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Olga Kosanović über „Noch lange keine Lipizzaner“: „Nicht aufhören, an sich und seine Ideen zu glauben“

Die österreichische Filmemacherin Olga Kosanović war mit ihrem ersten langen Dokumentarfilm, „Noch lange keine Lipizzaner“, im Wettbewerb des 46. FFMOP vertreten. Wir trafen sie zum Interview und wollten wissen, wie sie sich diesem interessanten Blick auf das Thema Einbürgerung  – ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen – genähert hat.

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Olga Kosanović (Credit: Podogil)

Nachdem Sie mit „Land der Berge“ 2024 den Publikumspreis für den besten Mittellangen Film gewonnen haben, kehren Sie 2025 gleich zurück nach Saarbrücken, mit Ihrem ersten langen Dokumentarfilm, „Noch lange keine Lipizzaner“. Was verbinden Sie mit dem FFMOP?

Olga Kosanović: Letztes Jahr war ich zum ersten Mal in Saarbrücken. Ich war angetan von der tollen Stimmung und den vollen Sälen. Schön ist, dass hier nicht nur Fachleute im Publikum sitzen, sondern auch Menschen, die in und um Saarbrücken wohnen. Diese Mischung mag ich sehr, weil man direkt Feedback bekommt, diese filminteressierten Menschen, die nicht vom Fach sind, einfach Dinge anders wissen wollen. Generell bekommen der Nachwuchs und erste Projekte eine unglaublich große Bühne. Das bringt wirklich was. Deshalb haben wir uns ins Zeug gelegt, damit sich die Premiere von „Noch lange keine Lipizzaner“ hier ausgeht. Wir haben es geschafft! 

„Noch lange keine Lipizzaner“ ist ein Dokumentarfilm mit szenischen Elementen. Seine Ausgangsgeschichte ist sehr persönlich, allerdings öffnet er sich einem breiten gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Einbürgerung. Wie sind Sie vorgegangen?

Olga Kosanović: Der Film beruht auf meinen Erfahrungen beim Versuch der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Nachdem dieser medial aufgegriffen wurde und ich eine unglaubliche Response bekam, darunter auch den meinen Filmtitel inspirierenden Kommentar, dachte ich: Ich muss daraus etwas machen. Das Thema polarisiert, ist aufgeladen und die Frage ist: Warum?. Mein erster Ansatz war immer, dass es nicht um mich gehen, dass ich überhaupt nicht darin auftauchen sollte. Doch wie das bei der Entwicklung eines Projekts ist: Man pitcht es mehr als ein Mal, stellt es Förderern vor etc. Und da merkte ich, dass meine eigene Erfahrung mit dem Thema einfach ein guter Ausgangspunkt war. Somit habe ich meine Geschichte doch zum dramaturgischen Leitfaden gemacht, zum Anker, um davon ausgehend auf eine größere Spurensuche zu gehen.

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Olga Kosanović (m.) und ihr Team von „Noch lange keine Lipizzaner“ beim 46. FFMOP (Credit: Max Kullmann)

Wenn man an einem Dokumentarfilm arbeitet, weiß man beim Dreh oftmals nicht, ob alles so aufgeht, wie man sich das auf dem Papier ausgedacht hat. Gerade bei einem Film, der doch auch ein sensibles Thema behandelt. War es einfach, all die Menschen vor die Kamera zu holen? War es einfach, Zugang in den Regierungsapparat zu erhalten?

Olga Kosanović: Weil ich erst 2024 mit meinem mittellangen Film in Saarbrücken war, meint man vielleicht, dass wir „Noch lange keine Lipizzaner“ innerhalb des letzten Jahres gemacht haben – Mit der Recherchearbeit zum Thema Einbürgerung habe ich allerdings viel früher begonnen. Ich habe Kontakte geknüpft, auch über Organisation, die hinter der Kampagne #hiergeboren steckt, bei der ich damals mitgemacht habe. Da mein Fall bereits vor dem Film so öffentlich war, hatte ich eine Art privilegierte Position, die mir dazu verhalf, dass ich mit dem Hauptverantwortlichen der Einbürgerungsbehörde, in diesem Fall dem Vize-Bürgermeister von Wien, sprechen durfte. Diese Gelegenheit haben wir gemeinsam genutzt, um das Filmprojekt zu präsentieren und zu unterstreichen, dass es uns nicht darum geht, die Behörde schlecht dastehen zu lassen, sondern uns das Gesetz, nach dem die Behörde handeln muss, interessiert. Als wir von oben grünes Licht erhalten hatten, sind wir überall rein, wo es ging. Es hat trotzdem viel Überzeugungsarbeit gekostet. 

„In Österreich ist der Diskurs über die Staatsbürgerschaft meist populistisch und aufgeladen.“

Sie schaffen Bilder für die Ewigkeit. Allein das hautnahe Beiwohnen bei der feierlichen Übergabe einer Staatsbürgerschaft-Urkunde hat den Anstrich eines grotesken Theaters…

Olga Kosanović: Ich habe erst mit Leuten gesprochen, die die Staatsbürgerschaft tatsächlich bekommen haben (ich habe sie ja immer noch nicht). Als sie mir erzählten, dass die Verleihung so abläuft, dachte ich: besser hätte ich es nicht schreiben können. Beziehungsweise, hätte ich das so geschrieben, hätte mir keiner geglaubt. Die Hymne ertönt vom CD-Player, dann muss der Schwur geleistet werden. Diese symbolische Aufladung hinter diesem Moment, den die meisten Leute nie mitbekommen, weil die meisten Leute keine Staatsbürgerschaft beantragen, hat mich interessiert. Was ist das, warum gibt es die, warum muss das so sein, woher kommt die. Warum muss ich die alte Staatsbürgerschaft ablegen, wenn ich eine neue beantrage. Es wird schnell zur Loyalitätsfrage. Und die entspricht heute einfach nicht mehr der Realität. Diesen Konflikt finde ich interessant.

Der an einer Staatsbürgerschaft hängende Pass hat heute immer noch sehr viel Macht, teilt Menschen in unterschiedliche Klassen ein.

Olga Kosanović: Das ist das Hauptproblem. Identität oder die Frage, als was man sich fühlt, hin oder her. Es geht um ein Problem der Hierarchisierung nach außen, welche Chancen und Möglichkeiten man aus Zufallsprinzip oft hat. Das ist die Ungerechtigkeit dahinter. In Österreich ist der Diskurs über die Staatsbürgerschaft meist populistisch und aufgeladen und in der Öffentlichkeit wird die Staatsbürgerschaft als das höchste Gut gefeiert. Niemand fragt sich aber, warum sie das höchste Gut ist, wenn sie doch eigentlich auf einem Zufallsprinzip beruht. Funktionierend nach beliebigen Spielregeln. Deshalb fand ich das im Film eine Rolle spielende Spielbrett passend – Beim Spiel muss man sich auch an Spielregeln halten, die man manchmal vielleicht unfair findet. Diese Ungerechtigkeit vereint mit dem gleichzeitigen Hochhalten, sich auf Grund der Staatsbürgerschaft über jemand anderen zu stellen, finde ich schwierig. Das versuche ich zu dekonstruieren. 

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„Noch lange keine Lipizzaner“ (Credit: Kasper)

Sie haben bereits Kurzfilme, Mittelange Filme, jetzt einen Langfilm geschaffen, changieren zwischen der fiktionalen und dokumentarischen Welt. Ist es für Sie wichtig, abzuwechseln?

Olga Kosanović: Ich liebe beides. Ich habe zwei mittellange Filme gedreht, einer war rein dokumentarisch, einer rein fiktional. Ich komme aus einer Schule, wo das glücklicherweise möglich war. An der HFBK Hamburg muss man sich nicht entscheiden. Das hat mir geholfen. Nach dem ersten mittellangen Film war es mir wichtig, dass mich die Branche und die Förderer nicht gleich als die „Doku-Olga“ abstempeln. Deswegen habe ich die Referenzmittel gleich in ein fiktionales Projekt gesteckt. Ich möchte mich in beiden Bereichen aufstellen und ich finde, dass mir auch beides liegt. „Noch lange keine Lipizzaner“ enthält viele hybride Elemente. Manche Szenen haben ihre Kraft, wenn man sie inszeniert, manche, wenn man sie dokumentarisch zeigt. Hier war toll, dass wir frei in der Form waren, niemand hat uns reingeredet. Wir durften uns ausprobieren. Für mich war wichtig, dass ich ein Team an meiner Seite hatte, das super flexibel arbeitet und mich auch immer ermutig und mitgenommen hat, gerade bei den Szenen, in denen ich im Bild bin. Weil ich das eigentlich gar nicht mag.

„Man braucht als Filmschaffende eine Visitenkarte, mit der man sich anstellen kann.“

Sie wurden mit Ihren Arbeiten bereits auf viele Festivals eingeladen, wurden auch mit Preisen honoriert, unter anderem mit dem Österreichischen Filmpreis. Hilft das, die nächsten Projekte anzustoßen, vom Boden zu bekommen? Was sind aber auch Probleme, mit denen sich junge Filmschaffende konfrontiert sehen?

Olga Kosanović: Insgesamt ist es schon eher schwierig und wird in Anbetracht einer neuen Regierung in Österreich sicher nicht leichter. Ich bin sicher, dass gleich mal bei der Kultur gekürzt wird. Dennoch habe ich das Gefühl, dass Preise und Festival-Bühnen helfen. Einfach allein schon bei Förderanträgen, bei denen es nicht schadet, wenn man schon eine Form von Präsenz nachweisen kann. Es ist aber immer auch viel Glück dabei. Man braucht als Filmschaffende eine Visitenkarte, mit der man sich anstellen kann in unserer kapitalistischen Welt. Meinen Abschlussfilm an der HFBK habe ich allein in Serbien gedreht, ohne Team. Die HFBK macht keinen Druck, wie man Filme zu machen hat. Für manche Leute ist es vielleicht nicht das Richtige, weil sie sich darin verlieren. Für mich war es gut, weil es mir den Mut gab, Dinge einfach zu machen und nicht sofort Angst vorm Scheitern zu haben. Dass der Film dann so gut funktioniert hat in der Filmfestivalwelt, hätte ich nie gedacht. Das gab mir die Möglichkeit, das nächste Projekt in Ruhe und ohne Angst anzugehen, obwohl ich raus aus der Uni war. Das war mein Glück. Man muss sich trauen, obwohl der Druck groß ist, angesichts der vielen Filmschulen… Aber man darf einfach nicht aufhören, an sich und seine Ideen zu glauben. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster