Die erste Staffel von „Andor“ wird gemeinhin als Höhepunkt der Serienbemühungen im „Star Wars“-Universum angesehen. Nun legt Creator und Showrunner Tony Gilroy die zweite Staffel vor, die am 23. April bei Disney+ startet. Wir hatten die Gelegenheit, uns mit der deutschen Produzentin Sanne Wohlenberg über das Serien-Highlight zu unterhalten.
Es soll nicht wenige Menschen geben, denen bedeutet „Star Wars“ alles. Welche Rolle spielt dieses Universum in Ihrem Leben?
Sanne Wohlenberg: Bis ich zu „Andor“ kam keine besonders große, wenn ich ehrlich bin. Natürlich habe ich die originalen Filme damals im Kino gesehen und war beeindruckt, sie waren so anders und besonders, frisch und neu. Ich habe schöne Erinnerungen an die Kinobesuche. Aber sonst war es ein Franchise, das oftmals auch an mir vorbeigegangen ist. Ich bin auch nicht unbedingt eine Franchise-Person, war also nicht vertraut mit all den zahllosen Details des Universums, als ich bei „Andor“ gelandet bin.
Was hat Sie also interessiert?
Sanne Wohlenberg: Ich hatte „Rogue One“ gesehen und war schwer beeindruckt. Was Tony Gilroy zu „Star Wars“ brachte, war unheimlich aufregend und spannend. „Andor“ nimmt eine Ausnahmestellung in dieser filmischen Welt ein, es ist eine Serie für alle, nicht nur für die eingefleischten Fans, man wird auch dann abgeholt, wenn man all die verschiedenen Planeten nicht bereits kennt. Wenn man an der Serie arbeitet, merkt man schnell, was man machen muss, damit alles läuft. Zu Beginn war ich vielleicht noch ein bisschen eingeschüchtert, weil ich kein „Star Wars“-Profi war. Das hat sich aber schnell gelegt, wenn man erst einmal verinnerlicht, dass Tony Gilroy eine Geschichte für Jedermann geschrieben hat. Wenn man ein Fan ist, holt man vielleicht noch ein kleines bisschen mehr raus, findet man die Easter-Eggs, die zum Beispiel auch an mir vorübergehen, zumindest die meisten. Aber man hat nicht so viel Vorsprung, dass die außen vor blieben, die kein Vorwissen mitbringen. Ich finde das sehr aufregend.

Wie Sie sagen, nimmt „Andor“ eine Ausnahmestellung innerhalb des „Star Wars“-Universums ein. Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund dafür?
Sanne Wohlenberg: Als das „Star Wars“-Universum sich auf dem Bildschirm auszubreiten begann aufgrund der Möglichkeiten, die sich durch die Einführung von Streaming im Allgemeinen und Disney+ im Besonderen ergaben, eröffneten sich auch neue Möglichkeiten, Geschichten aus diesem besonderen Universum zu erzählen, neue Ansätze zu finden, wie man diese Welt noch größer macht. Lucasfilm traf die kluge Entscheidung, dafür nicht nur namhafte Autoren an sich zu binden, Filmemacher mit einer starken Handschrift, sondern es ihnen auch zu erlauben, ihre unverkennbare Tonalität einzubringen. Sie konnten ihren eigenen Teil dazu beitragen, dieses Universum noch aufregender und ungewöhnlicher zu gestalten. Tony Gilroy ist einer dieser Künstler mit einer einzigartigen Stimme, der sich eine besondere Zeit innerhalb des großen „Star Wars“-Narrativs ausgesucht hat, der fünfjährige Zeitrahmen bis zum Beginn von „Rogue One“. Dieser enge Rahmen kommt der Erzählung entgegen, die Geschichte des Aufbaus einer Rebellion – und keine Geschichte, die sich mit den Themen auseinandersetzt, mit denen sich andere „Star Wars“-Geschichten befassen. Natürlich ist die Rolle nicht zu unterschätzen, die „Andor“ im größeren Bild spielt, aber es ist doch auch eine Serie, die für sich steht und für sich spricht.
„Es ist eine beachtliche Reise, von der Tony Gilroy erzählt.“
Bemerkenswert ist gerade der Umstand, wie spannend und aufregend „Andor“ ist, obwohl man weiß, wohin die Reise und an welchem Punkt die Geschichte enden wird.
Sanne Wohlenberg: Es ist eine beachtliche Reise, von der Tony Gilroy erzählt. Wenn wir Cassian Andor in „Rogue One“ begegnen, ist er ein mit allen Wassern gewaschener Spion und Krieger. Wenn wir ihm in „Andor“ begegnen, ist er zögerlich, ein fast zynischer Niemand. Hier geht die Reise los. Wir wissen, dass sie fünf Jahre dauern und was an ihrem Ende stehen wird. Und gerade deshalb ist der Weg so spannend. Am Ende ersten Staffel ist er bereits zum Revolutionär gereift. In Staffel zwei sehen wir ihm zu, wie er vom Soldaten zum Anführer heranreift, der sich, wie wir wissen, am Ende von „Rogue One“ opfern wird.
„Andor“ ist nicht die erste Ausnahmeserie, an der Sie beteiligt waren. Sie haben bereits für HBO „Chernobyl“ produziert, waren beteiligt an „Black Mirror“, davor den Wallander-Krimis. Was war bei „Andor“ für Sie anders?
Sanne Wohlenberg: Wenn ich an „Chernobyl“ denke, denke ich an eine sehr spezifische Geschichte, die in der realen Welt passiert und sich um ein reales Ereignis dreht, dem wir gerecht werden wollten. „Andor“ spielt nun buchstäblich in einer Galaxie, die weit, weit entfernt ist – weiter voneinander entfernt könnten die beiden eigentlich kaum sein. Wo sich die Serien dann doch ähneln, dann ist es, dass sie Geschichten von normalen Menschen in außergewöhnlichen Umständen erzählen, die unmögliche Entscheidungen treffen müssen. Das ist stets die Grundlage für aufregendes Fernsehen, ob es nun um von Menschen verschuldete Katstrophen oder politischen Aufruhr geht. Das ist es auch, was „Andor“ einerseits aktuell, andererseits zeitlos macht. Da werden so viele Themen angesprochen, die uns gerade heute wieder beschäftigen – Machtmissbrauch, Tyrannei, Unterdrückung, Rebellion, Revolution. Ich finde das aufregend, weil man weiß, dass man damit einen Nerv trifft und sich aus dieser Ursuppe tolle Geschichten erzählen und buchstäblich neue Universen entstehen lassen.
„Erleichtert hat uns die Sache, dass wir die DNA der Serie bereits kannten, wir wussten, was funktioniert.“
Fiel Ihnen die zweite Staffel leichter als die erste?
Sanne Wohlenberg: Die erste Staffel entstand während Covid, es war also alles andere als ein einfaches Unterfangen. Wir dachten uns jetzt also: Hey. Staffel 2, das wird easy. Wir arbeiten mit denselben Leuten hinter der Kamera und weitestgehend vor der Kamera. Was kann schiefgehen? Dann kamen zwei Streiks und es gab nicht mehr so viel zu lachen. Dazu kam natürlich unsere Ambition. Wir wollten die erste Staffel unbedingt übertreffen, wollten eine Geschichte erzählen, die in jede Richtung größer und aufwändiger ist. Ein Krieg liegt in der Luft, das erhöht den Einsatz beträchtlich. Wenn man etwas machen will, dass diese Größe besitzen soll, dann ist das immer eine Herausforderung. Erleichtert hat uns die Sache, dass wir die DNA der Serie bereits kannten, wir wussten, was funktioniert. Es gab eine gewisse Selbstverständlichkeit und ein großes Vertrauen in Tonys Vision.

Man liest immer wieder Geschichten, dass Lucasfilm eine Firma sei, die es Kreativen nicht immer leicht macht, weil so viel Kontrolle ausgeübt wird. Traf das bei Ihnen zu? Wie frei waren Sie bei der Gestaltung der Serie?
Sanne Wohlenberg: Ich kann keine generelle Aussage zu Lucasfilm treffe. Dazu fehlt mir die Einsicht. Mit Blick auf „Andor“ kann ich sagen, das wir uns keinen besseren Auftraggeber hätten wünschen können. Kathleen Kennedy war eine wunderbare Produktionspartnerin, die bemüht war, uns die Arbeit so leicht wie möglich zu machen und Tony immer dabei zu helfen, seine ambitionierte Vision tatsächlich so umzusetzen, wie er es sich ausgemalt hatte. Kathy und ihr Team sind Unterstützer der Künstler und Autoren, die sie zu Lucasfilm holen. Es gab keine Interferenzen, keine Kontrolle. In Anbetracht der vielen Arbeit hatten wir eine ungewöhnlich gute Zeit. Man spürt, dass man etwas Besonderes erschafft.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.