SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Pia Hierzegger über „Altweibersommer“: „Es war definitiv schwieriger, einen Kinofilm zu schreiben“


Mit „Altweibersommer“ legt die renommierte Autorin und Schauspielerin Pia Hierzegger ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin vor. Weltpremiere feiert der von der Film AG produzierte Film, in dem Hierzegger neben Ursula Strauss und Diana Amft auch mitspielt, am 29. März im Wettbewerb der Diagonale. Im Interview sprechen wir über den Entstehungsprozess und das Bedürfnis, gute Hauptrollen für Frauen Ü50 anzubieten.

image  scaled e x
Pia Hierzegger (Credit: Ingo Pertramer)

Man sieht Ihren Protagonistinnen dabei zu, wie sie aus Routinen ausbrechen, auch wenn es ihnen schwerfällt. Sie sind mit „Altweibersommer“ in gewisser Weise auch aus einer Routine ausgebrochen und haben sich erstmalig als Regisseurin eines Films engagiert. Inwiefern hat diese Erfahrung Ihren Blick aufs Filmemachen verändert?

Pia Hierzegger: Sehr! Als Drehbuchautorin bekommt man schon ein bisschen mehr mit von den Vorbereitungen einer Filmproduktion. Wenn ich „Landkrimis“ schreibe, erfahre ich am Rande zum Beispiel, wenn die Motivsuche beginnt, wenn es darüber Diskussionen gibt, wo was gefunden wird, wo nichts gefunden wird etc. Als Schauspielerin kommt man zur Leseprobe, so es eine gibt, oder zum ersten Drehtag und ist beim letzten Drehtag wieder weg. Die ganzen Jahre der Vorbereitung und die Monate der Nachbereitung bekommt man nicht stark mit, wenn man nicht in der Regie tätig ist. Die permanente Beschäftigung und Verzweiflung, wenn was nicht funktioniert, habe ich nun zum ersten Mal erfahren. Aber auch das Positive, die Arbeit mit einem Team, das einen die sechs Wochen der Drehzeit und teilweise auch schon vorher, unterstützt, war eine super Erfahrung! Ich weiß jetzt, wie viel Arbeit ein Film bedeutet.

Sie haben ja nicht nur das Drehbuch geschrieben und Regie geführt bei „Altweibersommer“. Sie spielen auch eine der drei Hauptrollen. War das leicht unter einen Hut zu bekommen?

Pia Hierzegger: Wir haben uns sehr gut vorbereitet, vor allem mit Kameramann Klemens Hufnagl. Wir wussten vor Ort meistens genau, was wir machen wollten, wie wir Szenen auflösen. Selbst wenn es dann doch anders gekommen ist, wir hatten immer ein Netz, das uns aufgefangen hat. Sicher war es auch anstrengend, weil ich nicht immer die Zeit hatte, nachzudenken. Aber vielleicht ist das manchmal auch gar nicht so schlecht. Ich bin sonst eher zweifelnd. Im Schnitt dachte ich mir manchmal, dass ich vielleicht noch ein bisschen anderes Material gehabt hätte, wenn vor Ort mehr Zeit gewesen wäre, oder dass ich vielleicht manche Momente länger herausgefeaturet hätte. Aber vielleicht hätte ich das vor Ort auch gar nicht gewusst.

„Das Alter ist mitgewachsen, auch die Themen.“

Alle drei Frauen sind sehr unterschiedlich und befinden sich in einem Alter, wo man „heraußen“ ist, wie Sie das im Presseheft so treffend bezeichnen. 

Pia Hierzegger: Ja, meine Protagonistinnen sind aus dem Gröbsten heraus. Aber das Alter hat sich mit dem Schreiben auch verändert. Als ich mit dem Drehbuch begonnen habe, war ich Mitte/Ende 40, jetzt bin ich über 50. Ursula Strauss und Diana Amft sind etwas jünger als ich. Das Alter ist mitgewachsen, auch die Themen, die sich entsprechen etwas verschoben haben.

ALTWEIBERSOMMER Still  © Film AG scaled e x
Pia Hierzegger war bei „Altweibersommer“ vor wie hinter der Kamera tätig (Credit: Film AG)

Im Drehbuchschreiben haben Sie ja bereits Erfahrung gesammelt, wobei Sie bis dato sehr erfolgreich fürs Fernsehen geschrieben haben, wie etwa die Landkrimis aus Kärnten. Inwiefern hat sich das Schreiben eines Drehbuchs fürs Kino unterschieden?

Pia Hierzegger: Es war definitiv schwieriger, einen Kinofilm zu schreiben. Krimi-Schreiben finde ich eigentlich schrecklich. Ich sitze aktuell an meinem dritten Landkrimi. Ich finde es anstrengend, weil mich der Krimi-Plot nicht wirklich interessiert. Mich interessieren die Figuren, die Beziehungen, die Menschen, über die man Geschichten erzählen kann. Das reizt mich. Schreibt man fürs Fernsehen, gibt es dort die Produktion, da die Redaktion, und bereits eine Regie, mit der man im ständigen Austausch ist. Das ist einerseits ein bisschen lästig, weil alle dauernd was ändern wollen. Aber man freut sich auch übers Feedback. Bei „Altweibersommer“ war ich hingegen sehr lange sehr allein – und im Prinzip ist alles möglich. Ich habe mit den drei Figuren begonnen, die angelehnt sind an verschiedene Leute, die ich kenne. Die Geschichte hat sich beim Schreiben entwickelt. Was ich dann sehr spannend fand, war ein Zusammentreffen vom Drehbuchforum (united writers) , mit vier Autor:innen, die gegenseitig ihre Sachen lesen und geführt durch eine Dramaturgin Feedback geben. Das war sehr hilfreich. Daraufhin habe ich die erste Fassung geschrieben.

Und mit der sind Sie dann zur Film AG von Alex Glehr und Johanna Scherz?

Pia Hierzegger: Richtig. Bei Alex Glehr und Johanna Scherz kam dann überhaupt erst die Frage nach der Regie auf. Ich bin da nicht hinmarschiert mit dem Vorhaben, das Buch auch selbst zu verfilmen. Aber die beiden meinten irgendwann im Gespräch: Wer soll das sonst machen? Das ist deine Geschichte! 

„Beim Fernsehen ist man im Genre und in der Länge gefangen. Beim Kino hat man mehr Zeit, man kann mit mehr Rätseln einsteigen.“

Was haben Sie am Entwickeln eines Kinostoffs geschätzt?

Pia Hierzegger: Beim Fernsehen ist man im Genre und in der Länge gefangen. Es gibt selten Leute, die in einen Kinofilm gehen und nach fünf Minuten wieder rausgehen. Beim Kino hat man mehr Zeit, man kann mit mehr Rätseln einsteigen. Niemand kann schnell wegschalten, wie das beim Fernsehen der Fall ist. Toll ist es, wenn man die Leute im Kino packt, sie mitgehen und immer mehr entdecken können. Im TV muss man klarer, eindeutiger sein. Wobei ich sagen muss, dass wir gerade bei den Landkrimis einen großen Freiraum seitens der Redaktionen des ORF und ZDF haben.

In „Alterweibersommer“ sind Sie als Elli zu sehen. Hatten Sie von Anfang an die Absicht, in diese Rolle zu schlüpfen?

Pia Hierzegger: Nein. Meine Casterin Rita Waszilovics sagte zu mir: Du spielst die Elli, sie ist beobachtender, hat nicht diesen Druck, alles am Laufen halten zu müssen wie Astrid. Für diese Rolle war Ursula Strauss super, weil sie das mit ihrer ganzen Kraft und Erfahrung gemacht hat, sie hat auch viel Angeboten als Schauspielerin.

ALTWEIBERSOMMER Still  © Film AG scaled e x
„Altweibersommer“ mit Diana Amft, Ursula Strauss und Pia Hierzegger (Credit: Film AG)

 

Ihre Geschichte ist ein Roadmovie. Beginnt auf einem verregneten Campingplatz in einem einsamen Wohnwagen in Österreich und führt Ihre Protagonistinnen schließlich noch nach Venedig. Was waren Ihre Gedanken dazu?

Pia Hierzegger: Ich hatte beim Schreiben unendlich viel Material aus dem Wohnwagen. Da kommt man schnell drauf, dass das nicht besonders filmisch ist. Es gibt zwar auch Filme, die nur ein Setting haben, bzw. zum Beispiel nur im Cockpit eines Flugzeugs spielen wie „7500“ von Patrick Vollrath. Da funktioniert das. Aber das muss man entsprechend schreiben. Dieser Gedanke ist gar nicht so weit weg von einer nächsten Idee… Ich habe die Geschichte geöffnet, lasse meine Protagonistinnen nach Italien fahren, ohne dass es ein  turbulentes Roadmovie wird. Ich erinnere mich noch, wie ich damals meiner Schwester und meinem Neffen von dem Projekt erzählt habe. Damals passierte in der zweiten Hälfte in Italien noch viel mehr, vor allem jeder Protagonistin einzeln. Da haben sie beide gesagt: Das interessiert uns nicht. Wir wollen wissen, wie es den Drei zusammen geht. Das hat mir beim Weiterdenken geholfen.

Es geht um eine langjährige Freundschaft, die auf die Probe gestellt wird…

Pia Hierzegger: Am Anfang des Films ist die Freundschaft eben eine Freundschaft, die schon immer da war. Wo sie teilweise mit dem Gedanken reingehen: Das halte ich schon zwei Tage aus. Es gibt dann diesen Moment, wo sie mal wirklich streiten. Da verändert sich etwas, wie sich die Teilchen bei einem chemischen Versuch verändern. Durch diesen Streit können sie sich wieder auf Augenhöhe begegnen, neu anschauen, und sie merken, dass ihre Freundschaft eben doch wichtig ist. Auf so was kommt man, wenn man älter wird. Es gibt eben Leute, die einem wirklich wichtig sind im Leben, die immer schon da sind, weil manche Leute auch nicht mehr da sind. Solche Themen kommen zumindest mir jetzt, in einem Alter, wo man, wie vorhin schon gesagt, „aus dem Gröbsten raus ist“.

„Als Schauspielerin bekomme ich mittlerweile schon öfter die Rollen von Müttern oder Ehefrauen angeboten. Das ist auch nicht schlimm und ich will nicht jammern, aber es ist einfach so, dass es nicht viele Hauptrollen gibt.“

Ihre Protagonistinnen sind um die 50, ein Alter, das jetzt nicht so häufig bespielt wird. Entsprechend haben Sie auch besetzt. Wie nehmen Sie generell die österreichische Film/Fernsehlandschaft wahr hinsichtlich guter Stoffe für Frauen Ü50, vor wie hinter der Kamera?

Pia Hierzegger: Ich kenne schon ein paar Regisseurinnen in meinem Alter, aber eben nur ein paar. Es ist auch logisch, dass man als Regisseurin oder Autorin Sachen bearbeitet, die einem nahe sind, wo man sich auskennt. Deswegen verstehe ich auch, warum Männer andere Themen schreiben und besprechen. Das heißt nicht, dass sie nicht auch Frauen als Protagonistinnen haben, aber eben nicht so oft und in einer gewissen Form. Und junge Menschen werden ebenso logischerweise eher über ihre Probleme schreiben. Als Schauspielerin bekomme ich mittlerweile schon öfter die Rollen von Müttern oder Ehefrauen angeboten. Das ist auch nicht schlimm und ich will nicht jammern, aber es ist einfach so, dass es nicht viele Hauptrollen gibt. Ein bisschen schwierig ist auch, dass alles so kurzlebig geworden ist, man nurmehr wenig Vorlauf hat. Da heißt es dann: Hättest du nächsten Monat Zeit… das ist schlecht.

Können Sie sich vorstellen, künftig mehr in Richtung Drehbuch und Regie zu gehen, Ihre Karriere ein wenig dorthin zu verlagern?

Pia Hierzegger: Ich bin total froh, dass ich auch schreibe. Nicht nur aus finanziellen Gründen, als Schaupielerin wartet man ja immer bis man gefragt wird- sondern weil mir die Abwechslung mit der Arbeit vor der Kamera gut tut. Ich bin auch froh, dass ich nach wie vor am Theater im Bahnhof Graz arbeiten kann, wo wir im Herbst eine neue Produktion starten. Das ist meine künstlerische Heimat. Es ist viel Arbeit, ein Buch zu schreiben, es ist viel Arbeit, Regie zu führen. Als Schauspielerin ist man in kürzerer Zeit sehr konzentriert und sehr intensiv eingesetzt, aber man trägt nicht die Verantwortung fürs Ganze, sondern nur für sich. Deswegen möchte ich die Arbeit als Schauspielerin nicht missen.

Altweibersommer Drehstartfoto kleiner x
Beim Drehstart: Mit „Altweibersommer“ legt Pia Hierzegger ihr Regiedebüt vor (Credit: Film AG)

Inwiefern befruchtet sich das Arbeiten vor und hinter der Kamera? Schreiben Sie vielleicht anders, weil Sie auch Schauspielerin sind?

Pia Hierzegger: Gut möglich. Ich versuche, jede Rolle mit einem Herzstück zu versehen, jeder Rolle etwas Spezielles mitzugeben, dass sie etwas Besonderes hat, nicht eindimensional ist. Auch bei Rollen, die weniger Text haben. Ich weiß nämlich, dass es wahnsinnig schwierig ist, wenn man als Schauspieler:in nur drei Tage auf einem Filmset ist und dann nur eine Schablone spielen darf. 

Haben Sie sich als Debütregisseurin auch Tipps geholt? Hilft man sich gegenseitig in der Branche?

Pia Hierzegger: Ich mache die Erfahrung, dass es sehr gut möglich ist, mit Menschen zu reden und gute Ratschläge zu bekommen. Ich habe im Zuge von „Altweibersommer“ mit Leuten gesprochen, die ich schätze und mit denen ich oft gearbeitet habe, wie Johanna Moder, Marie Kreutzer, Josef Hader, Michael Ostrowski oder Daniel Prochaska. Die haben mir Sachen erzählt, die ihnen passiert sind, haben mir geraten, worauf ich schauen sollte. In dieser Haltung war für mich Michi Glawogger ein Vorbild, der mit seinem Wissen so freigiebig war, weil er ein intrinsisches Interesse hatte. Das ist das Beste, was man machen kann. Ich erlebe in Graz, wenn es viele gute Theater gibt, gehen die Leute gerne ins Theater. Auch wenn ein Austausch unter verschiedenen Theatern passiert, sich da etwas entwickelt, gehen die Leute lieber ins Theater, als wenn alle ihr eignes Süppchen kochen. Der Zusammenhalt ist in einer Zeit, in der in der Steiermark Kulturgelder gekürzt werden, umso wichtiger. So sehe ich das auch in der Filmbranche. 

Und zum Schluss: Wie weit ist der Landkrimi und an was arbeiten Sie sonst noch?

Pia Hierzegger: Der soll schon im Juni gedreht werden, dieses Mal mit Andreas Prochaska, nicht mit seinem Sohn. Das wird spannend, weil ich mit Andreas noch nie gearbeitet habe. Dann sind viele Projekte in der Schwebe. In Einreichung befindet sich ein Kinoprojekt mit der Superfilm, bei dem ich für Drehbuch und Regie verantwortlich wäre. Das ist ein Fußballfilm nach Tonio Schachingers Roman „Nicht wie ihr“. Fußball ist eine meiner Leidenschaften, ich habe sogar ein Abo für den GAK. Dann gibt es noch das Stück „Erben“ im Theater im Bahnhof, eine Koproduktion mit der Grazer Gruppe Planetenparty Prinzip und dem Steirischen Herbst, das im Herbst Premiere haben wird. Und außerdem hoffe ich auf ein paar gute Rollen als Schauspielerin.

Das Gespräch führte Barbara Schuster