Die Atlas Workshops finden 2024 bereits zum siebten Mal im Rahmen des Marrakech International Film Festival statt. Die Festivalleiter Malika Rabahallah und Giona A. Nazzaro und Produzent Philippe Bober gehören u.a. zur Jury. SPOT hat sich mit Hédi Zardi, dem Leiter des Trainings- und Netzwerkangebots für marokkanische, arabische und afrikanische Filmschaffende, zusammengesetzt und wollte wissen, wie es dieses Jahr läuft.
Die Atlas Workshops bringen junge Talente aus dem afrikanischen und arabischen Raum mit der internationalen Filmindustrie zusammen, um ihre Projekte in Entwicklung oder Postproduktion weiterzutreiben. Dieses Jahr findet bereits die siebte Ausgabe statt. Sind Sie zufrieden?
Hédi Zardi: Absolut! Das Angebot hat sich sehr gut entwickelt. Aufgebaut wurde es seinerzeit von Rémi Bonhomme, der heute der Festivaldirektor des Marrakech International Film Festival ist. Die Idee war, neben einem Festival mit einem starken Film- Line-up auch ein Schlaglicht auf den Nachwuchs der Region zu legen, dieser eine eigene Plattform zu geben. Dieses Jahr haben wir 17 Projekte in Entwicklung eingeladen, zehn Projekte in Postproduktion bzw. Produktion. Für alle gibt es spezifische Angebote, bei denen Experten der Branche ihr Feedback geben.
Dieses Jahr gibt es die neue Sektion Atlas Station. Was steckt dahinter?
Hédi Zardi: Atlas Station wurde gelauncht, um die Entwicklung des Ökosystems der marokkanischen Filmindustrie weiter zu unterstützen und Projekte junger marokkanischer Regietalente und Produzenten zu fördern. Wir haben zehn Teilnehmer:innen, die bei Atlas Station ihre Karrierestrategien weiterentwickeln können. Dieser Bereich ist eher auf Einzelpersonen ausgerichtet, während der andere Teil der Atlas Workshops eher auf Projekte ausgerichtet ist.
„Uns liegt Nachhaltigkeit am Herzen.“
Auch letztes Jahr gab es eine Neuerung: Die Initiierung der Atlas Distribution Awards…
Hédi Zardi: Uns liegt Nachhaltigkeit am Herzen. Die Atlas Distribution Awards unterstützen die Verbreitung von Filmen in der Region Marokko sowie den arabischen und afrikanischen Ländern und den Kinoverleih von Filmen jener heimischer Filmschaffender, die für das Festival ausgewählt wurden. Vergangenes Jahr konnten wir 24 Kinostarts unterstützen.
Was ist sonst noch neu?
Hédi Zardi: Wir haben das Angebot verlängert, sind im November mit einem Vier-Tage-Online-Event namens Atlas Online gestartet. Dabei wurden die ausgewählten Filmschaffenden, die ihre Projekte in Entwicklung haben, mit bestimmten internationalen Koproduktionsmöglichkeiten vertraut gemacht, diejenigen, die ihre Projekte in Postproduktion haben mit Vertriebsstrategien. Bei den Online-Sessions waren auch Produzenten, Verleiher, Weltvertriebe dabei. Hier vor Ort haben wir ebenfalls einen Tag verlängert. Dieser zusätzliche Tag widmet sich sogenannten Creative Labs, die ihr Augenmerk legen auf Produktionsstrategien, Drehbuchentwicklung, Schnitt, Schauspiel und Casting. Im Anschluss an das Event hier in Marrakesch wird es noch einen online abgehaltenen Co-Production Market geben, für all diejenigen, die nicht zum Festival kommen konnten, dennoch Interesse an den bei den Workshops vorgestellten Projekten haben. Die Atlas Workshops haben sich dieses Jahr also als in Summe von einem Vier-Tage-Event zu einem Zehn-Tage-Event entwickelt.
Die Atlas Workshops haben stets renommierte Schirmherren. Dieses Jahr hat US-Regisseur Jeff Nichols diese Aufgabe übernommen. Wie arbeitet er mit den eingeladenen jungen Talenten?
Hédi Zardi: Die Schirmherren sollen den jungen Talenten als erfahrene Regisseure eine andere Sichtweise angedeihen lassen. Konkret bekam Jeff Nichols alle Projekte in Entwicklung zugeschickt, je nachdem, wie viel schon vorliegt, meist die Synopsis oder ein Treatment, und auch die Projekte in Postproduktion samt vorheriger Arbeiten der Teilnehmer:innen. So konnte er sich einen Überblick verschaffen. Vor Ort setzt er sich in die Pitching Sessions und die Work-in-Progress-Screenings. Danach trifft er die Talente in zwei Gruppen. Alle durften ihm eine Frage stellen, die mit ihren Projekten zu tun hat. So kommt ein Dialog zwischen ihm und den Talenten zustanden. Es geht um Probleme im Drehbuchprozess, beim Schnitt, es geht um Genrefragen, Dynamiken in den Geschichten… Interessant ist, dass dieser Austausch wirklich auf Augenhöhe stattfindet. Jeff Nichols ist menschlich sehr offen, er ist ein Quell der Inspiration für die jungen Leute und man merkt einfach, dass Kino eine universelle Sprache ist.
Gibt es bereits Ideen für 2025?
Hédi Zardi: Ich möchte natürlich erst einmal die neuen Angebote wie Atlas Station und die Creative Labs evaluieren. Dazu benötige ich Feedback. Es ist wichtig, zu erfahren, inwiefern die Neuerungen im Gesamtprozess nachhallen. Was ich jetzt schön höre, ist, dass die Creative Labs sehr gut angenommen werden. Es geht hier um die Entfaltung der Kreativität, ums direkte Tun. Weg vom Papier. Insgesamt bin ich sehr zufrieden, weil wir sehen, wie die Geschichten und Projekte wirklich einen Nachhall finden. Die Teilnehmer:innen bedanken sich bei uns, weil wir sehr konkret die Dinge anbieten, die sie wirklich brauchen. Sinn und Zweck der Atlas Workshops ist, nicht nur mit einem, sondern mit zwei Füßen in der Realität zu stehen.
Das Gespräch führte Barbara Schuster