Das österreichische Kinoabo Nonstop feiert in diesen Tagen seinen zweiten Geburtstag. Wir sprachen mit Geschäftsführer Martin Kitzberger darüber, ob sich die Erfolgsstory der ersten Monate fortgesetzt hat und was man sich für 2025 mit einem aus den Niederlanden stammenden Modell vorgenommen hat, das in Deutschland vor gut einem halben Jahr unter dem ursprünglichen Namen Cineville gestartet wurde.
Rund zwei Jahre liegt der Launch von Nonstop nun zurück – und der Start war von großem Medienecho begleitet. Konnte man in der Folge denn weiter präsent bleiben?
Martin Kitzberger: Wir waren ausgesprochen positiv überrascht vom Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit, die wir zum Start erfahren haben. Das war vielleicht auch eine Frage des Timings. Das Thema, wie sich Branchen wie die unsere überhaupt von Corona erholen können, war noch extrem präsent, ebenso wie die Schlagzeilen über ein angebliches Kinosterben. In dieser Situation konnten wir mit einer positiven Botschaft aufwarten, mit einer neuen Idee dagegenhalten, Zuversicht verbreiten und nach vorne blicken. Ich denke, das hat durchaus dazu beigetragen, dass unser Vorhaben so hohe Wellen schlug. Die große Aufmerksamkeit hat beim Launch natürlich geholfen. Wir sind, was die Abozahlen betrifft, schneller gestartet, als wir das im Vorfeld gedacht hatten. Aber ich muss zugeben, dass wir zuletzt nur vergleichsweise wenig Zeit für klassische Pressearbeit aufwenden konnten, wir haben uns eher auf Social Media fokussiert. Wir sind ja doch ein kleines Team mit begrenzten Ressourcen. Aber zum zweiten Geburtstag werden wir sicherlich wieder breiter streuen.
Mit rund 10.000 Abonnent:innen könne sich der Verein voraussichtlich selbst tragen, hieß es rund um den Start: Wo steht man auf dem Weg zu dieser Marke?
Martin Kitzberger: Ehrlicherweise müssen wir diese Marke aufgrund der innerhalb der vergangenen zwei Jahre an allen möglichen Stellen gestiegenen Kosten – unter anderem jenen für die Integration mit den Kassensystemen – mittlerweile etwas höher ansetzen, bei etwa 11.000. Aber die gute Nachricht ist: Wir sind mit rund 9800 abgeschlossenen Abos schon sehr nahe dran – und werden uns im März zumindest schon einmal vorübergehend über der Marke von 10.000 bewegen.
„Uns ging es nie darum, einfach nur nach ‚All You Can Eat‘-Manier zum Kinobesuch anzuhalten“
Wieso „vorübergehend“?
Martin Kitzberger: Wir hatten im Weihnachtsgeschäft sehr viele Gutscheine für Abos mit viermonatiger Laufzeit verkauft, die im April automatisch enden und von denen wir bestenfalls einen Teil nahtlos in neue Abos werden überführen können. Zumal wir jetzt auch bei uns beobachten können, was schon die Erfahrungen aus den Niederlanden zeigten: Viele Nutzerinnen und Nutzer, die kein Jahresabo wählen, tendieren dazu, im Sommer zu pausieren und sich vor allem auf Herbst und Winter zu fokussieren. Das gilt vor allem für Studierende, die die Semesterferien für ausgedehnte Reisen nutzen. Wir gehen davon aus, dass wir im Sommer weniger aktive Abos haben werden als derzeit, dass wir uns ab Herbst dann aber wieder über die 10.000 schwingen.
Lässt sich ungefähr abschätzen, wie viele der Geschenkabos in einer langfristigeren Bindung münden?
Martin Kitzberger: Leider noch nicht, da wir diese Gutscheine erst seit Ende vergangenen Jahres anbieten. Aber das ist eine spannende Frage, der wir uns künftig widmen wollen – wie auch jener, wie viele Nutzerinnen und Nutzer „temporär“ kündigen. Entsprechende Daten auszuwerten, wird eines unserer Sommerprojekte werden.
Wie vergleicht sich das Durchschnittsalter der Nonstop-Nutzer mit jenem von Cineville in den Niederlanden?
Martin Kitzberger: Wir liegen beim Durchschnittsalter jetzt bei 30. Das ist tatsächlich sogar etwas höher als in den Monaten unmittelbar nach Launch; es hat sich schon gezeigt, dass junge Menschen bei so einem Angebot die „first mover“ sind. Grundsätzlich sehen wir, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer im Schnitt ein wenig jünger sind als jene in den Niederlanden, Belgien oder auch Deutschland. Ich denke das liegt daran, dass wir „Nonstop“ als Marke von Anfang an etwas jünger positioniert haben als Cineville, insbesondere unsere Social-Media-Arbeit ist stark auf die jüngere Generation ausgerichtet. Das heißt aber nicht, dass das Nonstop-Publikum nicht gemischt wäre, gerade bei den Events sehen wir häufig, wie gut die Altersgruppe 70+ vertreten ist.
Die Liste der exklusiven Events ist mittlerweile schon sehr ansehnlich. Welche Rolle nehmen sie im Gesamtangebot ein – und wie ist die Resonanz darauf?
Martin Kitzberger: Diese Events sind ein ganz wichtiger Teil unserer Philosophie. Insbesondere jene Veranstaltungen, in deren Rahmen wir zum direkten Austausch mit Filmschaffenden einladen können. Uns ging es nie darum, einfach nur nach „All You Can Eat“-Manier zum Kinobesuch anzuhalten, lediglich eine Art Netflix für die große Leinwand zu werden. Es geht nicht um die bloße Flatrate. Sondern es geht um Community-Building, um Austausch; es geht auch darum, einen anderen Zugang zu den Filmen und idealerweise auch den Filmschaffenden zu ermöglichen. Diese Angebote stoßen auf ausgesprochen gute Resonanz einer Community, die wirklich wissbegierig ist: Unlängst hatten wir ein Filmgespräch zum Erstlingswerk „Zwischen uns Gott“, das sich über mehr als eineinhalb Stunden zog, obwohl das Screening erst gegen 22 Uhr endete… Diese Events sind eigentlich auch stets ausverkauft, teilweise haben wir eine viel höhere Nachfrage, als wir Plätze anbieten können. Das galt zuletzt insbesondere für eine Preview von „Der Brutalist“ im Gartenbaukino, zu der sich gut ein Zehntel aller Abonnentinnen und Abonnenten angemeldet hatte – weit über 1000. Wir konnten leider nur 500 Plätze vergeben, aber das war ein echtes Highlight.
Auch aus einem anderen Grund, nehme ich an…
Martin Kitzberger: Dass es uns Ende vorigen Jahres gelungen ist, auch Universal mit ins Boot zu holen – und wir dann gleich ein Event zu einem so großartigen Film aufsetzen konnten – war eine wunderbare Weihnachtsüberraschung. Es war nicht so, als sei man uns dort nicht grundsätzlich gewogen gewesen. Es ging aber darum, Vertrauen aufzubauen, zu zeigen, dass dieses Modell langfristig funktioniert – und zu demonstrieren, dass die Abrechnung nicht nur völlig transparent ist, sondern dass der Abrechnungsbetrag auch der Entwicklung folgt.
Nun ist „Der Brutalist“ ein veritabler Arthouse-Hit – aber gelingt es denn auch in Österreich, die Aufmerksamkeit auf Filme zu lenken, die im normalen Grundrauschen unterzugehen drohen?
Martin Kitzberger: Ich denke, das kann man auf jeden Fall feststellen, insbesondere wenn man auf die Hitlisten der von den Nonstop-Mitgliedern gesehenen Filme blickt. Aktuell erleben wir, dass viele künstlerisch herausragende Filme aus dem österreichischen und europäischen Schaffen beim Nonstop-Publikum eine besondere Resonanz finden. Spielfilme wie „Mond“ von Kurdwin Ayub oder der Dokumentarfilm „Favoriten“ von Ruth Beckermann wurden hier besonders geschätzt. Auch Titel wie „The Outrun“ oder „Queer“ haben sich bei unseren Abonnent:innen als echte Favoriten erwiesen und deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten als im landesweiten Schnitt. Ich denke, dass wir diesen Effekt mit dem Ausbau der Community auch noch verstärken können, unter anderem wollen wir auch Austauschräume im digitalen Umfeld schaffen. An Ideen mangelt es uns nicht, es sind eher die begrenzten Ressourcen, die uns noch ein wenig ausbremsen.
„Der wichtigste Tipp war vielleicht jener, irgendwann einfach mal loszulegen“
Wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit des Angebots ist der Durchschnittsbesuch pro Abo. Liegt dieser nach zwei Jahren im Bereich der Erwartungen?
Martin Kitzberger: Wenn wir den kompletten Verlauf betrachten, dann liegen wir zwischen 2,4 und 2,5 Besuchen pro Monat – also quasi dort, wo es sich in den Niederlanden langfristig eingependelt hat und worauf wir von Anfang an abgezielt haben. Allerdings unterliegt dieser Schnitt sehr starken saisonalen Schwankungen: Im Januar, als viele attraktive Filme kamen und wir durch die Gutscheine zahlreiche neue Nutzer hatten, lagen wir im Schnitt bei rund 3,3 Besuchen, auch im Februar haben wir uns auf einem ähnlich hohen Niveau bewegt. Spätestens ab Mai sinken die Werte aber sehr deutlich, um dann im Herbst wieder anzusteigen – sodass es sich im Jahresmittel ausgleicht und wir insgesamt dort landen, wo unsere Erwartungen lagen und wo das System auch nachhaltig ist.
An den Start ist man mit 18 Kinos gegangen. Mittlerweile sind es 25, aber es gibt durchaus noch weiße Flecken auf der Landkarte. Was plant man in Sachen Expansion – und was ist die größte Hürde?
Martin Kitzberger: Die größte und auch entscheidende Hürde waren im vergangenen Jahr wirklich unsere beschränkten personellen Ressourcen. Wir sind einfach ein kleines Team, ich selbst war 2024 ein halbes Jahr in Elternzeit – aber wir wollen in diesem Jahr auch den Ausbau des Netzwerks wieder stärker in den Fokus nehmen, zumal uns seitens etlicher Häuser grundsätzliches Interesse signalisiert wird. Zum 1. März kommt mit dem Neuen Volkskino ein erstes Haus in Kärnten dazu, dann fehlen an Bundesländern noch Vorarlberg und das Burgenland. Gerade in Oberösterreich und der Steiermark gibt es noch etliche Kandidaten, die wir gerne dabeihaben würden. Ich denke, dass die Teilnahme von Universal noch einmal ein starkes Signal ist, dass auch auf Kinoseite zusätzliches Vertrauen in unser Modell schafft. Mittelfristig sehe ich jedenfalls absolut das Potenzial für mehr als 50 Mitgliedskinos.
In Deutschland ist Cineville im August vergangenen Jahres an den Start gegangen – und die Initiatoren haben stets den engen Austausch mit den Kollegen in den Niederlanden und Österreich betont. Welche Tipps konnten Sie ihnen denn geben?
Martin Kitzberger: Wir haben natürlich gerne versucht, so viel Wissen wie möglich weiterzugeben, insbesondere zu den häufigsten Fragen, die während der Startphase auftauchen. Der wichtigste Tipp war aber vielleicht jener, irgendwann einfach mal loszulegen. Da haben wir schließlich aus Erfahrung gesprochen, wir hatten ja auch Verzögerungen – und es war befreiend, dann loslegen zu können. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn man nicht alle Wunschkinos schon ab dem ersten Tag dabeihat und wenn manche Häuser einfach ein wenig später hinzukommen. Man muss auch an irgendeiner Stelle einen Cut machen. Man fühlt sich gerade in der Vorbereitungsphase geradezu in einem Orkan von Dingen, die man glaubt, gleichzeitig machen zu müssen – aber am Ende ist es eben ein langfristiges, ein stetig wachsendes Projekt, bei dem sich viele Dinge einfach im Lauf der Zeit ergeben. Insofern hoffe ich, dass wir nicht nur praktische Tipps, sondern auch emotionalen Support geben konnten. Und wir freuen uns, wie gut es in Deutschland offenbar läuft.
Wie begleitet man nun das bevorstehende Zweijährige – und was hat man sich für 2025 noch vorgenommen?
Martin Kitzberger: Es wird am 21. März auf jeden Fall ein Sonderevent für unsere Mitglieder im Gartenbaukino geben, bei dem die Community den Film aussuchen darf, auch eine kleine Party ist angedacht. Mit etwas Glück werden wir schon im April wieder neue Kinos in unseren Reihen begrüßen können, Ziel für 2025 ist jedenfalls, um etwa zehn Häuser zu wachsen – und natürlich jene Abozahl zu erreichen, ab der sich das Projekt von allein trägt. Da sind wir auf einem richtig guten Weg!
Das Gespräch führte Marc Mensch