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Min Bahadur Bham über „Shambhala“:  „Beim Filmemachen lerne ich fürs Leben“

„Shambhala“ feierte auf der Berlinale Weltpremiere und war u.a. auch in Locarno eingeladen. Dort haben wir uns mit Regisseur Min Bahadur Bham zum Interview getroffen, um mit ihm über den abenteuerlichen Dreh der nepalesischen Oscareinreichung zu sprechen. Der Film startet am 28. November im Verleih von MFA+.

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Min Bahadur Bham (Credit: Angad Dhakal)

„Shambhala“ ist Ihr zweiter Spielfilm nach „Kalo Pothi“ aus dem Jahr 2015. Warum haben Sie sich dafür fast zehn Jahre Zeit gelassen?

Min Bahadur Bham: Das ist eine interessante Frage, die ich häufig gestellt bekomme – vor allem in Nepal. Meine Freunde, von denen viele Journalisten sind, denken, dass ich meine Filme ruhig mit geringerem Abstand machen könnte. Aber es gibt gute Gründe dafür, warum es bei mir nicht so war. Mein Arbeitsstil ist sehr langsam. Allein am Drehbuch schrieb ich acht Jahre. Ich habe 48 Fassungen geschrieben! Die Sprache des Films ist nicht meine eigene Sprache, obwohl wir in meinem Heimatort gedreht haben. Ich musste also erst mal die Tibetische Sprache lernen. Das hat viel Zeit gekostet. Und weil der Film von Buddhismus handelt, habe ich für meine Recherche noch Buddhismus-Wissenschaften an der Uni studiert. Außerdem hat es gedauert, bis die Finanzierung stand und wir die Besetzung zusammen hatten. Das hat locker fünf Jahre in Anspruch genommen. Meinen ersten Film hatte ich in neun Monaten im Kasten, einschließlich des Drehbuchschreibens, der Finanzierung, Vorbereitung und Drehs. Es hängt einfach immer vom Projekt ab. Bei „Shambhala“ hatten wir viele logistische Schwierigkeiten zu bewältigen und die Corona-Pandemie hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir konnten teilweise nicht zu den Locations reisen, die wirklich sehr weit weg von Kathmandu lagen. Ich habe grundsätzlich keine Eile mit meinen Filmen, weil es mir nicht nur um das Filmemachen geht, sondern um den ganzen Prozess. Ich lerne hier fürs Leben, sammle Erfahrungen. Mal schauen, wie viele Filme ich in meinem Leben machen werde, vielleicht so vier oder fünf 😉

Damit würden Sie in herkömmlichen Filmwirtschaften oder in Hollywood nicht bestehen können…

Min Bahadur Bham: Ich habe eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Es geht mir als Künstler wie gesagt nicht nur ums Filmemachen, sondern darum, wie ich mich beim Filmemachen als Mensch verändere, wie ich als Mensch wachse. Es ist mir wichtig, neue Erkenntnisse über mich zu gewinnen, in mich hineinzuhören, und nicht so sehr Titel in meiner Filmographie anzuhäufen.

Ihre Filme erzählen Reisen. „Shambhala“ erzählt von einer äußeren Reise, aber auch von einer inneren Reise. Ist das Filmemachen per se für Sie eine Reise?

Min Bahadur Bham: Absolut. Nicht nur meine beiden Langfilme, auch mein Kurzfilm erzählt von einer Reise. Ich habe mich oft gefragt, warum dieses verbindende Thema in allen meinen Filmen eine Rolle spielt. Vielleicht deshalb, weil ich in meiner Kindheit sehr isoliert gelebt habe, auch keine große Beachtung fand. Ich habe nicht viel Liebe erfahren. Ich war sehr introvertiert, bin mit 15 von zuhause abgehauen, ohne meiner Familie etwas zu sagen. Meine Eltern hatten mich in ein Internat gesteckt, wir sind viel umgezogen, es gab viele Schulwechsel. Als ich dann auf der Uni war, habe ich meine Eltern verloren. All diese Erlebnisse sind sicher in meine Filme geflossen, die in gewisser Weise Reflexionen meines Lebens sind. 

Den Dreh von „Shambhala“ war sehr abenteuerlich. Sie haben teilweise in 6000 Meter Höhe gedreht! Gab es da überhaupt genug Sauerstoff? Vor welche Herausforderungen wurden Sie gestellt?

Min Bahadur Bham: Wir haben mit sehr kleinem Team gearbeitet, weniger als 20 Leute, einschließlich aller Schauspieler. Mir war klar, dass ich Leute brauchte, die mit den Höhenverhältnissen umgehen konnten. Viele europäische Kollegen, mit denen ich gerne gearbeitet hätte, standen deshalb nicht zur Auswahl. Als wir mit der Vorproduktion begannen, vier Monate vor Drehstart, gingen wir zu unserer Location. Wir hatten zwei connecting flights, die Anreise beanspruchte zwei Tage und zwei Nächte und vier Tage Fußmarsch. Dort, wo wir drehten, ist die am höchsten gelegene menschliche Siedlung der Welt. Die Vorbereitungen trafen wir auf 4200 Meter Höhe, unsere Drehorte lagen auf 5000 bis 6200 Meter Höhe. Cast und Crew mussten nicht nur ein Mal mit dem Hubschrauber in Sicherheit gebracht und mit Sauerstoff versorgt werden. Unser Film ist eine kleine unabhängige Produktion, hat aber eine Creditliste, als wäre es ein Hollywoodfilm, weil wir alle Ärzte, Piloten, Mitarbeiter von Krankenhäusern etc aufgenommen haben, die für unsere Sicherheit da waren. 

Die Wetterbedingungen können auch nicht einfach gewesen sein…

Min Bahadur Bham: Das Wetter war in der Tat sehr ruppig. Es war sehr windig und trocken und wir hatten keine Elektrizität. Wir mussten alles mittragen, Aggregatoren, Benzin. Aber wir wollten es ja nicht anders. Es hat uns auch glücklich gemacht und ich bin meinem Cast und Team ewig dankbar. Wir waren wie eine kleine Familie, die dieselbe Vision bei der Gestaltung unseres Films verfolgte, aber gleichzeitig wie eine kleine Armee, weil es viele Regeln zu beachten galt. Aber das ist mein Arbeitsstil…

Was gehört zu Ihrem Arbeitsstil?

Min Bahadur Bham: Alle Schauspieler, auch meine Hauptdarstellerin, durften vier Monate lang weder Gesicht waschen noch Zähne putzen. Es waren keine Handys erlaubt, auch wenn es mal einen Pausentag gab, und wir sind jeden Morgen um fünf Uhr aufgestanden, auch wenn wir nicht drehten. Ich habe sehr strenge Regeln aufgestellt, aber dafür waren wir auch super organisiert. Das Miteinander war sehr harmonisch. Und trotz all der Herausforderungen mit dem Wetter, der Höhe, den damit zusammenhängenden Krankheiten, ist es uns gelungen, den Film zu machen, der uns vorschwebte. Und noch viel mehr: Wir haben nicht nur den Film gemacht, sondern auch die verschiedenen Dimensionen der menschlichen Existenz ausgelotet. Die Arbeit war wie ein Gebet. Wir haben uns so lebendig gefühlt in den Bergen. Denn wenn man sich auf diese Höhe bewegt, ist man so fokussiert und deine Gedanken kreisen nur darum, zu überleben. Dort ist es egal, wie wichtig man ist, wie reich oder berühmt man ist. Jeder fühlt sich klein vor diesen riesigen Bergen. Du kannst hier eh nichts ändern.

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Ab 28. November in den deutschen Kinos: „Shambhala“ (Credit: MFA+)

Sie haben nicht nur das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Sie produzieren Ihre Filme auch. Bei „Shambhala“ ist die Liste der Koproduktionsländer sehr lang. Wie ist es um die Filmwirtschaft in Nepal bestellt? Kann man von einer solchen sprechen? Gibt es Förderunterstützung?

Min Bahadur Bham: In Nepal bekommen Filmemacher so gut wie keine staatliche Unterstützung. Deshalb ist ein Film wie „Shambhala“ nur mit internationalen Fördergeldern und Koproduktionspartnern möglich. Ich liebe das internationale Koproduzieren, weil man mit so vielen verschiedenen Crewmitgliedern in Kontakt kommt. Die Postproduktion meines Vorgängerfilms fand zum Beispiel in Paris statt. Außerdem ist es hilfreich, Feedback von den verschiedenen Partnern zu bekommen. Und klar, ich mache es auch aufgrund des Geldes. Es gibt seit kurzem einen sehr kleinen Fördertopf in Nepal, den ich mit einer Gruppe von Filmemacherkollegen initiiert habe. Er kommt aber nur jungen Filmtalenten zugute. Ich war nicht scharf darauf, auch ins Produzentenfach einzusteigen. Doch nachdem ich meinen Kurzfilm beendet hatte und erfahren habe, wie weit man als Filmemacher gehen muss und wie wichtig Sparringpartner auf diesem Weg sind, habe ich mich dazu entschlossen, Filme von Kollegen und Studenten meiner Filmhochschule, an der ich unterrichte, mitzuproduzieren. Ich habe mir ein Netzwerk aufgebaut. So bin ich da reingerutscht. Mittlerweile produziere ich mehr, als dass ich inszeniere. Im Falle von „Shambhala“ war es auch so, dass kein anderer Produzent es da oben in den Bergen ausgehalten hätte. 

Wie ist es um die Kinolandschaft in Nepal bestellt? Ich habe gelesen, dass ihr Debütfilm einer der erfolgreichsten nepalesischen Filme in der Geschichte ihrer Heimat war…

Min Bahadur Bham: In Nepal gibt es um die 300 Kinos. Vor Corona waren es mehr. Vor allem in ländlichen Regionen haben nicht alle Kinos überlebt. In Relation zur Bevölkerung haben wir aber immer noch sehr viele Kinos. In den meisten läuft Mainstream-Ware, die sehr gut funktioniert. Mein Debütfilm war eine echte Ausnahme. Denn Arthouse hat es auch bei uns nicht leicht. Ich erinnere mich, dass ich fast keinen Verleih für meinen Film gefunden hätte. Anfangs lief er nur in neun Kinos, dann wurden es immer mehr und mehr. Obwohl es ein Film mit Untertitel war, weil auch dieser Film in einer Sprache gedreht wurde, die die Menschen in den Großstädten nicht verstehen, die in meinem Heimatdorf gesprochen wird. Das hat mich sehr motiviert, und nicht nur mich, sondern auch andere junge Filmemacher. Lasst uns mehr von unseren eigenen, authentischen Filme machen!

Das Gespräch führte Barbara Schuster