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Lisa Brühlmann über „When We Were Sisters“: „Ich will als Filmemacherin ständig weiterlernen“


Heute startet in den Schweizer Kinos die eindringliche Coming-of-Age-Geschichte „When We Were Sisters“ von Lisa Brühlmann. Wir haben uns mit der Filmemacherin, die zuletzt vor allem bei international erfolgreichen Serien wie „Killing Eve“ oder „Servant“ mitwirkte, über ihre zweite Kinoarbeit nach ihrem gefeierten „Blue My Mind“ im Rahmen des letztjährigen ZFF unterhalten. (HIER ist übrigens unsere Review).

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Lisa Brühlmann (Credit: Imago/Future Image)

Wie persönlich ist dieser Film?

Lisa Brühlmann: Ich bin auch mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und einige andere Elemente sind mit persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen gespickt. Aber „When We Were Sisters“ ist eindeutig Fiktion. Der Plot ist erfunden, die Figuren sind weg von der Realität. Es ist keine autobiographische Abhandlung. Ich wollte eine Geschichte über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung erzählen, auch über Mutterschaft. Und über Resilienz und dass Freundschaft manchmal wichtiger ist als Familie oder Verwandtschaft. Und dass es Hoffnung gibt nach einem Trauma, dass man aus einem Trauma gestärkt rauskommen kann. Ich sehe den Film auch als eine Emanzipationsgeschichte.

Stand von Anfang an fest, dass Sie auch vor die Kamera treten würden, in der wohl schwierigsten Rolle?

Lisa Brühlmann: Die schwierigste, aber auch eine sehr interessante Rolle! Als die Idee zum Film kam, hatte ich sofort Lust auch zu spielen. Erst einmal habe ich im Vorfeld intensiv überlegt, was mein nächster Film überhaupt sein könnte, was ich mit diesem vor allem wagen will. Ich finde, mit einem Film darf man sich nicht in einem Safe space bewegen, wo man schon weiß, wie es wird. Es war mir wichtig, mich auf ein Abenteuer einzulassen. Ich sah diese krasse Frauenfigur – das hat mich als Schauspielerin sofort gereizt. Gleichzeitig habe ich gehadert und ständig meine Freunde gefragt, ob ich das tun soll. Es gab lange Phasen des Zweifelns. Denn ich wusste: Wenn ich nicht alles gebe, wenn ich mit der Figur emotional nicht dorthin komme, wo sie hinmuss, mache ich meinen eigenen Film schlecht! Aber dann kam ich zu meinen allerersten Gedanken zurück, dem Gedanken, dass ich ja etwas wagen wollte. So habe ich Tests gemacht, habe mich auch selbst gecastet, mit einem Coach gearbeitet, um zu sehen, ob ich das hinkriege. Und dann war mir klar: Ja, ich mache das!

„ Weil ich aber zuletzt so viel für andere gemacht habe, hatte ich eben durchaus wieder das Bedürfnis, etwas für mich zu machen.“

Der Film wirkt nicht in der Plotkonstruktion, aber in vielem, was er zeigt, erlebt. Wenn die Mädels ihre Gesichter auf den Kopierer legen, das Haareabschneiden, um ewige Freundschaft zu schwören… Haben Sie da aus eigenen Erfahrungen geschöpft?

Lisa Brühlmann: Das Gute ist, wenn ein Film eine persönliche Note hat oder wenn man Dinge aus der Jugend kennt, braucht es weniger Recherche. Klar, man schöpft aus eigenen Erfahrungen. Aber der Film ist auch ganz universell, wenn er zeigt, dass man als Jugendliche/r denkt, man könne mit Magie die Zukunft ändern. Vieles ist erlebt, aber vieles ist einfach erfunden.

„When We Were Sisters“ ist in anderer Hinsicht ein Homecoming. „Blue My Mind“ hat sicher viele Türen geöffnet, sie haben danach viel im Ausland gearbeitet, viel fürs Fernsehen. Bei einer Serie wie „Killing Eve“ und „Servant“ ist man aber sicher nur Auftragsregisseur:in. War war spannend, was haben Sie dabei gelernt?

Lisa Brühlmann: All die Erfahrungen fand ich sehr wertvoll. Ich will als Filmemacherin ständig weiterlernen, kann mir nicht vorstellen, an einen Punkt zu kommen und zu sagen: Ich weiß jetzt alles. Bei Fernsehserien gibt es zwar einen Rahmen, aber innerhalb dieses Rahmens kann man sich relativ frei bewegen. Die Arbeit an „Killing Eve“ oder „Servant“ gab mir die Möglichkeit, die Kreativität auf eine andere Art und Weise zu zeigen. Das war sehr schön. Außerdem habe ich es genossen, diesen großartigen Schauspieler:innen zuzusehen. Das war ein ausschlaggebender Punkt: sie beobachten zu dürfen, wie sie arbeiten, was sie sich nehmen, wie sie das packen. Weil ich aber zuletzt so viel für andere gemacht habe, hatte ich eben durchaus wieder das Bedürfnis, etwas für mich zu machen…

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Lisa Brühlmann und Paula Rappaport in „When We Were Sisters“ (Credit: Zodiac Pictures)

Wussten Sie sofort, dass es „When We Were Sisters“ werden sollte?

Lisa Brühlmann: Jeder weiß, dass es mindestens drei Jahre braucht, um einen Kinofilm zu machen… manchmal noch länger. Die Entscheidung, was ich erzählen will, ist oft eine Momentaufnahme der Phase meines Lebens, in der ich gerade bin. Man kann in einen Film ja nicht alles hineinpacken , was man auf der Bucket liststehen hat. Es sollte ein kleines, eher intimes Projekt werden, bei dem ich künstlerisch etwas wagen kann. 

Dieses Mal war Zodiac Pictures Ihre Produktionsfirma. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt? 

Lisa Brühlmann: Ich kannte Lukas Hobi und Reto Schaerli ein bisschen, weil ich vor vielen Jahren bei einer ihrer Produktionen als Schauspielerin gespielt habe. Es gab also eine Verbindung. Aber mir war wichtig, dass ich Produzenten an meiner Seite habe, die mich nicht so gut kennen. Sonst wäre ich zu befangen gewesen. Die Zusammenarbeit war sehr schön, wir wollen auch unbedingt wieder etwas gemeinsam auf die Beine stellen. In der Schreibphase war Reto ein guter Sparringpartner, sein Feedback war bemerkenswert. Das hat mir viel bedeutet. Natürlich gab es auch Herausforderungen, wie bei jedem Film. Dadurch, dass Paula Rappaport und Malou Mösli noch nicht volljährig machen, mussten wir uns an die Kinderdrehzeiten halten. Das schränkt ein, zumal ich in meiner Doppelfunktion als Regisseurin und Schauspielerin zusätzlich eingeschränkt war. Wir hatten effektiv weniger Zeit als bei einem Dreh, der ohne diese Auflagen entsteht.

„In meinen eigenen Regieprojekten werde ich nicht mehr spielen.“

Die Szenen, die Sie mit Ihrer Filmtochter haben, sind sehr intensiv. Gab es eine besondere Art der Vorbereitung zwischen Ihnen und Paula Rappaport?

Lisa Brühlmann: Wir haben im Vorfeld einfach viel Zeit miteinander verbracht und hatten auch einen Schauspielcoach, der uns geholfen hat. Interessant war, dass Paula in den Proben nie so weit ging. Irgendwann war ich verunsichert, weil ich gemerkt habe, dass sie bremst. Wir hatten dann ein Gespräch, bei dem ich ihr gesagt habe, dass sie ihre Komfortzone verlassen muss. Sie sagte nur: Lisa, ich weiß, ich mach das dann beim Dreh. Da wurde ich schon etwas nervös aber es blieb mir nichts anderes übrig als ihr zu vertrauen. Vom ersten Drehtag an hat sie ihr Versprechen eingehalten. Und ist immer dahin gegangen, wo es weh tut. Paula war total mutig und hat das durchgezogen. Ich war sehr beeindruckt von ihr und wir konnten in einer sehr vertrauensvollen Weise miteinander arbeiten. 

Das Zusammenspiel der beiden Mädchen ist auch ganz wunderbar. Großartig gegensätzlich, trotzdem glaubt man die Einigkeit. Das ist sehr beeindruckend.

Lisa Brühlmann: Mir war wichtig, dass sich Valeska und Lena spiegeln. Dass Valeska auch Lena etwas geben kann. Dass die Beziehung nicht einseitig ist. Dass auch Lena gestärkt aus der Geschichte geht.

Sie haben ihre Fühler nach „Blue My Mind“ international ausgestreckt, kehren jetzt mit „When We Were Sisters“ in die Schweiz zurück und zum Kino zurück. Werden Sie das internationale Arbeiten beibehalten? Gibt es einen Masterplan?

Lisa Brühlmann: Einen Masterplan verfolge ist nicht. Ich sage auch manchmal Angebote ab, wenn ich zu lange von meiner Familie weg sein müsste. Außerdem will ich meine Stimme als eigenständige Autorenfilmerin nicht verlieren. Aktuell arbeite ich schon wieder an einem neuen Projekt, das ich selbst schreibe. Darauf soll der Fokus liegen. Ich bin trotzdem dankbar für diese Chancen, internationale Aufträge zu bekommen. Es kommt immer auf das Projekt an. Bis jetzt hatte ich Glück und konnte in einem guten Rhythmus arbeiten. Im Moment drehe ich zwei Folgen für eine Serie, die die Duffer Brothers für Netflix produzieren. 

Sind Ihre Ambitionen als Schauspielerin nach „When We Were Sisters“ wieder gestiegen? Wollen Sie nun wieder öfter auch vor die Kamera?

Lisa Brühlmann: In meinen eigenen Regieprojekten werde ich nicht mehr spielen. Ich bin froh, dass ich es bei „When We Were Sisters“ gemacht habe. Aber es war anstrengend. Wenn mich jemand als Schauspielerin anfragen würde, müssten das spezielle Projekte sein. Ich kämpfe nicht darum, als Schauspielerin zu arbeiten. Bei mir überwiegt die Erzähllust als Autorin und Regisseurin. Aber wenn etwas Spannendes an mich herangetragen werden würde, wer weiß.

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Lisa Brühlmanns „When We Were Sisters“ startet am 15. Mai im Verleih von Filmcoopi (Credit: Zodiac Pictures/Nikolas Leventakis)

Nach dem Motto „Sag niemals nie“.

Lisa Brühlmann: Genau. Aber es ist nicht so, dass ich eine Schauspielagentur suche und Fotos machen lasse etc. Das passt definitiv nicht in meinen Plan.

Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Erfahrung als Schauspielerin Sie für Ihre Arbeit als Regisseurin prägen?


Lisa Brühlmann:
Ganz klar. Schauspiel, Drehbuchschreiben und Regieführen sind sowieso miteinander verwandt. Natürlich gibt es gibt auch ganz tolle Regisseur:innen, die nicht Schauspieler:innen sind. Bei mir ist die Schauspielkunst mit in meiner Toolbox. Ich habe sicherlich ein anderes Verständnis für die Zusammenarbeit mit Schauspielenden.

Fällt Ihnen das Drehbuchschreiben oder das Regieführen leichter?

Lisa Brühlmann: Ich habe Regie an der ZHdK studiert, hatte aber auch einen Schwerpunkt auf Drehbuch und habe mich viel mit Dramaturgie befasst. Mit dem Drehbuchschreiben verbindet mich eine Hassliebe. Der Anfang ist immer einfach, die Ideen kommen. Aber dann wird es meist kompliziert und anstrengender, als man am Anfang dachte. Ich habe schon einiges geschrieben, habe einige Bücher in der Schublade, die darauf warten, wieder angepackt zu werden. Ich möchte den Prozess des Schreibens nicht missen. Diese kreative Schaffenskraft ganz am Anfang eines Projekts. Ich bewundere vor allem die amerikanischen Drehbuchautor:innen, die tolle Bücher schreiben, die einen schon beim Lesen total beflügeln. Das war auch mit ein Grund, warum ich international arbeiten wollte. Ich hege für diese Kolleg:innen große Bewunderung. Ich schreibe gerne, aber auch da bin ich noch am Lernen.

Das Gespräch führten Barbara Schuster & Thomas Schultze