Schauspielerin Marlene Tanczik stand für „Moon Unit“ erstmals hinter der Kamera – als Autorin und Regisseurin. Das Kurzfilmprojekt mit einem rein weiblichen Schauspiel-Ensemble wurde gerade in der Dresdner Neustadt abgedreht. Im Interview erzählt Tanczik, wie es dazu kam und warum „Moon Unit“ hoffentlich bald auch als Langfilm realisiert wird.

„Moon Unit“ erzählt die Geschichte einer Mutter-Tochter Beziehung und spielt dort, wo Sie selbst aufgewachsen sind: in Dresden-Neustadt, in den Nullerjahren. Hat also durchaus eine sehr persönliche Komponente. Wie entstand die Idee dazu?
Marlene Tanczik: Der Ausgangspunkt war, dass ich mich damit beschäftigt hatte, wie Nachwendekinder wie ich auch heute noch durch die deutsche Teilung geprägt sind. Ich hatte außerdem das Bedürfnis, aus der Dresdner Neustadt zu erzählen, weil es ein sehr besonderer Ort ist, über den man noch gar nicht so viel weiß. Dann habe ich mich bei der Drehbuchwerkstatt München beworben. Die Geschichte über die Mutter-Tochter-Beziehung, die „Moon Unit“ erzählt, hat sich dort herauskristallisiert. Schönerweise wurde „Moon Unit“ 2024 im Rahmen des Filmfest München mit dem Tankred-Dorst-Preis ausgezeichnet wurde. Der Preis war eine Bestätigung für mich, dass die Geschichte, die zwar eine persönliche ist und an einem sehr spezifischen Ort spielt, eine Relevanz hat und viele Menschen berührt.
„Moon Unit“ entstand als Drehbuch für einen Langfilm. Was steckt hinter der Überlegung, die Geschichte nun erst als Kurzfilm zu inszenieren?
Marlene Tanczik: Mein Co -Autor, Nils Hohenhövel, und ich hatten das Gefühl, schnell etwas aus dem Stoff machen zu wollen. So entstand die Idee zum Kurzfilm, den wir gemeinsam auf eigene Faust nun auch produzieren. Jeder weiß, dass die Umsetzung eines Langspielfilms viel aufwändiger ist, man Förderentscheidungen abwarten, einfach mit anderen Hürden umgehen muss. Wir wollten diesen Stoff, diese Welt und ihre Figuren nehmen und sie in einen in sich geschlossenen Bogen nach unseren ganz eigenen künstlerischen Vorstellungen zum Leben erwecken. Und natürlich darf der Kurzfilm auch als Proof of Concept für den Langfilm dienen, den es dann hoffentlich auch bald gibt. Der Prozess hat sich im Rückblick sehr organisch angefühlt – es war zwar gar nicht leicht, die Geschichte in einen Kurzfilm zu gießen, aber wir erzählen jetzt einen Bogen, der den Kern der Geschichte widerspiegelt. Auch die Entscheidung, dass ich die Regie übernehme, fühlte sich richtig an. Dabei ging es uns auch um ostdeutsche Repräsentanz.

Sicher sind bei einem Kurzfilm die Hürden niedriger als bei einem Langfilm, aber auch ein Kurzfilm will produziert werden. Vor welchen Herausforderungen standen Sie?
Marlene Tanczik: Es ist natürlich viel Arbeit. Entscheidungen bei Förderungen stehen noch aus. Wir haben via Crowd Funding Geld gesammelt und die Mittel des Tankred-Dorst-Preises eingebracht. Ich bin froh, dass wir ein so tolles Team, vor und hinter der Kamera, zusammenstellen konnten, die offen für unser Projekt waren. Bei einem Debüt geht es nicht ohne Vertrauensvorschuss von etablierten Kreativen, die sich für eine gute Geschichte auf so ein Unterfangen einlassen – da hatten wir oft viel Glück. Allein schon der Castingprozess war ganz besonders. Hier wurden wir unterstützt von Karimah El-Giamal und Karl Schirnhofer. Dank ihnen haben wir ein tolles Ensemble um Mariella Aumann als Hauptdarstellerin zusammenstellen können. In der Auswertung wird uns Armin Schneider von der ytf Berlin beraten. Und dann mal schauen, wo uns die Reise mit diesem Film hinführt.
Den speziellen Drehort Dresden-Neustadt hatten Sie angesprochen. Was zeichnet ihn aus?
Marlene Tanczik: Mit dem Projekt ist mir generell wichtig, vielfältigere Lebensrealitäten aus dem Osten zu zeigen. Gerade auch nach der Wende. „Moon Unit“ ist lautes und buntes Coming-of-Age. Dresden ist keine große Drehstadt. Vielleicht waren die Leute deswegen hier so offen und wohlwollend gegenüber unserem Projekt. Wir haben sehr viel Unterstützung bekommen, was Kooperationen angeht, Unterkünfte, Catering etc. Nur dadurch war es uns überhaupt möglich, mit den begrenzten Mitteln zu drehen. Die Dresdner hatten Lust, dabei zu sein. Das war sehr schön zu erleben. Die Dresdner Neustadt ist ein sehr alternatives Stadtviertel, eher links-grün – ein sehr gemeinschaftlicher, solidarischer Ort – und das überträgt sich auch auf unser Projekt.

Wie begreifen Sie sich in der neuen Rolle der Regisseurin?
Marlene Tanczik: Ich verstehe mich als Teamplayer. Klar, bin ich die Spielleiterin am Set, muss Entscheidungen treffen. Das ist für die Umsetzung meiner künstlerischen Vision unabdingbar. Dennoch bin ich auch offen für Ideen. Film ist Teamwork, alle Gewerke und der Cast müssen an einem Strang ziehen. Die besondere Magie entsteht nur, wenn alle ihr Bestes geben, um gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Und natürlich hilft mir auch meine Erfahrung als Spielerin beim Inszenieren.
Können Sie sich vorstellen, weiter als Filmemacherin zu arbeiten?
Marlene Tanczik: Total. Es ist für mich natürlich aufregend, die eigenen Geschichten oder Geschichten, die andere geschrieben haben, zum Leben erwecken zu können. Die Arbeit hinter der Kamera ist eine ganz andere als vor der Kamera. Sie eröffnet mir andere Perspektiven, fordert mich aber auch heraus. Ich habe aus der Regieerfahrung auf alle Fälle schon was mitnehmen können fürs Spiel – und als Spielerin nehme ich auch immer was aus der Regie mit. Ich würde gerne beides weiterführen – aber letztlich ist es mein größtes Anliegen, wichtige Geschichten erzählen zu können.
Das Gespräch führte Barbara Schuster
Spotlight:
Marlene Tanczik & „Moon Unit“
Marlene Tanczik kann auf eine vielfältige Filmographie als Schauspielerin blicken (u.a. „Paradise“, „Die Toten am Meer“, „Feste & Freunde“ „Vienna Game“). Der Kurzfilm „Moon Unit“ über eine Mutter-Tochter-Beziehung in der Dresdner Neustadt der Nullerjahre ist nun ihr Debüt hinter der Kamera. Das Drehbuch (zusammen mit Nils Hohenhövel) ist an den Langfilm-Stoff angelehnt, für den Marlene Tanczik 2024 beim Filmfest München mit dem Tankred-Dorst-Preis ausgezeichnet wurde. Die Kamera übernahm Jonas Schneider („Rave On“, „Youth Topia“) und die Produktion wurde von Co-Autor Nils Hohenhövel geleitet. Für das rein weibliche Schauspiel-Ensemble konnten Mariella Aumann („Dark“, „Jupiter“), Sarina Radomski („Unterleuten – Das zerrissene Dorf“, „Mels Block“), Flavia Berner („Young Crime“) und Mina-Giselle Rüffer („Sonnenplätze“, „Was wir fürchten“) gewonnen werden.
Gefördert wird das Projekt von der Stadtteilförderung Dresden Neustadt. Das Projekt entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Angehöriger psychisch erkrankter Menschen e.V.