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Marco Petry zu „Spieleabend“: „Immer dranbleiben, drinbleiben“

„Spieleabend“ von Marco Petry ist das aktuelle deutsche Filmhighlight bei Netflix. Anlässlich der Weltpremiere beim 41. Filmfest München haben wir mit dem Filmemacher darüber gesprochen, warum nichts schwerer ist als das Leichte. 

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Filmemacher Marco Petry (Credit: Wolf Lux)

Was war für Sie das Ziel, als Sie mit „Spieleabend“ begonnen haben?

Marco Petry: Der Film sollte zunächst einmal lustig und unterhaltsam werden. Das war das primäre Ziel. Aber natürlich wollten wir auch mehr. Natürlich sollte „Spieleabend“ auch Substanz haben, auf liebevolle, aber auch kritische Weise auf seine Figuren blicken und die Welt, in der sie leben. Wir wollten auch etwas erzählen über Klassenunterschiede, wenn sie auch geringfügig erscheinen mögen, und wie es ist, wenn sie aufeinandertreffen, wenn ein Neuling auf eine eingeschworene Gruppe trifft. Und wohin das eskalieren könnte. 

Nennen wir es eine Gesellschaftskomödie. Eine in Deutschland beliebte und auch sehr erfolgreiche Form: Man erkennt sich in den Figuren und Situationen wieder. Was hebt „Spieleabend“ ab, was macht den Film eigenständig?

Marco Petry: Unser Drehbuchautor Claudius Pläging ist sehr gut darin, was kleine, sehr scharfe Beobachtungen angeht. Er beschreibt das ungeheuer treffend. Das macht sich in vielen Momenten fest. Wenn Jan zum ersten Mal den Raum betritt und wie er da abgecheckt wird, wie da sofort peinliche Stellen entstehen. Das fängt im Kleinen an, da wird sozusagen die Saat gesät für die spätere Eskalation der Situation, auf die der Film zusteuert. Ich finde interessant, dass man damit ein Bedürfnis beim Zuschauer bedient. Man will diese Eskalation. Es wird immer physischer, die Leute rasten immer mehr aus. Das ist der Kern, darum geht es. 

„Es muss ja immer auch leicht wirken, niemals schwerfällig oder bemüht, es darf nicht durchhängen.“

Aber das ist ja nicht alles.

Marco Petry: Richtig. Das ist es dann auch, was „Spieleabend“ seine ureigene Identität gibt. Gleichzeitig bedient man immer noch andere komische Farben, jongliert man viele verschiedene Bälle, für jede Figur gibt es sozusagen einen eigenen Ton. Das alles in Form zu gießen, die verschiedenen Einzelteile rund wirken zu lassen, war zum einen das Spannende an der Arbeit, aber wohl auch das Besondere. Zumindest habe ich das als primäre Herausforderung angesehen. Es muss ja immer auch leicht wirken, niemals schwerfällig oder bemüht, es darf nicht durchhängen.  

Gibt es dafür eine Strategie?

Marco Petry: Ich stecke viel Zeit und Energie in die Drehbuchentwicklung. Was bei einer solchen Komödie im Drehbuch nicht funktioniert, kriegt man auch später nicht geklärt. Der fertige Film kommt der Drehfassung sehr, sehr nahe, weil doch alles genau durchdacht ist, die Ausgewogenheit stimmt. Darüber muss ich mir beim Dreh kaum mehr Gedanken machen, sondern eher bei der Umsetzung darauf achten, dass man nahe am Text bleibt. Es ist klar, was der Hauptstrang ist. Läuft er gut durch? Ist er immer präsent? Weichen wir nie zu sehr davon ab? Verteilen sich die anderen Kleinigkeiten gut darum herum? Stimmt die Ausgewogenheit? Das ist der große Kampf bei der Bucharbeit. Der Rest ist dann konzentrierte Arbeit am Set. 

Worin bestanden die besonderen Herausforderungen bei der Drehbucharbeit, in die Sie selbst stark eingebunden waren?

Marco Petry: Bei „Spieleabend“ war unser entscheidender Kampf ziemlich am Anfang, weil wir uns ständig überlegt haben: Reicht das? Trägt diese Prämisse? Ist das genug? Wir haben uns viele Gedanken über die Beziehung von Jan und Pia gemacht, weil uns klar war, dass sie das Zentrum des Films ist. Sie musste funktionieren, glaubwürdig sein, wenn man will, dass alles andere funktioniert. Man muss ihnen die Daumen drücken und wollen, dass sie diesen Abend gemeinsam bestehen. Die Beziehung muss ein gewisses Gewicht haben, es muss beiden ernst sein. Gleichzeitig dürfen sie einander auch noch nicht zu gewiss sein. Letzten Endes sind wir als Erzähler gemein, weil es unser Ziel sein muss, die Beziehung auf den Prüfstand zu stellen. Ist ihre Liebe groß genug, einen solchen Abend zu überstehen? Dem Stoff und den Figuren habe ich blind vertraut. Man muss nur gut aufpassen, nicht zu überdrehen.

Wie frei sind Ihre Schauspieler am Set? Wie eng bleiben Sie am Drehbuch?

Marco Petry: Man muss sich nicht sklavisch an den Text halten. Die Schauspieler müssen ihn sich zu eigen machen, um wirklich in ihren Rollen zu leben. Aber man muss auch festhalten: Claudius Pläging schreibt sehr gute Dialoge. Man kann sich auch sehr gut einfach an sie halten. Das Drehbuch gibt mir Orientierung beim Dreh, es ist der Wegweiser. Ich weiß, was das Ziel ist, welche Wirkung ich haben will. Das ist alles im Skript festgehalten. Zu weit vom Weg darf man also nicht abweichen, weshalb ich nur bedingt ein Fan von Improvisation bin. Die Kunst besteht darin, dass es nicht so wirken darf wie vom Reißbrett, aber ich habe es schon gerne schnell getaktet. Und der Rhythmus ist im Drehbuch vorgegeben. Der Fluss muss da sein.

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Marco Petry und Dennis Mojen bei der Premiere des Netflix-Films „Spieleabend“ auf dem 41. Filmfest München (Credit: Imago / Future Image)

Welche Rolle spielt dann der Schneideraum bei Ihnen?

Marco Petry: Es ist viel Arbeit, viel Feinarbeit vor allem. Aber ich muss den Film nicht erst im Schneideraum finden. Mein Editor erstellt immer erst einmal seine eigene Fassung, ausgehend vom Drehbuch und dem geschossenen Material. Oft ist sie dann bereits stimmig. Oder ich muss intervenieren, weil ich den Schwerpunkt an anderer Stelle sehe. Dann muss man noch einmal ran. Aber ab dieser Stelle ist man dann schon sehr weit. Hier war es so, dass der Teufel im Detail steckte. Da muss man sehr fein arbeiten. Ein oder zwei Frames machen da manchmal die Welt aus. 

Wie viel Marco Petry steckt in „Spieleabend“?

Marco Petry: Der Film repräsentiert auf jeden Fall mein Selbstverständnis, meinen Anspruch, wie eine gute Komödie zu sein hat. Da ist „Spieleabend“ ein sehr guter Ausdruck davon, ein fast perfekter Ausdruck. Ich mag die Figurenzeichnung in diesem Film. Ich stehe voll und ganz hinter der Besetzung, mag ihr Spiel, ihr Zusammenspiel. Das alles entspricht mir, meiner Vorstellung, was einen guten Film ausmacht. 

Was die Frage folgen lässt, was Ihr Anspruch als Filmemacher ist.

Marco Petry: Lässt sich das generell formulieren? Puh. Das ist doch bei jedem Projekt anders, hängt immer von der jeweiligen Geschichte ab. Prinzipiell kann man vielleicht sagen, dass ich Filme für ein Publikum machen will. Ich will, dass meine Filme gesehen werden und dass das Publikum sich wohl in ihnen fühlt. Ich will die Leute, für die der jeweilige Film gemacht ist, auch erreichen. Sie sollen sich angesprochen fühlen. Das ist mein Anspruch. Ich will auf hohem Niveau abliefern. Es gibt eine gewisse Form des Storytellings, die ich schätze. Ich will das Publikum in meinen Filmen früh packen und dann nicht mehr loslassen. Man soll immer dranbleiben, drinbleiben, so sehr in der Geschichte involviert sein, dass man sich für die Dauer des Films selbst verlieren kann.

Das Gespräch führte Thomas Schultze.