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Franziska Margarete Hoenisch zum „Tatort“: „Auf solch eine Möglichkeit habe ich lange gewartet“


Die Filmemacherin Franziska Margarete Hoenisch hat jetzt gleich zwei „Tatort“-Folgen hintereinander gedreht. Am 11. Mai läuft der Bremer „Tatort: Solange du atmest“ im Ersten. Die Regisseurin zeichnet sich aber durch eine Genrevielfalt aus, wie auch ihr kommendes Horrorprojekt „Babette“ zeigt.

Franziska Margarete Hoenisch
Die Filmemacherin Franziska Margarete Hoenisch (Credit: René Fietzek)

Sie haben in Ihrer noch jungen Karriere schon verhältnismäßig viele Krimi-Formate gedreht. Ist das der Marktsituation in Deutschland geschuldet oder haben Sie auch eine Affinität für dieses Genre?

Franziska Margarete Hoenisch: Tatsächlich habe ich mit dem Vorabend-Krimi bei Formaten wie der „SOKO Stuttgart“ und der „WaPo Bodensee“ angefangen. Das waren die Ersten, die mir als Regisseurin bei einer Auftragsarbeit das Vertrauen aussprachen. Vorher hatte ich meinen Abschlussfilm „Club Europa“ an der Filmakademie Baden-Württemberg mit dem Kleinen Fernsehspiel gemacht, ein Drama. An sich hatte ich als Filmemacherin vorher noch keine besondere Affinität zum Krimi. Ich bin aber froh und dankbar, dass ich zum Einstieg bei den beiden Krimi-Formaten mit insgesamt zehn Folgen so viel während der Corona-Zeit drehen durfte. Da habe ich wahnsinnig viel am Fernseh-Set gelernt und ausprobiert. Ich persönlich mag an Krimis den Whodunit-Aspekt. Mit Freunden und Familie mache ich kleine Watch-Partys, wo wir Täter- oder Täterin-Suche machen. Ich finde es schön und lustvoll, wenn man bis zum Schluss nicht weiß, wer es war, weil dann die filmischen Mittel funktioniert haben. Das ist für mich aber eher ein handwerklicher Aspekt. Mich freut genauso, wenn es bei „Kanzlei Liebling Kreuzberg“, was ich neu mit aufsetzen durfte, gelingt, die richtige Tonalität zu treffen oder den Themen gerecht zu werden.

Vergangenen Herbst feierte das Format „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ im Ersten mit Liebling-Enkelin Luise von Finckh in der Hauptrolle als Fortsetzung seine erfolgreiche Premiere.    

Franziska Margarete Hoenisch: Genau, oder wenn bei der ZDFneo-Comedy „Doppelhaushälfte“ die Komödie und die Tragik zusammenkommen und zum Beispiel bei der Folge „Immer Ärger mit Oma Thuy“ die Mutter von Minh-Khai Phan-This Rolle stirbt und dem würdevoll in der Trauer begegnet wird, man gleichzeitig aber auch lachen kann. Ich finde es immer gut, wenn ich mich als Regisseurin in den Auftrag einer Arbeit stellen und das anspruchsvoll bedienen kann. Ich bin nur eben keine „Krimi-Regisseurin“.

Kanzlei Liebling Kreuzberg
Luise von Finckh in „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ (Credit: ARD Degeto/Odeon Fiction GmbH/Stefan Erhard)

Trotzdem haben Sie mit „Tatort: Avanti“ für den SWR bereits Ihren zweiten „Tatort“ gerade abgedreht. Jetzt soll es aber um Ihren ersten „Tatort: Solange du atmest“ gehen, der am 11. Mai im Ersten ausgestrahlt wird. Was hat es Ihnen bedeutet, als Sie dieses Projekt angeboten bekamen?

Franziska Margarete Hoenisch: Es hat mir sehr viel bedeutet. Ich war glücklich darüber, dass es geklappt hat. Auf solch eine Möglichkeit habe ich lange gewartet, weil ich auch das junge Team des Bremer „Tatorts“ mag. Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram sind zwei ganz starke Schauspielerinnen. Wir hatten eine schöne Zusammenarbeit. Das mitgestalten zu können, wie die beiden Figuren erzählt werden, war spannend. Wir haben viel über die Rollen der Ermittlerinnen Moormann und Selb und deren horizontale Erzählung gesprochen. Es war ihr siebter gemeinsamer Fall.

Was genau schätzen Sie an Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram und was mochten Sie besonders an deren Ermittlerinnen-Figuren?

Franziska Margarete Hoenisch: Ich schätze an beiden, dass sie jeweils ein großes Interesse daran haben, zusammen herauszufinden, was das Beste für die Geschichte ist. Beide sind sehr gute Schauspielerinnen mit einem tollen Handwerk, die wahnsinnig viel spielen können. Es ist immer ein Vertrauensmoment, wenn die Regie und der Hauptcast zusammenkommt, der die Rollen immer besser kennt als die Regie, weil sie schon länger die Ermittlerinnen darstellen. Dieser Prozess war von viel Vertrauen geprägt, was ich schätze. Ich schätze beide aber auch als Schauspielerinnen sehr, die überhaupt nicht auf die Kommissarinnen reduziert werden können. Das sind zwei wandelbare Spielerinnen, die ich auch schon in vielen anderen spannenden Rollen gesehen habe. So wie ich nicht nur eine Krimi-Regisseurin bin, sind die beiden genauso nicht nur „Tatort“-Schauspielerinnen, sondern vielseitige Künstlerinnen. Deren Figuren haben in diesem Fall einen Konflikt, der sich durch den Film zieht. Ich mochte, dass man auch mal erzählen kann, wie zwei Frauen einen Konflikt bei der Arbeit miteinander haben, den austragen und trotzdem professionell miteinander umgehen. 

Tatort: Solange du atmest
Luise Wolfram (l.) und Jasna Fritzi Bauer im „Tatort: Solange du atmest“ (Credit: Radio Bremen/Claudia Konerding)

Was fanden Sie besonders reizvoll an Judith Westermanns „Tatort“-Drehbuch?

Franziska Margarete Hoenisch: Für Judith Westermann war es auch der erste „Tatort“. Wir kannten uns noch nicht vorher. Aber wir waren in guter Gesellschaft und konnten uns auf Augenhöhe begegnen, um im Sinne des Projekts das Beste herauszuholen. Mich reizte besonders, dass sie auch eine Affinität zum Thriller und auch ein bisschen zum Horror-Genre hat. Denn ich liebe das Horrorgenre sehr und habe mich in den vergangenen Jahren dort reingearbeitet. Ich selbst habe zusammen mit Stefanie Ren das Horrorfilm-Projekt „Babette“ geschrieben, bei dem wir uns gerade in der Finanzierung befinden. Der „Tatort: Solange du atmest“ ist jetzt kein Horrorfilm, aber auf eine Art ein Psychothriller, der am Muttertag in der ARD zu sehen sein wird. Ich fand spannend, dass es dabei um eine alleinerziehende Mutter geht, die in eine ausweglose Situation gerät, die sich immer weiter um sie wie eine Schlinge zusammenzieht. Für mich ist es ein Film, der die großen Spannungen hält, aber auch in den leiseren Momenten zwischen den Zeilen viel verhandelt. Unser Fall ist kein klassisches Whodunit, sondern eine psychologische Geschichte, die im „Tatort“ stattfindet und auf jeden Fall auch ein „Tatort“ ist. Mir ist wichtig, nicht zu versuchen, einen anderen Film im „Tatort“ zu machen. Wenn ich keine Lust habe, einen Krimi zu erzählen, sollte ich auch keinen „Tatort“ machen.      

Die Themen Stalking und emotionale Abhängigkeit stehen bei diesem „Tatort“ im Mittelpunkt – aber auch nicht so, wie man es vielleicht erwarten würde. Erforderten diese delikaten Themen eine besonders sensible Herangehensweise?

Franziska Margarete Hoenisch: Ich komme ursprünglich vom Dokumentarfilm. Da kenne ich es gar nicht anders, dass man am Anfang besonders gut recherchieren und sich in ein Thema hereinfinden muss, um über ein Thema erzählen zu können. Die Frage, ob das Projekt dokumentarisch oder fiktional ist, ist dabei egal. Natürlich ist eine sensible Herangehensweise wichtig. Deshalb habe ich viel mit der Drehbuchautorin Judith Westermann gesprochen, die viel tiefer zu dem Thema recherchiert hatte. Ich kam eher kurzfristig zum Projekt und hatte so selbst nicht so viel Zeit für die Recherche. Ihr war vor allem auch die Perspektive der Gestalkten wichtig. Deswegen gibt es die visuelle Ebene der Point-of-View-Kameraperspektive von der gestalkten Rolle Rani, die sich formal zusätzlich durch ein Augenblinzeln absetzt. So erzählen wir nicht einen Draufblick auf die Stalking-Betroffene und machen sie so zum Opfer, sondern man gibt der Rolle die Möglichkeit, ihren eigenen Blick im Film zu zeigen. Meiner Meinung nach ist das ein besonderer Blick für dieses Thema, weil wir so versuchen, an die Gefühlswelt der Gestalkten heranzukommen.

Tatort: Solange du atmest
Franziska Margarete Hoenisch (2.v.l.) mit dem Bremer „Tatort“-Team (Credit: Radio Bremen/Claudia Konerding)

Womit wir wieder bei der Verbindung zum Horrorfilm wären, wobei dort die Point-of-View-Perspektive meistens den Tätern vorbehalten bleibt. Viel geht es im Horror-Genre aber um den Female Gaze, was auch auf Ihren „Tatort“ zu übertragen ist. 

Franziska Margarete Hoenisch: Ja, auf jeden Fall. Ich habe zwar mit einem Kameramann, Martin L. Ludwig, zusammengearbeitet, mit dem ich schon eine sehr gute Zusammenarbeit bei „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ hatte. Deswegen hatte ich keine Sorge, dass jetzt ein Male Gaze auf den Frauenfiguren liegt. Am Ende geht es um die Art und Weise, wie man auf die Dinge schaut. Da können auch Kollegen, wenn sie sich mit Themen wie Feminismus oder Rassismus auseinandersetzen, ebenso einen bewussten Blick haben. Ich finde es toll, in Frauen-Teams zu arbeiten und Frauen in Positionen zu haben, in denen klassischerweise Männer sind. Es ist eine Art kreative Ehe, die zwischen Kamera und Regie bei einem Projekt eingegangen wird. Wenn man sich gut versteht und einen ähnlichen Blick auf die Welt hat, kann das wie hier eine richtig gute Kombination sein.

Was machen Sie als Nächstes? Ihren zweiten „Tatort: Avanti“ haben Sie wie gesagt abgedreht. Wie steht es um das erwähnte Horror-Projekt „Babette“?

Franziska Margarete Hoenisch: Bei „Babette“ haben wir ganz bewusst auf nur Frauen in den leitenden Funktionen gesetzt. Es ist ein hochkarätiges internationales Team aus Filmpreisträgerinnen. Es geht um Mutter- und Tochterschaft. Durch das Thema ist der Horrorfilm vor der Kamera so weiblich besetzt – es gibt nur eine männliche Rolle im Film –, dass es naheliegend war, auch hinter der Kamera Frauen aus unterschiedlichen Generationen die Möglichkeit zu geben, dem Projekt ihren Blick zu schenken. Das ist eine politische und wichtige Frage, wie man hinter der Kamera das Team zusammenstellt.

Tatort: Avanti
V.l.: Ulrike Folkerts, Kamerafrau Eva Maschke, Regisseurin Franziska Margarete Hoenisch und Lisa Bitter bei „Tatort: Avanti“ (Credit: SWR/Benoit Linde)

Vor Kurzem hatte ich auch ein Interview zur zwölften Staffel der „Lena Lorenz“-ZDF-Reihe, wo das Team vor und hinter der Kamera ebenso nahezu aus Frauen besteht.

Franziska Margarete Hoenisch: Ich war selbst ganz oft die erste Frau an Filmsets – gerade in der Anfangszeit, als ich die Vorabend-Krimi-Reihen gemacht habe. Ich glaube, beim „Bergdoktor“ war ich nach zwölf Jahren auch die erste Regisseurin. Das ist ein Thema, bei dem sich in den vergangenen Jahren viel getan hat – was auch gut ist. Es ist aber immer noch ein langer Weg zu einer wirklich gleichberechtigten Verteilung.

Wer sind Ihre Produktionspartner beim Horror-Kinofilm „Babette“?

Franziska Margarete Hoenisch: Bei der Drehbuchentwicklung wurden wir vom BKM gefördert. Wir waren nominiert für den Thomas Strittmatter Preis. Wir arbeiten zusammen mit Studio Zentral als deutschen Produktionspartner, mit der Schweizer Tellfilm und aus Österreich mit der Amour Fou. Da sind wir momentan in der Finanzierung. Ich habe aber auch noch ein weiteres Projekt, das ich wieder mit dem Kleinen Fernsehspiel und auch in Zusammenarbeit mit Studio Zentral mache. Der Thriller-Film heißt „Risse“, den ich zusammen mit dem „Charité“ und „Everyone Is F*cking Crazy“-Autoren John Hendrik Karsten mache, mit dem ich schon zusammen bei meinem Abschlussfilm „Club Europa“ arbeitete. Dort sind wir ebenso in der Finanzierung. Das wird ein sehr politischer Film, bei dem wir uns mit rechten Strukturen auf dem Land auseinandersetzen. 

Das Interview führte Michael Müller