SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Louise Courvoisier zu „Könige des Sommers“: „Die Provinz hat ein Anrecht auf Kinobilder“


Eine der schönsten Filmentdeckungen im vergangenen Jahr war „Könige des Sommers“ von Louise Courvoisier, der bei seiner Premiere in Cannes in Un Certain Regard den Jugendpreis gewinnen konnte und später Eröffnungsfilm des Filmfest Hamburg war. Jetzt ist Kinostart im Verleih von Pandora Film Verleih. Wir sprachen mit der Filmemacherin. 

Louise Courvoisier Koenige des Sommers scaled e x
„Könige des Sommers“-Regisseurin Louise Courvoisier (Credit: Pandora Filmverleih)

Sie selbst kommen aus dem Jura, wo Ihr Film spielt, sind dort aufgewachsen, leben immer noch in der Gegend. Wie viel von dem, was man in „Könige des Sommers“ sieht, entstammt Ihrer eigenen Erfahrung? 

Louise Courvoisier: Wir haben in dem Dorf gedreht, in dem ich aufgewachsen bin. Der Ort und die Landschaft sind präzise beschrieben, weil ich sie in und auswendig kenne. Bei den Figuren habe ich mehr so von den Erfahrungen meiner Jugend inspirieren lassen. Es kam mir sehr darauf an, dass die Figuren wie die Kulissen absolut authentisch sind. Nur so kann die Fiktion wirklich funktionieren: Das ist dann die Geschichte um den Käse, um den Comté. 

War die Authentizität des Gezeigten so wichtig, dass Sie die Geschichte um den Jura herum gebaut haben?

Louise Courvoisier: Mein Hauptinteresse galt der ländlichen Jugend. Sie wollte ich so darstellen, wie ich sie kennengelernt habe. Das Leben ist nicht leicht auf dem Land, es steckt voller harter Arbeit, auch für die Jugendlichen, die schon früh in die Landarbeit eingebunden werden. Aber meine Erinnerungen sind überwiegend positiv: Ich hatte eine tolle Jugend. Das Schöne, das Sonnige und Herrliche wollte ich genauso zeigen. Es ist eine Liebeserklärung, aber aus einer gewissen Distanz. Mir war es wichtig, ein anderes Frankreich zu zeigen, als das Frankreich, das man sonst im Kino zu sehen bekommt. Da dreht sich immer alles um Paris, Paris, Paris. Die Provinz hat aber genauso ein Anrecht auf Kinobilder. 

Gleichwohl haben Ihre Bilder eine große Universalität: Eine Jugend auf dem Land in Deutschland ist nicht grundlegend anders…

Louise Courvoisier: Das freut mich sehr, wenn Sie das so sehen. Wenn mir das gelungen sein sollte, ist das mehr, als ich mir jemals erträumt hätte. Natürlich erzähle ich von meinem Dorf, aber natürlich steht auch fest, dass die grundlegenden Probleme von Jugendlichen auf dem Land sehr ähnlich sind, auch wenn deutsche Jugendliche niemals Comté-Käse herstellen werden. Jungsein kennt offenbar keine Grenzen. 

Stand für Sie immer fest, dass Sie den Film auch mit Jugendlichen aus dem Jura drehen würden?

Louise Courvoisier: Da mir sehr an Authentizität gelegen war, wüsste ich überhaupt nicht, wie ich den Film mit Schauspieler:innen hätte machen können, die nicht von dort kommen. Wie hätte das funktionieren sollen? Ich hätte meinen Stoff betrogen, meine ureigene Idee verraten. Dass ich dann ausschließlich mit Laiendarsteller:innen gearbeitet habe, war aber auch nicht Teil meines Plans. Der Gedanke wäre mir verrückt erschienen. Erst als es dann an die Besetzung ging, merkte ich, dass es der einzige Weg sein würde. Selbst wenn man die Sprache nicht versteht, die im Jura sehr eigen ist, viele ganz spezifische Ausdrücke hat, wie beispielsweise auch der Originaltitel, „Vingt Dieux“, so spürt man doch, dass die Menschen im Jura ganz eigen sind, ein völlig anderes Leben führen und anders reden als Großstädter. 

„Da mir sehr an Authentizität gelegen war, wüsste ich überhaupt nicht, wie ich den Film mit Schauspieler:innen hätte machen können, die nicht von dort kommen.“

Louise Courvoisier

Haben Sie sich eng ans Drehbuch gehalten?

Louise Courvoisier: Alles war aufgeschrieben, aber es war dann nur ein Leitfaden für mich und meine Schauspieler:innen. Sie sollten sich frei ausdrücken können, nichts sollte gestelzt oder gestellt wirken. Sie mussten die Dinge in ihre eigenen Worte fassen können. Ich wollte, dass sie die Rollen fühlen, und das geht nur, wenn sie so sprechen, wie sie es tun. Diese Freiheit war also immer gegeben. 

Wie sah Ihr Prozess aus?

Louise Courvoisier: Die wichtigste Arbeit war die Besetzung, die dann auch die meiste Zeit in Anspruch genommen hat. Ich habe mir viele Jugendliche angesehen und wusste eigentlich immer schon, wenn sie ins Zimmer kamen, dass sie die jeweils Richtigen für ihre Rollen waren. Das war einfach so. Wichtig war mir dann auch, dass der Dreh selbst, wenn sie also das erste Mal vor dem Drehteam vor die Kameras traten, nicht ihre erste Erfahrung mit der Rolle und den anderen Darsteller:innen sein sollte. Wir haben also viel miteinander an den Drehorten geprobt, die Szenen erarbeitet. Sie sollten sich bereits kennen. Sie sollten sich wohl fühlen und wissen, was sie erwartet. Improvisiert haben wir eigentlich nicht viel. Es war schon auch gut für alle, innerhalb des vom Drehbuch gesteckten Rahmens zu arbeiten. Nur bei den Dialogen war ich dann doch so frei, recht frei zu sein. 

MKU e x
Filmfest-Hamburg-Chefin Malika Rabahallah mit dem Duo von „Könige des Sommers“, Louise Courvoisier und Clément Faveau (Credit: Martin Kunze/Filmfest Hamburg)

War es denn leicht, Mitstreiter und Finanziers für einen Filmstoff zu finden, der so intrinsisch mit dem Leben im Jura verbunden ist?

Louise Courvoisier: Natürlich ist es eigentlich ein Wahnsinn, Klinken zu putzen mit einem Film, der nicht nur im Jura spielt, sondern auch keinen einzigen bekannten Namen in der Besetzungsliste führt und in dem es dann auch noch um Käse geht. Rückblickend frage ich mich, wie ich mich das getraut habe. Mein Vorteil ist, dass ich recht unbefangen war, weil ich selbst im Jura lebe und eigentlich keinen Kontakt zu den Filmzirkeln in Paris habe. Ich musste mich also niemandem beweisen. Und dann hatte ich das Glück, dass ich schnell eine Produzentin gefunden habe, die an mich und den Film geglaubt hat. Dennoch hat es dann lange gedauert, bis wir die vielen Produktions- und Finanzierungsbausteine beisammenhatten. Ein Kinderspiel war es nicht! Der Schlüssel ist das CNC, also die staatliche Filmzentrale. Als deren Zuschlag kam, zogen die anderen schnell nach. Das war der Knackpunkt. Aber es blieb bis zum Schluss waghalsig, ein Risiko für alle Geldgeber. 

In Cannes waren Sie dann schnell der Talk of the Croisette. Wie haben Sie diese Erfahrung erlebt?

Louise Courvoisier: Die Wartezeit nach der Einreichung, bis wir erfuhren, dass man uns einladen würde, war purer Stress. Wir wussten, dass wir uns auf der Shortlist für die Sélection officielle befanden. Aber dann kamen ein oder zwei Wochen der Ungewissheit. Als dann die Einladung kam, war die Freude natürlich wahnsinnig groß. Wir und unser kleiner Film in Cannes? Wahnsinn! Am Schönsten für mich war, als ich erfuhr, dass ich alle meine Darsteller:innen würde mitbringen können. Alle waren dabei! Ich war zuvor schon einmal mit einem Kurzfilm in Cannes, aber für sie war es etwas völlig Neues! Zum ersten Mal an der Côte d’Azur. Das war das Tüpfelchen auf dem I. Alles andere seither ist Dreingabe.

Das Gespräch führten Barbara Schuster und Thomas Schultze.