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Katharina Albrecht, Verena Altenberger & Arash T. Riahi: „Der wichtigste Preis in der Branche“


Das Trio der Akademie des Österreichischen Films, Geschäftsführerin Katharina Albrecht und das Präsidentschafts-Duo Verena Altenberger und Arash T. Riahi, sprechen über das diesjährige Jubiläum beim Filmpreis, das in neuer Location gefeiert wird, die Entwicklung der Akademie und darüber, wie sich der österreichische Film im eigenen Land schlägt.

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Katharina Albrecht, Geschäftsführerin der Akademie des Österreichischen Films; Produzent und Filmemacher Arash T. Riahi & Schauspielerin Verena Altenberger, die die Akademie als Präsidentschaftsduo vertreten (Credit: Newald)

Der Österreichische Filmpreis feiert dieses Jahr 15. Jubiläum! Wie hat sich die Veranstaltung entwickelt? Welchen Stellenwert hat der Filmpreis im Gesamtkontext der Akademie des Österreichischen Films und auch für die österreichische Branche?

Katharina Albrecht: Der Filmpreis ist toll gewachsen, genauso wie die Akademie selbst, die jedes Jahr um die 50 neue Mitglieder aus den verschiedenen Gewerken willkommen heißen darf. Dass der Filmpreis begehrt ist, sehen wir auch an den 1300 Anmeldungen zur diesjährigen Verleihung. Das ist definitiv ein Event, wo die Branche hinmöchte. Sicher sind auch viele neugierig auf unsere neue Location, die hq7 studios. In meiner Kommunikation mit der Politik oder der Branche selbst bekomme ich den hohen Stellenwert des Filmpreises und eine Wertschätzung der Arbeit der Akademie des Österreichischen Films insgesamt gespiegelt. Das liegt sicher zum Großteil daran, dass die Branche beim Filmpreis selbst wählt. Das hebt den Preis auch von jurybasierten Festival-Preisen für nationales Kinofilmschaffen wie bei der Diagonale ab. Schon nominiert zu werden, ist beim Filmpreis eine Ehre und Freude.

Verena Altenberger: Ich würde das noch zuspitzen: Der Österreichische Filmpreis ist mit Abstand der wichtigste Preis in der Branche. Man weiß, dass da viele hundert Mitglieder wählen, die alle wissen, wovon sie reden. Man weiß, wenn die die Gewinner:innen aussuchen, hat das an Wertschätzung und qualitativer Einschätzung den höchsten Stellenwert. Das ist, wie Katharina schon sagte, einfach eine andere Note als bei einem Jury- oder Publikums-Voting. Und ich muss noch sagen, dass alle, die ich aus anderen Filmakademien kenne, ganz neidisch auf unsere Statue sind (😄). Unser Preis wurde von Valie Export designt, mit diesem sehr schweren Betonsockel und der darauf angebrachten Himmelstreppe, ist es ein echtes Kunstwerk. Man witzelt in der Branche gerne, wenn man einen Preis gewinnt, dass man ihn aufs Klo stellt oder als Türstopper benutzt. Das habe ich über unseren Filmpreis noch nie gehört.

Katharina Albrecht: Deswegen heißt die Statue bei uns auch Skulptur. Valie Export feierte dieses Jahr auch 85. Geburtstag und man sieht sie in Anja Salomonowitz‘ „Mit einem Tiger schlafen“, der mit neun Nominierungen vorn liegt. Da kommen dieses Jahr ziemlich viele gute Dinge zusammen. Ich finde toll, dass eine österreichische Künstlerin ein wirkliches Designobjekt für die Filmbranche geschaffen hat, dass die Filmakademie damit die Tür zur Kunstszene geöffnet hat. Dieses Über-den-Tellerrand-blicken liegt uns immer noch am Herzen.

Arash T. Riahi: Was ich bemerkenswert finde, ist die Tatsache, dass die Gewinnerfilme ausnahmslos auch international als künstlerisch herausragende Werke, die Filmgeschichte schreiben, gesehen werden. Der Preis für den besten Film geht also nicht an den Film, den die meisten gesehen haben oder der kommerziell gut funktioniert hat, sondern fast immer an den Film, der die größte, künstlerische Eigenständigkeit vorweist. Gewinnerfilme wie „Vera, „The Trouble With Being Born“ oder „Des Teufels Bad“ sind eindrucksvolle Beispiele für höchste Kinokunstqualität.

Verena Altenberger: Eine Entwicklung, die mir aus Besucherinnensicht auffällt, ist, dass sich die Veranstaltung selbst immer weiter professionalisiert hat. Der Filmpreis hat sich vom legeren „Branchenfestl“ zur Filmpreis-Gala entwickelt. Ich bin große Verfechterin der Gala. Andere „Branchenfestl“, wo wir in Jeans und T-Shirt hingehen, haben wir eh auch noch. Aber so nach dem Motto Stars are not born, they are madefinde ich eine Gala im Sinne einer Publikumsbindung total wichtig. Leute gehen auch wegen bestimmten Menschen ins Kino, brauchen Identifikationsorte und -figuren. Ich finde extrem wichtig, eine Gala zu machen, die auch in einer Übertragung funktioniert und die neben dem Hochlebenlassen der Kolleg:innen auch zum Ausdruck bringt, dass hier eine Branche von großer Wertigkeit, von Glamour und Strahlkraft im Mittelpunkt steht.

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Verena Altenberger und Katharina Albrecht beim Österreichischen Filmpreis 2024 (Credit: eSeL.at – Lorenz Seidler)

Die neue Location, die hq7 studios, wurden angesprochen. Gibt es darüber hinaus besondere Überlegungen zum 15. Jubiläum?

Katharina Albrecht: Wir sind zuversichtlich, dass die Show sehr eindrucksvoll sein wird. Das Tolle ist, dass man die Halle bespielen kann, wie man will, die Herausforderung ist, dass nichts dort ist. Die Halle ist leer, man muss alles mitbringen. Die Zusammenarbeit mit den Studios ist eine echte Symbiose. Thomas W. Kiennast, der wie im letzten Jahr auch die diesjährige Gala produziert und inszeniert, legt sich wieder richtig ins Zeug. Das Motto lautet „Die Leinwand lebt!“. Für die Moderation zeichnen Stefanie Reinsperger und Philipp Hansa verantwortlich und wir haben zusätzlich tolle Laudator:innen, die zum Teil aus an den Film angrenzenden Disziplinen kommen. Es wird auch einen Rückblick geben, in den mithineinspielt, dass alle vergangenen – und natürlich auch die aktuellen – Präsident:innen der Akademie an dem Abend dabei sein werden, außer Karl Markovics, der leider verhindert ist. Damit senden wir ein starkes Zeichen in die Branche hinein. Außerdem wird es eine richtig fette Party geben, bei der auch Filmschaffende als DJs fungieren.

„Das Schlüsselwort für den österreichischen Film ist Mut, Mut in alle Richtungen.“

Verena Altenberger

Wenn wir auf die nominierten Filme blicken: Durch was zeichnet sich er diesjährige Jahrgang aus?

Katharina Albrecht: Es ist das einreichungsstärkste Jahr, wir hatten noch nie so viele Langfilme. Daran merkt man, dass sich die österreichische Filmbranche stark weiterentwickelt hat. Wenn wir den Blick auf die meistnominierten Filme werfen, ist die Bandbreite hocherfreulich. Mit Kurdwin Ayub und Mo Harawe ist eine junge Diversität am Start, mit Anja Salomonowitz, Ruth Beckermann und Josef Hader sind etablierte Filmschaffende dabei. Von alten Hasen der Filmbranche hin zu neuen Gesichtern – es ist alles dabei! 

Verena Altenberger: Genau das ist am österreichischen Film so toll, dass es wirklich von links nach rechts, von ganz unten nach ganz oben geht. Von Beamten-Comedy hin zu Haneke-Arthouse, es geht von Seidl-Abgründen hin zu Blödel-Komödien, von alt nach jung. Es ist so vielfältig. Ich glaube, jedes Land hat diese vielen unterschiedlichen Geschichten, aber nicht jedes Land hat den Mut, sie alle zu erzählen. Das Schlüsselwort für den österreichischen Film ist Mut, Mut in alle Richtungen. In Richtung Humor, in Richtung Abgrund, in Richtung Langsamkeit, in Richtung Absurdität, in Richtung Psychologie und in Richtung „überhaupt nichts muss Sinn machen“.

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Gutes Team: Verena Altenberger und Arash T. Riahi (Credit: eSeL.at – Lorenz Seidler)

Die Akademie des österreichischen Films hat sich wie der Filmpreis weiterentwickelt. Was fruchtet, haben Sie erreicht, was Sie erreichen wollten?

Katharina Albrecht: Uns ist sehr viel gelungen. Wichtig war uns, in der Kommunikation die vier Säulen der Akademie herauszustellen. Die Akademie ist mehr als der Filmpreis mit der Gala, dem Abend der Nominierten, der Pressekonferenz und dem „Filmpreis on Tour“. Es gehören auch die Säulen Filmkultur, Filmbildung und Filmmagazin dazu. Sehr am Herzen liegt uns allen der Sektor Filmbildung, zu dem u.a. das schöne Projekt „Österreichische Kurzfilmschau“ gehört, bei dem wir in Kooperation mit dem Außenministerium seit über zehn Jahren alle beim Filmpreis eingereichten Kurzfilme durch die ganze Welt schicken. Die Akademie setzt sich dafür ein, dass Film mehr in der Schule vorkommt. Hier bin ich extrem hartnäckig und folge dem Motto der Dohnal: „lästig bleiben“. Wobei wir die Stärkung von Film- und Medienbildung wirklich in der Breite verstehen, auf alle Generationen beziehen, nicht nur auf die nachwachsende. Man kann auch Menschen, die älter sind, an Film heranführen und für Film begeistern. Das große Metathema, das über allem steht, ist, Bildung und Kultur enger zusammenzubringen. 

Verena Altenberger: Allgemein herrscht die Meinung in der Bevölkerung und der Politik, dass Österreich eine Kulturnation ist. Vor allem die Politik interpretiert damit die klassische Musik, die in Österreich fast einen musealen Charakter hat, und die Bundestheater. Warum mir Film so wichtig ist und warum ich Film so liebe und ich finde, dass Film auf gar keinen Fall im Vergleich zu Musik und Theater vernachlässigt werden darf, ist: weil er das niederschwelligste Medium ist, das die Superpower hat, in einem Land etwas zu bewegen und zu verändern. Früher war das Theater, aber das ist Theater heute nicht mehr, sondern Film. Film ist neben dem Wirtschaftsfaktor, dem Tourismusfaktor und dem Glamourfaktor mehr denn je das Medium, in dem wir verhandeln, wer wir als Gesellschaft sind und wie wir als Gesellschaft sein wollen.

Arash T. Riahi: In der jetzigen Zeit, wo die Wahrheit so schwer zu finden ist in den Nachrichten mit so vielen Fake News und Manipulation durch Social Media, ist Film und speziell der Dokumentarfilm eines der wenigen Formate, die der Realität sehr nahekommen. Film ist für mich eines der wichtigsten Demokratie-Tools, weil es ein glaubwürdiges Medium ist und oft von Menschen gemacht wird, die von etwas getrieben sind, die die Welt auch verbessern wollen. Darin unterscheidet sich eben auch der Kinofilm von dieser Kurzlebigkeit in den Medien.

„Wir verstehen die Akademie als ein großes Haus, in dem wir alle Familie sind.“

Arash T. Riahi

Wie begreifen Sie Ihre Aufgabe als Präsident:innen?

Arash T. Riahi: Verena und mir war von Anfang an wichtig, eine Haltung zu haben. Eine Haltung, die nicht an bestimmte Verbände gebunden ist, sondern an Menschlichkeit, an humanistische Werte. Diese Haltung haben wir versucht, in unserer Zeit als Präsidentschaftsduo der Akademie des österreichischen Films zu wahren. Die vergangenen vier Jahre waren nicht immer einfach, weil die österreichische Filmszene immer wieder auch von Skandalen geprägt war, die dann Thema beim Filmpreis wurden. Diesen haben wir immer versucht, klug und weise und möglichst mit Haltung entgegenzutreten. Bei der Akademie dabei zu sein, heißt nicht, in einem Verband zu sein, wie einem der Produzenten- oder Regieverbände, wo jeder eine andere Meinung hat. Wir verstehen die Akademie als ein großes Haus, in dem wir alle Familie sind und wir alle versuchen wollen, friedlich und positiv miteinander umzugehen. Man darf nicht aufhören, daran zu arbeiten.

Verena Altenberger: Wir haben das „Wunder der Kommunikation“ ganz nach vorn gestellt. Wir haben uns von Anfang an gewünscht, dass man immer redet und man auch keine Angst haben muss, Dinge anzusprechen und auszudiskutieren. Uns ist Streit zehnmal lieber als Schweigen. Wir finden diese Offenheit auf kommunikativer Ebene extrem wichtig. Nur wenn Mut und Wille zur Auseinandersetzung herrschen, kann man im Endeffekt zusammenwachsen. Bei uns geht es oft um alles, ums Leben, darum, wie die Welt regiert wird… Deswegen ist es ganz normal, dass man ständig tausend Themen hat, an denen man sich abarbeitet. Das ist richtig, das ist ein Demokratieprozess.

Was könnte sich grundsätzlich noch verbessern?

Verena Altenberger: Ich finde wichtig, nicht nur zum Understatement zu tendieren. Wir sollten uns noch mehr trauen, als österreichischer Film mit der entsprechenden Wertigkeit aufzutreten, die uns im Rest der Welt schon entgegengebracht wird. Innerhalb unseres eigenen Landes wird das eher unter den Teppich gekehrt. Das sollte nicht sein, wir sollten dem stolz entgegentreten und den österreichischen Film als Weltmarke feiern. Das darf man auch nach innen kommunizieren.

„Insgesamt hat in Österreich das Nonstop-Kinoabo sehr viel bewegt.“

Katharina Albrecht

Wie schlägt sich der österreichische Film im Kino?

Katharina Albrecht: Wenn heimische Produktionen in der Kinoauswertung nicht so gut laufen, liegt das nicht unbedingt am Film selbst. Viele tolle Filme laufen unter dem Radar und man fragt sich, wie das sein kann. Es liegt daran, dass wir viel zu wenig Geld für Marketing und Kommunikation haben, um Kinofilme entsprechend zu bewerben. Das ist in den meisten Ländern der Fall. Du brauchst in der heutigen Welt die entsprechende Marketingpower, um aufzutauchen. Abgesehen von ein paar Ausreißern, die auch so funktionieren. Insgesamt hat in Österreich das Nonstop-Kinoabo sehr viel bewegt. Dieses Angebot hat dazu geführt, dass wieder ganz viele junge Menschen ins Kino gehen. Die Arthouse-Kinos sind voll. Zwei Drittel der Abonnent:innen sind unter 30 Jahre alt. Eine wichtige zusätzliche Maßnahme, um eben auch mehr Aufmerksamkeit auf den österreichischen Film zu lenken, wäre, ihn verstärkt in die Schulen zu bringen und generell mehr zu bewerben. Mit unserem Filmmagazin Trailer.AT leistet die Akademie hier einen Beitrag. Unsere letzte Sendung erzielte über 500.000 Zuseher:innen – und natürlich sind da Leute dabei, die nicht aus unserer Bubble kommen.

Verena Altenberger: Das Bewerben des österreichischen Films hat es etwas schwer, weil der österreichischen Mentalität alles so ein bissl wurscht ist. Den Leuten ist es egal, wenn ein Superstar wie Josef Hader über die Straße geht – bei uns fährt ja auch der Bundespräsident unbehelligt mit der U-Bahn. Das ist an und für sich etwas ganz Tolles, aber so ein bisschen mehr Stolz und vor allem richtiges Feiern der eigenen filmischen Leistungen wäre schon schön. Ich drehe gerade in Lettland, und als da das Filmteam von „Flow“ mit dem Oscar nach Hause kam – also so was kenn ich nur aus München, wenn Bayern München Meister wird, das war ein Volksfest!

Arash T. Riahi: An der Mentalität können wir nicht viel ändern. Was wir machen können, ist, mit Kontinuität am Thema Filmbildung zu arbeiten. Als Produzent merke ich, dass die Kinobetreiber österreichische Filme haben wollen. Die Zahlen von österreichischen Filmen im Vergleich zu internationalen Filmen – damit meine ich nicht die bombastischen Hollywoodblockbuster, sondern Filme, die beispielsweise in Cannes ausgezeichnet wurden – sind in etwa gleichauf. Wir sollten damit aufhören, wie aktuell in der Debatte nach den angekündigten Sparmaßnahmen, Film in dieser Entweder-Oder-Schiene zu betrachten, entweder als Industrie- oder Kulturgut. Film ist beides, war schon immer beides. Jeder weiß, dass Film viel kostet und dass die Preise in den letzten Jahren um mindestens 15 Prozent gestiegen sind. Das muss man sich leisten. Aber Film ist auch etwas, das bleibt. Ein Theaterstück ist auch großartig, aber es ist dann vorbei. Film bleibt. Und Film ist eines der größten Exportgüter Österreichs.

Stichwort Sparmaßnahmen: Die Ankündigung von Kulturminister Andreas Babler hat die österreichische Branche in Schockstarre versetzt. Wie geht es weiter?

Katharina Albrecht: Es passiert gerade sehr viel. Wir sind definitiv aus einer Schockstarre erwacht und es findet mittlerweile ein konstruktiver Dialog mit der Regierung statt. Andreas Babler hat unlängst angekündigt, verstärkt in den österreichischen Film investieren zu wollen. Wenn die selektiven Mittel erhöht werden könnten, wofür wir seit Jahren kämpfen, wäre das eine gute Entwicklung. Dabei darf aber auch die Unterstützung internationalen Ko-Produktionen nicht vergessen werden. Österreich ist ein wichtiges Ko-Produktionsland und international sehr anerkannt. Diesen Status sollten wir nicht verlieren. In Summe sind wir zuversichtlich, dass die Zukunft nicht so Schwarz sein wird, wie sich das in die Branche in den letzten Wochen ausgemalt hat. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster