Eine besondere Ehre nennt der langjährige Constantin-Vorstandsvorsitzende Martin Moszkowicz die Auszeichnung mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis. Im Interview spricht er über seine erfolgreiche Karriere und die FFG-Reform und verrät, dass er noch viel vorhat.
Ich erinnere mich, dass Sie 2017, beim 1. Carl Laemmle Preis, der an Roland Emmerich ging, in der Auswahljury saßen. Und überhaupt mehrere Jahre zur Auswahljury gehörten, phasenweise sogar den Juryvorsitz innehatten. Jetzt sind Sie selbst der Preisträger. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Martin Moszkowicz: Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Nachricht bekam, zumal ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Ich bin seit Jahren weder in die Jury noch den Preis selber eingebunden. Als Christoph Palmer ihn damals über die Produktionsallianz ins Leben rief, habe ich bei der Etablierung unterstützend geholfen, ein paar Gespräche geführt, auch mit den Erben von Carl Laemmle. Somit war ich etwas involviert. Ich fand und finde den Preis eine gute Initiative, weil er die einzig wirklich dezidiert für Produzenten – filmunabhängig – ausgelobte Ehrung in Deutschland ist. Zu dem Zeitpunkt, als ich von der Auszeichnung erfuhr, war ich gerade in Japan auf Geschäftsreise. Bei dem Anruf von Björn Böhning dachte ich erst, es ginge um ein filmpolitisches Thema. Umso größer war die Freude…
Der Preis feiert ein „herausragendes Lebenswerk“…
Martin Moszkowicz: Richtig. Und bei allem Respekt vor dem Preis, mein Lebenswerk ist noch nicht ganz fertig. Ich arbeite noch daran. Ich befinde mich lediglich in einem neuen Abschnitt meines beruflichen Lebens.
Ein Preis für ein Lebenswerk bedingt dennoch irgendwie die Frage nach der Bilanz eines Lebenswerks. Wie fällt Ihre Bilanz aus, auch wenn sie eher eine Zwischenbilanz ist?
Martin Moszkowicz: Das ist für mich schwer zu beantworten. Das müssen eher andere machen. Ich weiß nur eines: Mein gesamter beruflicher Werdegang ist in drei Phasen gegliedert. In meine Anfangszeit als Produzent, auch durchaus die ersten Jahre bei der Constantin, in denen ich produzentisch tätig war mit Filmen wie „Salz auf unserer Haut“ oder „Der bewegte Mann“. Dann folgte ein großer Zeitraum von fast 25 Jahren, in denen ich im Management der Firma tätig war, zunächst als Geschäftsführer, dann als Vorstand und die letzten zehn Jahren als Vorstandsvorsitzender. Jetzt ist die dritte Phase aktuell, eine Phase, in der ich wieder produzentisch tätig bin. Ein Dreiakter, wie sich das im Film gehört. Aktuell befinde ich mich am Beginn des dritten Aktes. Eine Bilanz in dem Sinn kann ich also nicht ziehen.
„Bin ich schön?“ hat einen besonderen Stellenwert für Martin Moszkowicz, weil er bei dieser Produktion seine Frau, Filmemacherin Doris Dörrie, kennengelernt hat (Credit: IMAGO / United Archives)
Aber was war Ihnen beruflich bis dato am Wichtigsten?
Martin Moszkowicz: Auch das kann ich nur schwer beantworten. Nach dem plötzlichen und viel zu frühen Tod von Bernd Eichinger erlebte die Constantin eine echte existenzielle Krise. Das hing damit zusammen, dass Bernd eine so unglaubliche Persönlichkeit und die Firma auch in der Außenwirkung stark mit ihm verbunden war… Die Tatsache, dass er nicht mehr da war, bedeutete ein echtes Risiko für die Constantin. Ich bin sehr stolz, dass wir es mit Hilfe des gesamten Teams geschafft haben, die Firma auf eine wirtschaftlich fundierte Basis zu stellen. Das ist sicherlich eine meiner Hauptleistungen. Die Constantin hatte in den zehn Jahren, in denen ich Vorstandsvorsitzender sein durfte, die wirtschaftlich besten Jahre ihrer Geschichte.
Sie selbst waren in ihrer eindrucksvollen Karriere an über 300 Produktionen, national wie international, beteiligt. Ist man denn auf die eine mehr stolz als auf die andere?
Martin Moszkowicz: Meine Beteiligung an der Menge an Produktionen war ja ganz unterschiedlicher Natur. Ich kenne die Zahl und weiß auch, dass sie stimmt. Aber es gibt große Unterschiede von Film zu Film. Manche Filme habe ich initiiert und begleitet, hands on produziert, andere sind unter meiner Verantwortung entstanden, bei denen ich grünes Licht gegeben habe und als Executive Producer oder Koproduzent tätig war. Es ist also schwer, alle gut 300 Projekte über einen Kamm zu scheren. Und klar, bei so vielen Produktionen gibt es manche, die besser waren, und manche, die nicht so gut waren. Film ist ein lebendes Medium. Wir machen keine Microchips, die genau berechenbar sind. Es fällt mir schwer, die Filme auseinanderzudividieren. Ich stehe zu allen Produktionen, die wir gemacht haben. Auf einer persönlichen Ebene war sicherlich „Bin ich schön?“ der wichtigste Film, weil ich da meine Frau kennengelernt habe.
„Wir müssen die Reform im Vollpaket schaffen, nicht nur im Teilpaket“
Bis vor wenigen Monaten waren Sie noch Vorstandsvorsitzender der Constantin Film AG. Dieses Amt haben sie nach zehn Jahren an Oliver Berben abgegeben. Der Branche bleiben Sie als Produzent erhalten – unter dem Dach Ihrer „alten“ Firma. Begreifen Sie sich als Produzent jetzt anders, wo Sie nicht mehr Chef eines großen Unternehmens sind? Was kickt Sie heute noch daran?
Martin Moszkowicz: Der Grund, warum ich mich vor vielen Jahren für diese Branche entschieden habe, ist, dass mich die Arbeit mit Künstlern, mit Themen, Stoffen, Geschichten fasziniert hat. Genau das mache ich jetzt wieder. Natürlich ist es eine andere Tätigkeit als das, was man als Vorstandsvorsitzender einer großen Firma macht, einer Firma, die sich in den 24 Jahren seit dem Börsengang ja auch massiv verändert hat, gewachsen ist mit heute über 1000 Mitarbeitenden und in ganz vielen Bereichen aktiv ist. Die Constantin steht nicht nur für Kino, sondern auch Fernsehen, Streaming, für deutsche Projekte, internationale, realisiert in verschiedenen Ländern auf der Welt. Die Arbeit hat eine andere Qualität, wenn man Projekte managt, überwacht und verantwortet, als wenn man an einem einzelnen Projekt, projektbezogen und im Detail arbeitet.
Welche Stoffe interessieren Sie? An was arbeiten Sie denn bereits?
Martin Moszkowicz: Es macht unglaublichen Spaß, wieder projektbezogen zu arbeiten und neue Projekte aufzubauen. Ich hatte am 29. Februar meinen letzten Tag als Vorstandsvorsitzender der Constantin und habe am 1. März mit einer Reihe von Projekten angefangen, die ich demnächst vorstellen werde. Aktuell ist es noch ein bisschen zu früh, mehr darüber zu verraten. Für mich ist es extrem erfüllend und aufregend und ich bin der Firma dankbar, dass sie mir die Chance gewährt, diese Produktionen herzustellen. Die Constantin braucht Filme, und ich hoffe, dass ich dazu ein bisschen beitragen kann mit Filmen, die besonders gut und erfolgreich sind und die Firma weiter nach vorne pushen. Im Moment ist alles großartig.
Können Sie wenigstens verraten, ob Sie eher Kino machen werden oder auch für Fernsehen und Streaming produzieren?
Martin Moszkowicz: Man soll nie etwas ausschließen in unserer Branche. Aber ich will mich schon auf Kinospielfilme konzentrieren. Zum Großteil, etwa zu zwei Drittel, auf deutschsprachige Produktionen und zu einem Drittel auf englischsprachige. Ich möchte mir die internationale Ausrichtung, die sich meine ganze Karriere durchzieht, erhalten glaube, dass meine internationalen Kontakte und das Know-how etwas zum Erfolg der Firma beitragen können.
Ist es denn eine gute Zeit für Produzentinnen und Produzenten in Deutschland? Noch herrscht eine gewisse Planungsunsicherheit im Zuge der FFG-Reform. Wie sehen Sie das? Sind Sie zuversichtlich, dass am 1. Januar 2025 alles steht?
Martin Moszkowicz: Als Disclaimer vorneweg: Es ist nie einfach, Filme zu machen. Es ist immer kompliziert und schwierig. Einfache Zeiten gab es noch nie, man schaut nur manchmal zurück und denkt, dass es leichter war. Die Situation im Augenblick in Bezug auf die Filmförderung ist unbefriedigend. Die Constantin Film arbeitet intensiv daran, ich auch persönlich, dass wir es als Branche hinbekommen, zum 1. Januar 2025 eine belastbare, wettbewerbsfähige, international ausgerichtete Neustrukturierung der Filmförderungslandschaft haben werden. Ich hoffe sehr, dass es klappt. Jede Verzögerung wäre desaströs, weil wir in einem Geschäft sind, in dem man vorplanen muss. Mehr noch wie in Deutschland gilt das für die großen internationalen Produktionen, die in sehr viel mehr und komplexe Sachzwänge eingebettet sind. Doch ich bin grundsätzlich Optimist. Auch hier bin ich optimistisch, dass es uns gelingen wird. Die Signale, die wir aus den Ländern und den Ministerien bekommen, sind durchaus positiv. Aber es ist ein dickes Brett, das hier gebohrt werden muss. Und es ist eine riesige Aufgabe in relativ kurzer Zeit. Für den Standort Deutschland als Produktionsstandort in einem weltweiten Wettbewerb und die deutsche Medienlandschaft ist es wirklich existenziell wichtig, dass wir diese Reform hinbekommen.
Von Anfang an mit Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung?
Martin Moszkowicz: Es ist aus unserer Sicht entscheidend, dass man es im Vollpaket schafft und nicht nur im Teilpaket. Sonst werden die Probleme nur aufgeschoben. Vieles geht Hand in Hand. Anreizmodell auf der einen Seite, Investitionsverpflichtung und Rechterückbehalt auf der anderen Seite sind wirklich wichtig, um diese Landschaft in das nächste Jahrzehnt zu katapultieren. Alles ist verzahnt miteinander, deshalb ist es so komplex. Ich habe großes Vertrauen in die Produktionsallianz und die anderen an den Verhandlungen beteiligten Institutionen. Wenn wir es nicht hinbekommen, hat das Konsequenzen. Viele Produktionen müssten geschoben werden, es hätte schreckliche Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse in der Branche, es hätte Auswirkungen auf die Planungen für die Zukunft. Man sieht in den Ländern, in denen es solche Lücken in der Förderpolitik gegeben hat, dass es Jahre braucht, bevor man dieses Vertrauen und die Verstetigung wieder einführen kann. Uns muss es einfach gelingen, wir müssen es schaffen.
„Das Constantin-Team ist das beste Team, das es gibt!“
Neben der Filmförderreform beschäftigt die Branche auch das Thema KI. In der Schwäbischen Zeitung sagten Sie, dass KI die Geschäfte der Filmbranche bereichern wird. Wo ist Ihrer Meinung nach der Einsatz vernünftig, wo nicht?
Martin Moszkowicz: Es ist wichtig, dass man KI nicht verteufelt, sondern die s Möglichkeiten und Chancen umarmt. KI wird unsere Branche in allen Bereichen betreffen und betrifft sie zum Teil schon. Ich rate allen Beteiligten, die Emotionen runterzufahren, weniger angstgetrieben zu reagieren. Das ist für diesen Bereich nicht die richtige Herangehensweise. KI und alles, was damit zu tun hat, passiert. Man kann sich dagegenstellen, die Arme verschränken und sagen: Ich will nicht. Das ist der falsche Weg. KI ist kein nationales Phänomen, sondern ein weltweites Thema. Die dazugehörigen Softwarelösungen sind im Markt und werden ständig verbessert und verändert. Meiner Meinung nach ist es sinnvoll, diese Neuerungen in einem positiven Sinne mitzugestalten. Wo jeweils die Grenzen sind, ist sehr detailgetrieben. Dass bestimmte Berufe wegfallen oder ersetzt werden können, sehe ich nicht. Genauso, wie sich Ihr Beruf in den letzten 30, 40 oder 80 Jahren verändert hat, genauso verändert sich unsere Branche. Viele Filme, die wir machen bestehen schon aus KI-generierten Teilen. Ich sehe das als Hilfsmittel. Genauso wie ein elektronischer Rhythmusgeber nicht den Schlagzeuger ersetzt hat, sondern der moderne Schlagzeuger heute einfach nur auch Rhythmusgeräte benutzt, genauso wird in Zukunft der moderne Filmemacher KI-getriebene Softwarelösungen verwenden. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass man die Qualität des göttlichen Funkens, der im Zentrum jeder Idee steht, nur schwer mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen ersetzen kann. Menschen lassen sich in diesem Prozess nicht wegrationalisieren. Das ist auch nicht Sinn der Sache. Mit KI wird unser Schaffensprozess einfach um ein Tool ergänzt. Dieser Prozess wird uns die nächsten Jahre begleiten. Die Entwicklung wird man nicht aufhalten können. Deshalb ist es sinnvoll, sie mitzugestalten. Die Filmbranche ist eine Zukunftsbranche, ist volkswirtschaftlich von großer Bedeutung ist. Da wäre es nicht sinnvoll, einen Bereich wie KI auszuklammern.
Wie sehen Sie die Constantin jetzt aufgestellt?
Martin Moszkowicz: Ich freue mich, dass Constantin in guten Händen ist und dass Oliver Berben und sein Vorstandsteam sich so proaktiv und professionell an die Arbeit gemacht haben. Sie stehen vielen Herausforderungen gegenüber, wie alle Firmen in der Branche. Aber ich kann gut schlafen, weil ich weiß, dass sich die Firma in so guten Führungshänden befindet. Und vom Constantin-Team muss man nicht reden. Weil es das beste Team ist, das es gibt!
Das Gespräch führte Barbara Schuster
Spotlight:
Carl Laemmle Produzentenpreis
Die Verleihung des Carl Laemmle Produzentenpreis 2024 findet am 16. Mai im Rahmen einer feierlichen Gala in Laemmles Geburtsstadt Laupheim statt. Der Preis ist eine Auszeichnung von der Produktionsallianz und der Stadt Laupheim. Martin Moszkowicz wurde einmütig durch die zehnköpfige Jury zum diesjährigen Preisträger ernannt. In der Jurybegründung heißt es: „Ganz in der Tradition des Namensgebers Carl Laemmle steht Martin Moszkowicz für die internationale Ausrichtung der ‚fünften Kunst‘. Er verbindet hohen künstlerischen Anspruch mit wirtschaftlichem Sachverstand und Instinkt für kommerzielle Stoffe und weiß Marketing und (Welt-)Vertrieb als unersetzliche Instrumente erfolgreicher Filme hoch erfolgreich einzusetzen.“