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Matthieu Delaporte über „Der Graf von Monte Christo“: „Das europäische Kino braucht große Filme“

Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Alexandre de La Patellière hat Matthieu Delaporte mit „Der Graf von Monte Christo“ einen der größten französischen Kinoerfolge der letzten Jahre erschaffen. Jetzt kommt das Abenteuerepos mit Pierre Niney in der Titelrolle im Verleih von Capelight in die deutschen Kinos. Eine gute Zeit, einmal bei Delaporte nachzufragen.

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Matthieu Delaporte (l.) mit seinem Kreativpartner Alexandre de La Patellière am Set von „Der Graf von Monte Christo“ (Credit: Jérôme Prébois)

Von „Der Graf von Monte Christo“ (hier unsere SPOT-Besprechung) gibt es bereits zahlreiche Verfilmungen. Warum wollten Sie und Alexandre de La Patellière unbedingt auch eine machen?

Matthieu Delaporte: „Monte Christo“ ist ein Klassiker. Ein Klassiker ähnlich wie Shakespeare oder Molière. Wenn wir ins Theater gehen, finden wir es ganz normal, Stücke von immer denselben Autoren anzuschauen. Ob das deutsche, französische oder britische Autoren sind. Genauso hinterfragen wir nie, warum wir immer wieder dieselben Bücher lesen – über die verschiedenen Generationen hinweg. Deshalb werden große Bücher aber auch immer wieder adapiert. Und jede Adaption folgt ihrer eigenen Vision, die sehr viel zu tun hat mit der Zeit, in der sie entstanden ist. Die erste Adaption von „Monte Christo“ stammt von vor 100 Jahren, von Pathé, es folgten welche in den 20er, 30er, 40er, 60er Jahren usw. Immer wieder wurden neue Adaptionen dieses Buches vorgenommen. Und es ist immer der Blick aus der jeweiligen Zeit, der darauf geworfen wird. Das ist bezeichnend für solche großen Bücher. Deshalb werden sie auch immer wieder neu beleuchtet, neu gelesen. 

Aber welche ist die Beste?

Matthieu Delaporte: Natürlich hofft man, die allerbeste Adaption zu machen. Die so gut ist, dass sie alle anderen abschreckt, es danach jemals wieder zu versuchen. Das ist Jean-Paul Rappeneau mit „Cyrano von Bergerac“ von 1990 ziemlich gut gelungen. Aber Alexandre und ich wissen natürlich, dass es auch nach unserem „Der Graf von Monte Christo“ weitere Adaptionen geben wird.

Ihre Adaption bietet auf alle Fälle großes Kino. Was waren die besonderen Herausforderungen bei der Umsetzung und inwiefern spielte für Sie der Urtext von Dumas eine Rolle?

Matthieu Delaporte: Für mich ist Dumas‘ Roman ein großartiges Buch. Deshalb wollten wir es auch neu verfilmen. Es ist episch, es passiert viel, es geht um ganz universelle Themen wie Rache, es ist ein sehr romanhaftes Buch, es berührt. Es bietet eine gute Mischung aus großem Epos und Intimität, weil es eigentlich nur sehr wenig Personal hat. Dieses Gleichgewicht galt es zu halten. Auf der einen Seite war es uns ein Anliegen, einen sehr unterhaltsamen Film zu machen, mit viel Action, auf der anderen Seite wollten wir, dass die angesprochene Intimität immer spürbar bleibt. Eine Actionszene nur der Action wegen zu drehen oder Verfolgungsjagden, die sich totlaufen, zu inszenieren, interessiert uns nicht. Was Menschen an dieser Geschichte interessiert, sind die anderen Menschen. Dadurch werden sie berührt. Das wollten wir herausarbeiten. 

„,Monte Christo‘ ist eine Geschichte, die aus der Zeit gefallen ist.“

Was schwebte Ihnen vor?

Matthieu Delaporte: Wir wollten mit unserem Film an ein Genre anknüpfen, das nicht einmal mehr im amerikanischen Kino existiert, an die großen epischen Filme wie „Titanic“, „Der mit dem Wolf tanzt“… Diese Filme gibt es nicht mehr. Heute ist alles nur noch „Wolverine“, Marvel, „Spider-Man“. Alexandre und ich wollten mit „Der Graf von Monte Christo“ wieder dieses andere Kino zeigen. Es ist nicht so, dass es die Leute nicht mehr interessiert. Es sind wirtschaftliche Gründe, warum es nicht mehr gemacht wird. Pathé war in der Lage, viel Geld in die Hand zu nehmen und auch ein großes finanzielles Risiko einzugehen, um uns dieses große epische Kino à la „Titanic“ zu ermöglichen, in dem uns trotz seiner Wucht letztendlich auch nur zwei oder drei Figuren berühren und packen. Diese Art von Kino ist leider verschwunden. Ich hoffe, dass der Erfolg von „Monte Christo“ den Weg wieder öffnet für mehr Filme in dieser Art.

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Der große Pierre Niney in der Titelrolle (Credit: Rémy Grandroques)

Sie waren als Drehbuchautor auch an den jüngsten „Die drei Musketiere“-Filmen beteiligt. Diese waren in Frankreich auch erfolgreich, aber bei weitem nicht auf dem Niveau, wie es nun „Der Graf von Monte Christo“ gelungen ist. Warum ist Ihrer Meinung nach „Monte Christo“ so viel populärer geworden als die „Musketiere“?

Matthieu Delaporte: Das ist schwierig zu beantworten, weil man die Filme nicht gut vergleichen kann. Ich tue mir auch schwer, weil sie von einem Freund von mir inszeniert wurden. Was ich sagen kann, ist, dass die Geschichte von „Monte Christo“ einfach zugänglicher, zeitloser ist. Die „Musketiere“ erzählen letztendlich vom Ende einer Epoche. „Monte Christo“ ist eine Geschichte, die aus der Zeit gefallen ist. Es geht um einen Mann, der alles verloren hat, sein Leben, seine Liebe, seinen Vater, und der getrieben ist von Rache. Ein bisschen so wie im ersten „Gladiator“. Dieser doch sehr epischen Geschichte wollten wir eine romantische Ebene hinzufügen, sie mit einer Form von romantischer Geschichte verbinden. Warum? Weil wir der Meinung sind, dass wir in einer sehr materialistischen Welt leben und die Leute eigentlich ein großes Bedürfnis nach Gefühlen haben. Dieses Bedürfnis wollten wir mit unserem Film ebenfalls bedienen.

„Das Publikum hat keine Lust auf die immer gleichen Filme.“

Mit ihrem Partner Alexandre de La Patellière haben Sie bereits erfolgreiche Filme hervorgebracht wie „Der Vorname“, „Das Beste kommt noch“ – ganz andere Filme als „Monte Christo“. Was haben Sie von der Arbeit an diesen Filmen dennoch mitnehmen können, um letztendlich „Monte Christo“ machen zu können?

Matthieu Delaporte: Alexandre und ich folgen keinen Regeln. Wir wollen auch nicht psychoanalysieren, was wir machen. Wir wollen einfach nur unseren Wünschen folgen, die ganz eklektisch sein können, das machen, worauf wir Lust haben. Mal fürs Theater, mal fürs Kino, mal fürs Fernsehen. Das können Komödien sein wie „Der Vorname“ oder „You Keep the Kids“ oder große Adaptionen wie „Die drei Musketiere“ oder eben „Der Graf von Monte Christo“. Das Problem ist nur, dass es schwer vorstellbar war, solche Klassiker zu adaptieren, weil sie enorm viel Geld kosten. Der Erfolg von den „Musketieren“ hat es Alexandre und mir ermöglicht, dass wir „Monte Christo“ machen konnten. Pathé hat uns einen Freifahrtschein gegeben, uns gefragt, was wir als nächstes gerne machen wollen. Da „Der Graf von Monte Christo“ eines unserer absoluten Lieblingsbücher ist, zögerten wir nicht lange. Pathé hat uns diesen Traum ermöglicht – allerdings eben nur aufgrund des Erfolgs der „Musketiere“. Orson Welles sagte mal, ein Schriftsteller braucht einen Stift, ein Filmemacher braucht eine Armee.

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Beim Biarritz Film Festival 2024 (v.l.): Matthieu Delaporte, Pierre Niney und Alexandre de la Patellière (Credit: IMAGO / Bestimage)

Sie sprachen davon, dass bei „Der Graf von Monte Christo“ immer auch Intimität eine Rolle spielt, dass die Geschichte trotz ihres epischen Ausmaßes auf wenige Figuren reduziert ist. Die Titelrolle haben Sie mit Pierre Niney besetzt. Was haben Sie in ihm gesehen? Warum war er der richtige? 

Matthieu Delaporte: Als uns Pathé grünes Licht gegeben hat, haben wir zu unserem Produzenten gesagt, dass wir den Film nur machen, wenn Pierre Niney die Hauptrolle spielen darf. Denn genauso, wie man den richtigen Schauspieler für Cyrano de Bergerac braucht, braucht man ihn für den idealen Edmond Dantès. Es war auch von vornherein klar, dass wir in den beiden gezeigten Zeitepochen mit den gleichen Schauspielern arbeiten wollen, die sowohl 20-Jährige wie auch 40-Jährige verkörpern. Pierre mit seinen etwa 35 Jahren lag idealerweise mehr oder weniger genau dazwischen. Wir mussten ihn am Anfang etwas verjüngen, am Ende ein bisschen altern lassen. Außerdem musste er ja in fünf bis sechs verschiedene Rollen schlüpfen. Für uns ist Pierre der größte Darsteller seiner Generation. Er kommt vom Theater, der berühmten Comédie Française, und er kann einfach alles. Er ist eine Art Chamäleon. Für unseren Film war er ein idealer Partner, zumal sein Lieblingsbuch wirklich auch „Der Graf von Monte Christo“ ist. Wenn man täglich mehrere Stunden in der Maske sitzt und 18 Wochen dreht, muss man schon einen enormen Willen mitbringen, um das so durchzustehen. Pathé ließ uns auch beim Rest des Castings freie Hand. Es gab etwa 13 oder 14 größere Rollen zu besetzen, und wir haben alle unsere Lieblingsschauspieler genommen, egal, ob sie vom Theater kommen, vom Kino oder Fernsehen. So hat man sie teilweise noch nie zusammen gesehen und das auch sicherlich nicht erwartet.

Nicht allein der „Der Graf von Monte Christo“ hat sich als Boxoffice-Phänomen in Frankreich erwiesen. Es gab auch Filme wie „Was ist schon normal?“ oder „Beating Hearts“, die Superzahlen schrieben, „Die leisen und die großen Töne“ kam im Dezember toll aus den Startlöchern. Was macht die lokale französische Produktion so stark, warum ist Frankreich nach wie vor eine Insel der Glückseligen was das Kino betrifft?

Matthieu Delaporte: 2024 herrschten tatsächlich paradiesische Zustände in den französischen Kinos, was die lokalen Produktionen betrifft. Das ist aber nicht immer so. Da gab es bei uns durchaus auch ganz andere Jahre. Soweit ich weiß, ist es das erste Mal seit 50 Jahren, dass in Frankreich drei Filme jeweils mehr als fünf Millionen Zuschauer gemacht haben. Bezeichnend ist, dass „Beating Hearts“, „Was ist schon normal?“ und „Monte Christo“ drei vollkommen verschiedene Filme sind, die sich in keiner Weise ähneln und die auch in keiner Weise anderen erfolgreichen französischen Filmen ähneln. Es sind drei Filme, die sehr stark für ein jeweils anderes Kino stehen. Ich bin fest überzeugt, dass das Publikum keine Lust auf die immer gleichen Filme hat. „Was ist schon normal?“ ist eine Komödie, die aber nicht den üblichen französischen Komödien ähnelt. „Beating Hearts“ und „Monte Christo“ sind Filme, die mit einer große cineastischen Ambition entstanden sind, die viel Geld gekostet hat. Das Publikum will nicht immer ähnliche Geschichten und ähnliche Filme sehen. Es will andere Geschichten sehen. Auch wenn es um Genrekino geht, will es, dass es anders gezeigt wird. Die Produzenten von „Monte Christo“ wie auch „Beating Hearts“ sind ein enormes finanzielles Risiko eingegangen, und ich freue mich sehr, dass beide Filme gut funktioniert haben. Das bestärkt hoffentlich auch andere Produzenten, verstärkt in ein anderes Kino zu investieren. Das europäische Kino braucht große Filme. Ich bin aufgewachsen mit großen Filmen aus Frankreich, Spanien, England, Deutschland und Italien. Wenn ich sehe, dass sich meine Kinder heute nur noch Marvel-Filme anschauen, finde ich das schon ein wenig traurig.

Das Gespräch führte Barbara Schuster.