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Jonathan Millet zu „Die Schattenjäger“: „Ein zwingender Schritt für mich“


Heute startet in den deutschen Kinos im Verleih von ImmerGuteFilme der Thriller „Die Schattenjäger“, mit dem der französische Dokumentarfilmer Jonathan Millet sein Spielfilmdebüt gibt – hier unsere SPOT-Besprechung. Er unterhielt sich mit uns über diese neue Erfahrung.

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Jonathan Millet, Regisseur von „Die Schattenjäger“ (Credit: Diva-LIVEU)

„Die Schattenjäger“ ist Ihr Debüt als Spielfilmregisseur, nachdem Sie viele Jahre Erfahrung als Regisseur dokumentarischer Formate gesammelt hatten. 

Jonathan Millet: Der Schritt in den Spielfilm erschien mir zwingend. Die Realität ist immer die Basis für meine dokumentarischen Arbeiten. Ich wollte jetzt aber noch weitergehen, die Realität noch mehr verdichten, einen Weg finden, meinen Ansatz als Dokumentarfilm fortzuführen, ohne meine Absichten zurückzulassen. Mein Eindruck war, dass im Kern dieser Geschichte eine Realität steckt, die so stark ist, dass sich damit ein größeres Publikum erreichen und berühren lässt. „Die Schattenjäger“ schneidet ein paar heftige Themen an, befasst sich mit Traumata und Politik, mit dem Umgang mit historischer Last. Da steckt etwas in der Geschichte steckt, in der Art und Weise, wie sich die Figuren verhalten, dass den Stoff wie geschaffen mit für die Umsetzung in einem Genrefilm, einem lupenreinen Spionage- oder Agentenfilm, Spannungskino, ohne dass die Relevanz leiden würde. Das fand ich interessant. Ich hätte nicht in die Fiktion wechseln wollen, wenn ich vorgehabt hätte, nur die kleine Gruppe derer anzusprechen, die sich ohnehin schon für die Thematik interessieren. Mir gefällt die universelle Sprache des Kinos, die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. 

War es schwierig, das Projekt zum Laufen zu bekommen?

Jonathan Millet: Mir schwebte ein Film vor, der jeden berühren kann. Tatsächlich wurde uns dann bei den potenziellen Partnern in Frankreich und Deutschland (Nicole Gebhards von Nikofilm, Anm. der Redaktion) sehr schnell gespiegelt, dass die Geschichte selbst und der erzählerische Ansatz so überzeugend seien, dass es gar nicht unbedingt nötig sein würde, den Film mit Stars zu besetzen, um seine Umsetzung zu ermöglichen. Das hatte ich so nicht erwartet. Es war eine sehr erfreuliche und ermutigende Erfahrung.

„Es ist eine in allen Belangen ambitionierte Produktion, speziell für einen Debütfilm.“

Mussten Sie irgendwelche Abstriche machen, Kompromisse eingehen?

Jonathan Millet: In keiner Form. Es ist eine in allen Belangen ambitionierte Produktion, speziell für einen Debütfilm. Wir haben in drei Ländern gedreht, es gibt viele Stunts, die Besetzung ist sehr international, nach dem Dreh haben wir Monate zugebracht, um am Soundkostüm zu feilen. Damit stand und fiel der gesamte Film. Es brauchte Geld, um den Film so machen zu können, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Drehbuch erwies sich als echter Türöffner: Sowohl private Investoren wie auch Sales-Agenten reagierten durch die Bank positiv: Alle sahen das Potenzial, das in der Geschichte steckte. Wo wir auch vorstellig wurden, wir erhielten immer grünes Licht. Ich will es aber auch nicht einfacher erscheinen lassen, als es war. Ich habe mehrere Jahre mit Recherchen zugebracht, habe drei Jahre an dem Drehbuch gearbeitet. Aber es hat sich ausgezahlt. Weil wir den Film dann tatsächlich nach unseren Wünschen umsetzen konnten und am Ende auch der Film entstand, den wir machen wollten. 

Sie erwähnen das Soundkostüm. „Die Schattenjäger“ ist ein Film über das Hören, über das Zuhören. Warum ist dieser Akt so effektiv in einem Medium, in dem es um das Zeigen und das Sehen geht?

Jonathan Millet: Licht und Schatten, richtig? Nun, ich finde, dass Sound ebenso wichtig ist, manchmal vielleicht noch wichtiger, weil das Hören etwas auslöst im Zuschauer. Wenn man genau hinhört, schaut man gleichzeitig genauer hin. Tatsächlich bin ich etwas überrascht, dass es immer noch so viele Filmemacher gibt, die den Ton und das Klangkostüm nachrangig behandeln. Das Erlebnis ist viel intensiver und viel kompletter, wenn man den Ton richtig einsetzt. Beim Dokumentarfilm ist es primär so, dass man das gedrehte Material verwendet, um Informationen zu vermitteln. Es geht um die Bilder und die Montage. Ein Spielfilm bietet aber eine viel holistischere Erfahrung, die über die einfache Vermittlung von Informationen hinausgeht. Es geht um eine Erfahrung, ein sinnliches Erleben. Es geht um Emotion, um Bauch und Herz ebenso wie um Kopf. Der Körper soll in jeden Aspekt des Films involviert sein. Damit wird Durchdringung erzielt. Mein Ziel war es, den Zuschauer hautnah mit dem inneren Tumult meiner Hauptfigur zu involvieren. Und da kommt der Ton ins Spiel als unheimlich effektives Werkzeug. 

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„Die Schattenjäger“ von Jonathan Millet mit Adam Bessa (Credit: ImmerGuteFilme)

Viele kann auf diese Weise angedeutet bleiben.

Jonathan Millet: Viele Informationen über historische oder politische Hintergründe, die ich recherchiert hatte, habe ich wieder weggestrichen. Sie sind relevant, weil sie belegte Tatsachen sind. Aber für den Film war es nicht wichtig zu wissen, wie diese Zelle von Aktivisten entstanden ist, wer diese Leute sind. Es ging mir ums Erleben, um eine immersive Erfahrung. Einen Film, den man spürt. Der Ton war mein bester Freund. Bilder zeigen und erklären. Sound deutet an, erzeugt beim Betrachtenden eigene Bilder. Ich glaube an das Publikum. Die Menschen sind nicht doof. Sie verstehen mehr, als ihnen manche Filmemacher zutrauen. 

„Beim Spielfilm geht man ähnlich vor, man trifft unentwegt Entscheidungen, die die Gestaltung des Films beeinflussen.“

Fiel Ihnen der Sprung vom dokumentarischen Filmemacher zum Spielfilmregisseur leicht, vom passiven Beobachter zum aktiven Gestalter?

Jonathan Millet: Ich fand den Schritt gar nicht einmal besonders groß. Es stimmt, als Dokumentarfilmer blickt man auf das echte Leben, auf Menschen in ihren ganz eigenen Umständen, die ihr Leben führen. Aber auch da ist man aktiv beteiligt. Man wählt aus, wen man filmt. Man wählt aus, wohin man die Kamera richtet, was man zeigt, was der Blickwinkel der Erzählung ist. Auch die Arbeit am Dokumentarfilm ist höchst subjektiv. Beim Spielfilm geht man ähnlich vor, man trifft unentwegt Entscheidungen, die die Gestaltung des Films beeinflussen. Hier musste ich überlegen: Welche Geschichte erzähle ich, wie erzähle ich sie. Ich hätte einen Journalisten oder Detektiv in den Mittelpunkt rücken können, der recherchiert und nachforscht, ganz klassisch. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden, ein intimes Porträt im Rahmen eines Spionagefilms. Das ändert gleich die Erzählhaltung, auch wenn im Zentrum immer noch die Jagd nach einem berüchtigten Folterknecht des Assad-Regines steht. Es macht sie Ezählung subjektiver, erhöht noch die Identifikation. Das machte mir die Arbeit mit den Schauspieler:innen einfach: Ich wusste immer, was ich ihnen sagen musste, weil ich genau wusste, was ich wollte. 

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„Die Schattenjäger“ von Jonathan Millet mit Adam Bessa (Credit: ImmerGuteFilme)

Sie haben Premiere in Cannes gefeiert, als Eröffnungsfilm der Sémaine de la Critique. Was waren Ihre Eindrücke, hat es Ihrem Film geholfen?

Jonathan Millet: Direkt vor Cannes verbrachte ich eineinhalb Monate allein in Berlin, um an den letzten Details des Soundmix zu feilen. Ich war also getrennt von meinem Team, allein auf mich gestellt. Wir arbeiteten mit Hochdruck Tag und Nacht daran, dass der Film auch wirklich perfekt sein würde für Cannes. Ich hatte in Berlin erfahren, dass wir ausgewählt worden waren, ein ungemeines Glücksgefühl, das einem gleich noch einmal Extra-Energie verleiht, nachdem ich auf meiner kleinen Einsamkeitsparty mit mir selbst angestoßen hatte. Der nächste Schritt war Cannes. Als würde man auf einmal in einer Welt sein. Es war verrückt. Menschen, Hektik, Aufregung nach den Wochen der intensiven Arbeit. Hier waren wir mit unserer kleinen französisch-deutschen Koproduktion und stellten sie der Welt vor, sprachen mit Journalisten aus aller Herren Länder, aus Europa, aus den USA, aus dem Nahen Osten, speziell aus Syrien. Ich war so glücklich, den Film nach der jahrelangen Arbeit endlich dem Publikum schenken zu können. Und natürlich hat uns Cannes sehr geholfen, was die Auslandverkäufe anbetrifft. Das darf man nicht unterschlagen.

Seither ist fast ein Jahr vergangen. Hat sich Ihre Haltung zu Ihrem Film seither verändert?

Jonathan Millet: Er steht mir unverändert sehr, sehr nahe. Ich war im Grunde bis jetzt mit ihm unterwegs, habe ihn auf Festivals gezeigt, mit den Menschen gesprochen, Interviews gegeben. Es war sehr lehrreich. Und natürlich sieht man immer mehr, was man anders hätte machen können, wo man noch genauer hätte sein können. Eine große Lernerfahrung. Ich weiß, dass ich einen neuen Film machen und mit ihm weiter gehen will als davor. Ich will das nächste Mal eine noch immersivere Erfahrung ermöglichen, mit verbessertem Handwerk, geschickterem Einsatz der Werkzeuge. Ich freue mich darauf. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.