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Harald Sicheritz über „Eigentlich sollten wir“: „Man darf niemals langweilen!“


Harald Sicheritz gehört zu den erfolgreichsten Filmemachern Österreichs. Nachdem seine TV-Komödie „Eigentlich sollten wir“ (HIER unsere Besprechung) 2024 schon im ORF lief, erfolgt nun die deutsche Erstausstrahlung am 26. März im Ersten. Über sein Verständnis als Filmemacher, warum er zuletzt so viel fürs Fernsehen gearbeitet hat (als nächstes dreht er allerdings wieder fürs Kino!) und sein Hang zu Satiren über Alltagsthemen sprechen wir im Interview.

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Harald Sicheritz, studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Uni Wien. Seine Dissertation trägt den Titel „Wie unterhält das Fernsehen?“; er ist außerdem Mitbegründer und Bassist der Band Wiener Wunder (Credit: privat)

Sie können auf eine lange, sehr erfolgreiche Karriere blicken. Interessant ist, dass Sie viele sehr erfolgreiche österreichische Kinofilme gemacht haben, „Hinterholz 8“ und „Poppitz“ nehmen dabei in der ewigen Bestenliste immer noch Platz eins und drei ein. Wären Erfolge wie diese heute noch denkbar? 

Harald Sicheritz: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht mehr in diesem Ausmaß möglich ist, außer bei Hollywood-Blockbustern. Ansonsten ist das nicht mehr vorstellbar. Die Medienstruktur hat sich komplett verändert, vor allem seit es die Streamer gibt. Außerdem sind die Leute heutzutage zuhause mit ganz anderen Geräten ausgestattet… In den späten 1990er-Jahren war das Präsenzpublikum fürs Kino noch ganz anders vorhanden. Wenn man einen Film aktuell sehen wollte, musste man sich ins Kino bewegen. Das funktioniert heute nicht mehr. Dafür haben auf der anderen Seite die Filme, die jetzt produziert werden, ein längeres „Erstleben“. Es gibt mehr Möglichkeiten sie zu sehen. Die Sperrfristen, bis ein Kinofilm ins Fernsehen kommt, sind nicht mehr so lange. Ich habe das Gefühl, ohne es mit Zahlen belegen zu können, dass die absolute Zahl der Menschen, die in der ersten Welle einen Film sieht, nicht unbedingt kleiner geworden ist.

Ihre Filme sind für Österreich sehr identitätsstiftend. Sie haben offenbar ein Gespür, treffen einen Nerv, was das österreichische Publikum in seiner Breite will. 


Harald Sicheritz: Das mag sein. Vielleicht liegt das auch an den sozialdemokratischen Wurzeln meiner Familie. Schon mein Urgroßvater war ein Volksbildner und wollte die Leute mit Inhalten erreichen. Er hat, ohne viel Geld zu haben, in seiner Gemeinde in Niederösterreich ein entsprechendes Heim errichtet. Es liegt also in meinen Genen, dass ich gerne verstanden werden will. Das ist das einzige Geheimnis, das ich Ihnen über mich verraten kann. Aber es wird schon stimmen, was Sie sagen: Das meiste, was ich getan habe und auch noch tue, interessiert eine große Anzahl von Menschen.

„Es mag sein, dass man mir aufgrund der Wirkung, die meine Werke erzielt haben und weiterhin erzielen, fünf Minuten länger zuhört.“

Zuletzt haben Sie vor allem fürs Fernsehen gearbeitet. War das ein bewusster Schritt, oder hängt das damit zusammen, dass Kinoprojekte einfach schwerer vom Boden zu kriegen sind?

Harald Sicheritz: Das ist tatsächlich der einzige Grund. Ich hatte aber auch niemals Berührungsängste zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern, ob das Werbung, TV oder Kino war. Ich liebe meine Arbeit, das Erzählen mit Bildern. Ich höre aus Deutschland, dass man dort als Regisseur eher in Berufsfeldern zugeordnet wird als in Österreich. Dass man einfach alles macht, so wie ich es gemacht habe und weiter tue, ist nicht so leicht und nicht so häufig.

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„Eigentlich sollten wir“ mit Thomas Mraz und Marleen Lohse (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Vor allem wird man schnell eingeteilt in E und U. Man muss es aber auch erst mal schaffen, denke ich, dass man wie Sie in allen Bereichen erfolgreich beschäftigt wird, oder? Da macht es schon was aus, wenn man ein paar Hits im Kino hatte…

Harald Sicheritz: Es mag sein, dass man mir aufgrund der Wirkung, die meine Werke erzielt haben und weiterhin erzielen, fünf Minuten länger zuhört. Richtig leicht hatte ich es dennoch nie. Es ist nicht nur für mich, sondern allgemein schwieriger geworden, Kinoprojekte vom Boden zu bekommen, wie Sie richtig anmerkten. Ich beginne Ende März mit den Dreharbeiten von „Bruno – Der junge Kreisky“ über die Jugendjahre des österreichischen Jahrhundert-Politikers. Die Geschichte spielt in den 1920er- und 1930er-Jahren und braucht als Historienstoff ziemlich Budget. Wir haben dreieinhalb Jahre gekämpft. Es war kein leichter Weg, aber jetzt sind wir endlich so weit, dass wir drehen können.

„Bruno – Der junge Kreisky“ machen Sie mit Danny Krausz von Dor Film, richtig?

Harald Sicheritz: Genau. Mit Danny Krausz habe ich 2016 auch die Kino-Komödie „Baumschlager“ gemacht. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen: wir haben mit palästinensischen und israelischen Darsteller:innen in Israel an der Grenze zu Jordanien gedreht. Es herrschte durchgehend friedliche Stimmung am Set.

„Diktatorische, engstirnige, unflexible Herangehensweisen gibt es bei mir nicht.“

Also geht es für Sie als nächstes zurück zum Kino. Was ist Ihnen generell wichtig in der Zusammenarbeit mit den anderen kreativen Mitstreitern?

Harald Sicheritz: Mir ist das Wichtigste, dass ich die Mitstreiter:innen kriege, die ich haben will. Das bedingt Respekt vor der Kreativität und der Spannkraft dieser Leute. Ich habe es zum Beispiel sehr gern, wenn man mir Vorschläge macht. Das ist mir das Wichtigste in der Zusammenarbeit; und dass wir als Team die Sache gleichermaßen verstehen und wollen. Diktatorische, engstirnige, unflexible Herangehensweisen gibt es bei mir nicht. Das ist vermutlich auch ein Grund, warum meinereiner beschäftigt wird.

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„Eigentlich sollten wir“ mit Roland Düringer (r.), mit dem Sicheritz bereits oft zusammengearbeitet hat (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Es gibt Menschen, die in Ihrer Karriere immer wieder auftauchen. Einer davon ist Roland Düringer, der in Ihrem aktuellen Fernsehfilm, „Eigentlich sollen wir“, zur Besetzung gehört. Was verbindet Sie zwei? 

Harald Sicheritz: Es wirkt vielleicht so, als würden Roland und ich dauernd zusammenarbeiten. Aber gerade in den letzten Jahren war das gar nicht so oft der Fall. Aber was uns verbindet, ist das eingangs Erwähnte, dass Roland genauso gern wie ich verstanden werden will. Und noch etwas verbindet uns: wir finden beide, dass man niemals, egal mit welcher Geschichte, langweilen darf. Es gehört zur Kunst des Erzählens, dass es einem gelingt, die Leute nicht über die Maße zu erschöpfen. Damit vergibt man sich nämlich ihre Aufmerksamkeit.

Hinter der Geschichte von „Eigentlich sollten wir“ stecken Thomas Mraz und Klaus Eckel. Was hat Sie angesprochen?

Harald Sicheritz: Ich kannte Klaus Eckel ganz gut und mit Thomas Mraz hatte ich bereits Etliches gedreht. Er hat mir zum Beispiel die große Freude gemacht, bei den „Vorstadtweibern“ eine tragende Rolle super zu spielen. Als ich das Drehbuch von „Eigentlich sollten wir“ erhielt, fanden wir rasch eine Übereinkunft, auch mit dem ORF und dem BR. Ich habe ein paar Dinge geändert, so dass es mir in der Erzählform richtiger erschien. Ich mochte, dass der Stoff zwar unterhaltsam ist, man dieser Familie gerne zusieht, gleichzeitig aber auch ein wichtiges Thema unserer Zeit transportiert, in einer durchaus nachvollziehbaren Form. Wir hätten das Ganze auch als Crime-Story erzählen können. Das wollten wir nicht. Gerade wenn es ums Thema Umweltbewusstsein geht, ist es wichtig, viele Leute zu erreichen, aber so, dass man nicht das Gefühl hat, 90 Minuten nur lustige Sätzchen gehört zu haben.

„In Österreich halten die Leute das relativ gut aus, wenn man ihnen deutlich den Spiegel vorhält.“

Dennoch ist „Eigentlich sollten wir“ eine Komödie. In einem Interview habe ich gelesen, dass Sie sich weniger als Komödienregisseur sehen, sondern eher als Regisseur von Alltagstragödien…

Harald Sicheritz: So sehr ich Komödien schätze, ich habe weniger gemacht. Ich habe eher Satiren zu Alltagsthemen gedreht. In Österreich halten die Leute das relativ gut aus, wenn man ihnen deutlich den Spiegel vorhält. Da ist „Schmäh“ im Erzählerischen. Ich darf Ihnen ein Beispiel geben, warum ich so gerne ein Wiener und Österreicher bin. Roland Düringer, Alfred Dorfer und ich haben Ende der 1990er Jahre die Sitcom „MA 2412“ gemacht, die sich die Wiener Magistratsbeamt:innen vorgeknöpft hat, auf ziemlich brutale Art und Weise. Und was ist passiert? Vor drei Jahren hat die Stadt Wien ein offizielles Denkmal für diese Serie enthüllt. Das gibt es selten auf der Welt. Dafür, dass man sich über den Staatsapparat lustig macht, mit zeitlichem Abstand geehrt zu werden – vom Staatsapparat.

Unterscheiden Sie in Ihrer Herangehensweise als Regisseur, ob es ein Fernsehfilm wie „Eigentlich sollten wir“ ist oder ein Kinofilm?

Harald Sicheritz: Vor 20 Jahren hätte ich wahrscheinlich gesagt, dass es einen Unterschied gibt. Aber mit dem Aufstieg und der Entwicklung von dem, was man früher geringschätzig Fernsehen nannte, hat sich das verändert. Mein Eindruck ist, dass die Avantgarde eher auf das Fernsehformat übergegangen ist und man dort viel mit technischen, visuellen und inhaltlichen Mitteln experimentiert. Das Kino führt ein zumindest würdiges Rückzugsgefecht, wobei „die Kathedrale der Bilder“ immer das Maß aller Dinge bleiben wird. Aber die beiden Bereiche Kino und Fernsehen sind mehr verschmolzen. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich vor einer riesigen Cinemascope-Leinwand sitze, oder in einem kleinen Kinocenter-Saal. Dort sind Bildgröße und -qualität nicht mehr viel anders, als das, was mittlerweile bei uns zuhause hängt. Es gibt allerdings nichts Besseres, als einen Film mit Menschen anzuschauen, die man nicht kennt.

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„Eigentlich sollten wir“ wird am 26. März im Ersten gezeigt (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Was macht Ihnen in der Zusammenarbeit mit den Schauspieler:innen am meisten Freude?

Harald Sicheritz: Die meiste Freude ist schon mal, wenn die Besetzungsideen aufgehen. Das ist eine vielfach unterschätzte Berufsdimension der Regie. Im Falle von „Eigentlich sollten wir“ ist es richtig gut gelungen. Dann ist es natürlich spannend, wenn man eine Behauptung ins Bild setzen darf. Zum Beispiel, Thomas Mraz ist der Ehemann von Marleen Lohse. Das hat mir schon Freude gemacht und denen auch! Ich bin ein großer Verehrer der Schauspielkunst. So kann ich meiner Frau, Proschat Madani, ewig zuschauen und werde immer begeistert sein, wie gut sie ihre Kunst beherrscht. Und wenn es kreative und pragmatische (Wetter, knappe Drehzeit) Herausforderungen gibt, und die gab es bei „Eigentlich sollten wir“ ausreichend, freut es mich umso mehr, wenn die Schauspielenden damit gut zurande kommen.

Der Drehstart von „Bruno – Der junge Kreisky“ ist in greifbarer Nähe. Mit wem arbeiten Sie da zusammen?

Harald Sicheritz: In diesem Film sind ungefähr 75 Prozent der Darstellenden unter 30 Jahre alt. Bruno Kreisky wird von Nils Arztmann dargestellt, einem 24-jährigen Stern am Schauspielhimmel des Theaters in der Josefstadt, Kreiskys Vorbild Otto Bauer wird von Johannes Silberschneider gespielt, seine Geliebte von Maja Unger. Ich finde diesen Abschnitt der österreichischen Geschichte besonders spannend, weil man sich in unserem Land definitiv zu wenig damit beschäftigt. Der Dreh wird eine Herausforderung, weil wir, wie eingangs gesagt, wenig Geld haben. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir es schaffen. In jedem Fall ist „Bruno – der junge Kreisky“ ein Film mit hoher Aktualität.

„Die Menschen brauchen Geschichten, um ihr Alltagsleben auszuhalten.“

Wie fällt ihr Blick auf die österreichische Filmbranche aus?

Harald Sicheritz: Fürs Kollektiv sprechend bin ich beeindruckt und stolz darauf, dass meine Kolleginnen und Kollegen immer wieder tolle Filme hervorbringen. Ein bisschen schade finde ich, dass sich die Einteilung in E und U offensichtlich in die Herzen und Köpfe gebrannt hat. Es ist durchaus legitim, das Publikum mit verständlich erzählten Geschichten ins Kino locken zu wollen. Das ist ein edles Anliegen, dem ich mich verschrieben habe. 

Würden Sie so auch Ihr Selbstverständnis als Filmschaffender beschreiben?

Harald Sicheritz: Was sicher meiner Arbeit zugrunde liegt ist, dass ich mich für einen Geschichtenerzähler halte. Das ist ein elementar wichtiger Beruf. Die Menschen brauchen Geschichten, um ihr Alltagsleben auszuhalten. Das betrifft alle Kulturen. Ich schätze mich glücklich, irgendwann entdeckt zu haben, dass ich gerne und offenbar nicht ganz schlecht Geschichten erzählen kann.

Das Gespräch führte Barbara Schuster