieser Größe ganz eigene Herausforderungen mit sich brachte. Denen konnten wir uns aber sehenden Auges stellen. Die Streiks und andere gesundheitliche Probleme waren dann unvorhersehbar und haben es nicht gerade einfacher gemacht, den Film fertigzustellen. Ich bin glücklich, dass wir es durchgezogen haben. Und ich werde Netflix ewig dankbar sein, dass sie unerschütterlich waren, immer hinter dem Projekt und an meiner Seite standen. Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass sich eine andere Firma auf dieses Projekt eingelassen hätte. Sie dürfen nicht vergessen: Es ist ein großer, sehr großer Originalstoff, keine Marke, keine IP.
Haben Sie die Action bereits im Drehbuch genau ausgearbeitet?
Seth Gordon: Dazu gab es klare Vorgaben. Man wollte wissen, was dann wirklich auf die Produktion zukommt. Es ist ein teurer Film, da durfte es keine Ungenauigkeiten geben. Ahhand des Drehbuch wurde das Budget erstellt. Oder besser: Es wurde mit den Budgetmöglichkeiten abgeglichen, um zu sehen, was wir uns leisten konnten und was nicht, wo man noch einmal an den Stellschrauben drehen musste. Es war ein fließender, kontinuierlicher Prozess. Während ich geschrieben habe, wurden bereits erste Storyboards erstellt, um das Geschriebene auf Machbarkeit abzuklopfen, beziehungsweise wie man es machen konnte. Gleichzeitig haben wir einen Prozess in Bewegung gesetzt, den wir Stunt Viz nennen. Da werden die Sequenzen regelrecht molekular aufgelöst, damit man weiß, wie sich eine Szene entfaltet und was mit First, Second oder Third Unit gedreht wird und wie man das in den Drehplan integriert. Es war irre kompliziert.
Zu welchem Zeitpunkt kamen die Stars an Bord?
Seth Gordon: Ich habe die erste Fassung des Drehbuchs ohne Auftrag geschrieben, auf eigene Faust. Mein Freund Beau Bauman ist Produzent und hat einen Deal mit Netflix, hat dort „Unfrosted“ und „The Umbrella Academy“ produziert. Er hat ihnen das Projekt gezeigt, und sie haben es gekauft, bevor es sonst jemand sehen konnte. Mit Jamie hatte ich bei „Kill the Boss“ zusammengearbeitet, ihn hatte ich gleich im Kopf. Er las es und sagte zu. Das gab uns Auftrieb. Er ist gut mit Cameron Diaz befreundet, hat mit ihr zusammen „An jedem verdammten Sonntag“ und „Annie“ gedreht. Er fand es eine gute Idee, bei ihr anzufragen. Wir waren nicht so sicher, wie erfolgversprechend das sein würde – jeder wusste, dass sie sich wegen ihrer Familie aus der Schauspielerei zurückgezogen hatte. Aber probieren kostet nichts, wie man weiß. Ihr gefiel das Skript, und sie fand, dass es eine gute Gelegenheit wäre, es wieder vor der Kamera zu probieren. Danach habe ich das Drehbuch noch einmal angepasst, einerseits um es den beiden auf den Leib zu schreiben, andererseits um es an das Budget und die Drehorte anzupassen. Was man halt immer macht, um einen Film zur Drehreife zu bringen, ihn wirklich möglich zu machen.
„Wenn man den Film nicht spürt, hat man einfach nur eine Abfolge von Szenen. Es muss etwas da sein, was einen anspricht, mitnimmt, mitreißt, ein emotionaler Kern.“
Seth Gordon
Bisher haben wir über das Spektakel gesprochen. Aber was den Film funktionieren lässt, ist die Geschichte über die Dynamik in der Familie im Zentrum. Wie findet man die richtige Balance?
Seth Gordon: Es ist wie bei jedem Film: Wenn man ihn nicht spürt, hat man einfach nur eine Abfolge von Szenen. Es muss etwas da sein, was einen anspricht, mitnimmt, mitreißt, ein emotionaler Kern. Das ist die Geschichte, die man erzählt, richtig? Ich wollte ein Paar zeigen, das sich liebt, dessen Selbstverständnis aber auf eine Probe gestellt wird. Es muss einen Zweifel geben, sie müssen hinterfragen, wer sie sind und wie sie ihr Leben führen – das ihren Kindern gegenüber essenziell eine Lüge ist: Sie wissen nicht, dass ihre Eltern Topagenten der CIA waren. Mir gefiel die Idee, das an ihrer 14-jährigen Tochter abzugleichen, die sich wie jeder Teenager abzunabeln beginnt und ihre Eltern mehr und mehr kritisch sieht. Dass ihre Zweifel berechtigter sind, als sie jemals ahnen könnte, weil die Eltern ein Geheimleben führen, ist eine starke Prämisse. Die Action ist ein unterhaltsamer Rahmen für Themen, die jeder perfekt mit sich abgleichen kann.
Sie haben eingangs erzählt, dass Sie selbst einen 14-jährigen Sohn haben…
Seth Gordon: Es klingt ein bisschen albern, wenn man das bei einer so großen Actionkomödie sagt, aber es ist auch ein sehr persönlicher Film. Vieles habe ich aus meiner persönlichen Geschichte abgeschaut. Meine Erlebnisse als Vater spielen da mit hinein, aber auch andere Dinge. Ich habe als noch recht kleiner Junge miterlebt, wie meine zehn Jahre ältere Schwester sich mit meinen Eltern aus vielerlei Gründen förmlich in einer Art Kriegszustand befand. Das war meine Realität, Zeuge von Teenager-Kriegsführung zu sein. Aber da war noch mehr: Ich habe meine Eltern immer in einem bestimmten Licht gesehen. Als ich dann älter war und verstanden habe, dass auch meine Eltern davor Eltern gehabt hatten, mit denen sie die gleichen Probleme ausfechten mussten, war das eine sehr profunde Erkenntnis für mich, die ich ebenfalls in „Back in Action“ anklingen lasse. Ich denke nicht, dass das in Filmen oft angesprochen wird. Es war weniger so, dass ich das Drehbuch genutzt habe, eigene Erfahrungen zu verarbeiten. Ich wollte vielmehr eine Erdung schaffen, der ansonsten verrückten Handlung eine Wahrhaftigkeit verleihen, eine Nachvollziehbarkeit.
Mit McKenna Roberts haben Sie eine jugendliche Schauspielerin, die immer auf Augenhöhe mit den Erwachsenen ist.
Seth Gordon: Sie war ungeheuer wichtig. Ohne sie würde der Film zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Sie verleiht die Erdung, die ich gerade angesprochen habe. Sie verleiht ihrer Figur eine Tiefe, die sie mehr sein lässt als einen beliebigen Teenager. Aber wir müssen dann auch über die Großmutter sprechen. Glenn Close war ein Glücksgriff. Dass sie in ihrem Terminkalender ein bisschen Zeit für uns freiräumen konnte, empfand ich als Geschenk. Keine Frage, wir haben einen Film gemacht, der einen auf einen Ritt mitnehmen soll, leichte Unterhaltung, eine zweistündige Flucht aus der Realität. Der Film soll Spaß machen. Punkt. Aber warum kann es nicht auch ein bisschen mehr sein? Es soll sich auch echt anfühlen, man soll spüren, dass in diesem Film ein echtes Herz schlägt. Wenn man am Schluss überrascht feststellt, dass man ein bisschen gerührt ist, dann habe ich meine Arbeit richtig gemacht.
Was sagt „Back in Action“ über Sie als Filmemacher aus?
Seth Gordon: Das kann ich nicht beantworten. Dafür ist die Erfahrung noch zu nah. „Back in Action“ hat mich mehrere Jahre beschäftigt und auf Trab gehalten. Es war nicht einfach, ihn zu machen. Auf dem Weg gab es viele Hindernisse, die ich beiseiteschaffen musste. Was ich sagen kann, ist das: Wenn ich mir den Film ansehe, dann gefällt er mir. Ich mag ihn. Für mich fühlt er sich echt an. Meine Hoffnung ist es, dass es dem Publikum ebenso geht. Deshalb habe ich ihn gemacht.
Gab es Momente, an denen Sie hinwerfen wollten, wo Sie den Eindruck hatten: Das packen wir nicht?
Seth Gordon: So schlimm war es nie. Es gab keinen Moment, an dem ich das Gefühl hatte, dass wir aus der Bahn geworfen würden. Wir hatten einen Plan, wir waren eine eingeschworene Truppe. Damit lassen sich Berge versetzen. Was man nicht kontrollieren kann, sind äußere Einflüsse. Ich hatte die irrationale Sorge, dass es einen Managementwechsel im Studio geben könnte und die neuen Chefs womöglich den Stecker ziehen würden, weil sie nicht so sehr an das Projekt glauben wie ihre Vorgänger. Das ist nicht passiert. Dafür sind wir in die Streiks geschliddert, was uns massiv zurückgeworfen hat. Das war der Punkt, an dem ich kurz einmal ratlos war.
Gab es dann einen Punkt, an dem Sie wussten, dass Sie es schaffen werden?
Seth Gordon: Ich erinnere mich genau! Bevor wir nach den Streiks die fehlenden Drehtage reinholen konnten, organisierten wir ein Screening mit dem Film, wie er zu diesem Zeitpunkt war: 15 Minuten fehlten noch – ich habe dem Publikum von der Bühne aus erzählt, was noch eingefügt werden würde. Und trotzdem war die Reaktion überwältigend. Das wusste ich, in diesem Moment: Alles wird gut.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.