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Evi Romen über „Happyland“: „Ein weiblicher Serge Gainsbourg“


Am 13. Juni startet „Happyland“ im Verleih von Polyfilm in den österreichischen Kinos. Nach ihrem gefeierten Debüt „Hochwald“ beschäftigt sich Evi Romen auch in ihrer neuen Arbeit mit den Themen Heimat, Heimkehr, Weggehen & Zurückkommen. Über den Druck beim zweiten Film, die außergewöhnliche Location und die Idee, nun eine Heldin aus der Rock’n’Roll-Welt (unfassbar gut gespielt von Andrea Wenzl) in den Mittelpunkt zu rücken, sprechen wir im Interview.

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Evi Romen feierte mit „Happyland“ auf der Diagonale 2025 Weltpremiere (Ingo Pertramer)

„Happyland“ ist Ihr zweiter Spielfilm als Regisseurin. War das Projekt leicht vom Boden zu bekommen? Haben Sie den Weg von Ihrem vielgelobten und preisgekrönten Debüt „Hochwald“ zum zweiten Film als einfach erlebt?

Evi Romen: Erstaunlicherweise nicht so einfach, wie ich dachte. Ich bin davon ausgegangen, dass das Debüt schwieriger ist. „Hochwald“ gestaltete sich rückblickend betrachtet in der Finanzierung als auch in der Auswertung wesentlich einfacher. Insofern hat mich schon überrascht, dass man trotz eines Anfangserfolgs so sehr kämpfen muss, um sein zweites Projekt zu verwirklichen. Das sind keine großen Kämpfe, zugegeben, andere haben es sicher schwieriger. Aber glatt gegangen ist es eben nicht. Erfahrenere Kolleg:innen haben mir im Nachhinein gesagt, dass der zweite Film in allem immer der schwierigste ist. Insofern bin ich froh, dass er da ist. Jetzt habe ich ihn hinter mir.

War es mit der Findung des richtigen Stoffs auch schwierig, oder hatten Sie die Idee zu „Happyland“ schon lange?

Evi Romen: Der Stoff war tatsächlich sehr schnell da. Das hat sich zufällig in einem Interview zu „Hochwald“ ergeben. Als Neuling war ich nicht so vorbereitet, was gefragt werden könnte und bei einem der ersten Interviews kam abschließend die Frage: Was ist Ihr nächstes Projekt? Und ich sagte etwas überfordert: „Happyland“. Ich wusste, ich möchte diesen Titel und dieses Mehrzweckgebäude in meinem nächsten Projekt verwenden. Die Findung kam also sehr spontan. Auch die Geschichte war schnell da, weil sie weiterhin um mein Grundthema Heimat, Heimkehr, Weggehen, Zurückkommen kreist. Schwierig war dann der Druck, etwas anderes, besonderes hervorzubringen, den ersten Film sozusagen zu toppen… das war ein nicht so angenehmer Begleiter.

Wie Sie sagten, beschäftigt sich „Happyland“ auch mit dem Thema Rückkehr in die Heimat. Standen bei „Hochwald“ zwei junge Männer im Mittelpunkt, geht es bei „Happyland“ um eine Frau Mitte 40. Auch die Provinz spielt wieder eine Rolle. War das eine bewusste Entscheidung, nun eine nicht mehr ganz junge Protagonistin in den Mittelpunkt zu rücken?

Evi Romen: Die Geschichten kommen aus mir heraus, aus meinen Sehnsüchten, Lebenserfahrungen. In „Hochwald“ habe ich noch meine Jugend erzählt. In „Happyland“ ist es näher an mir und meinem Erleben dran, deshalb ist es klarerweise auch eine Frau, die im Zentrum steht.

„Nach der Adoleszenz, die ich in ,Hochwald‘ erzählt habe, war es mir wichtig, auf einen weiteren bahnbrechenden Lebensabschnitt zu blicken.“

Eine außergewöhnliche Location ist dieses Happyland, ein Freizeitzentrum, das ja tatsächlich unter diesem Namen bei Klosterneuburg nahe Wien an der Donau existiert. In Ihrem Film wirkt es wie aus der Zeit gefallen….

Evi Romen: Wir haben es für den Film wieder etwas zurückversetzt. Mehr in die Retro-Schiene gepackt. Es ist in der Nähe meines Wohnorts. Wenn man da hinkommt, ist es auf den ersten Blick wirklich nicht schön. In der Landschaft leuchtet der große Schriftzug „Happyland“ und ich dachte, wie kann ein so trister Ort einen solchen Namen tragen? Das spießt sich und ist gleichzeitig faszinierend. Da ist die Fantasie mit mir durchgegangen. Ich hatte ein nicht so gut besuchtes Zentrum in Erinnerung gehabt und habe gemerkt als wir tatsächlich dort gedreht haben, dass es unglaublich beliebt ist, mit Müh und Not erwischt man einen Tennisplatz, viele Schulklassen machen Ausflüge dorthin, es ist der Trainingsort des nationalen Basketballteams. In Wirklichkeit ist es ganz anders, als ich es im Film erzähle.

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Evi Romen arbeitete viele Jahre als Editorin, bevor sie mit „Hochwald“ 2020 ihr Regiedebüt gab; auch „Happyland“ hat sie wieder mit Amour Fou als Produktionsfirma realisiert (Ingo Pertramer)

Ihre Protagonistin Helen ist eine gescheiterte Musikerin, die aus der Weltstadt London zurück an diesen Ort ihrer Kindheit und Jugend kommt. Musik spielt eine zentrale Rolle in „Happyland“. Warum musste sie Musikerin sein?

Evi Romen: Musik und Rhythmus haben mit mir und meinem Leben sehr viel zu tun. Ich hatte zwar keine Rockband, genoss aber eine klassische Musikausbildung, bin daran dann gescheitert, auch weil ich gar keine klassische Konzertpianistin werden wollte. Das hatten sich andere für mich ausgedacht. Aber natürlich war es ein erstes Scheitern, dass man etwas nicht macht. Später habe ich diese Ecke als DJ und Recordlabel-Managerin versucht auszuleben. Unser Label, Masterplan Records, ist zwar kläglich gescheitert, hatte aber ganz gute Sachen. Aus dieser Zeit kenne ich viele Musiker:innen und Musiker:innenleben und ich habe auch gesehen, was ich in dieser Geschichte erzählt habe, dass das in jungen Jahren noch mit sehr viel Kraft und Sehnsüchten verbunden ist und irgendwann der Punkt kommt, wo es sich meistens dann doch nicht ausgeht.

Ihre Hauptfigur ist an einem Punkt in ihrem Leben, wo sie in gewisser Weise auf eine gescheiterte Karriere zurückblickt. In diesem Alter fängt man auch nicht einfach was Neues an. Welche Überlegungen gab es dazu?

Evi Romen: Das Alter der Hauptfigur war mir sehr wichtig. Sicherlich haben Männer ähnliche Themen. Aber ich bin nun mal selbst eine Frau und wollte aus dieser Sicht erzählen. Ich glaube, ein sehr spannender Moment fürs Filmemachen in Biografien ist immer das Scheitern oder ein Wendepunkt. Im Speziellen hat mich bei „Happyland“ genau dieser Moment interessiert, wenn du merkst, dass deine Sehnsüchte oder dein Streben wenig Erfolg hatten, oder man realisiert, mehr wird es nicht mehr. Wobei: die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt. Aber je älter man wird, umso schwieriger ist es, sich an Strohhalmen festzuhalten. Nach der Adoleszenz, die ich in „Hochwald“ erzählt habe, war es mir wichtig, auf einen weiteren bahnbrechenden Lebensabschnitt zu blicken.

„Bei ,Happyland‘ habe ich versucht, alles ein bisschen umzudrehen und Helen so zu zeigen, wie man Männer normalerweise in Filmen sieht. “

Ihre Helen hat auch ein Geheimnis. Lange weiß man nicht, was da los war… letztendlich hat sie etwas gesellschaftlich nach wie vor Verpöntes getan, was man als Frau sicher mehr angekreidet bekommt als als Mann…

Evi Romen: Ich habe nicht umsonst die Rock’n’Roll-Welt gewählt. Popstars dienen dazu, etwas auszuleben, was wir selbst nicht ausleben. Von der Heroinsucht bis zu einem sehr egoistischen Lebensweg. Rock-/Popstars vermitteln uns Träume, die wir selbst nicht gelebt haben. Trotzdem bleibt die Sympathie bei Helen, weil sie eben auch Idolstatus hat. Kaum jemand schafft es, so über seine Grenze zu gehen, um das zu leben, was er oder sie leben möchte. Dafür braucht es dieses Stardasein. Bei „Happyland“ habe ich versucht, alles ein bisschen umzudrehen und Helen so zu zeigen, wie man Männer normalerweise in Filmen sieht. Meine ganze Jugend hindurch habe ich Typen auf der Leinwand gesehen, die rauchend alles hinter sich lassen. Das wollte ich umdrehen, nicht umsonst sind es in meinem Film nicht junge Frauen, die aufgerissen werden, das Pferd wird nicht mit Mädchen in Verbindung gebracht. Ich habe versucht, mit diesen Elementen auf andere Art und Weise umzugehen, ich würde meine Hauptfigur fast wie einen weiblichen Serge Gainsbourg beschreiben. Der Blick auf Frauen im Film hat sich verändert und man kann das annehmen. Hätte ich diesen Film vor 20 Jahren gemacht, wäre ich vermutlich in Stücke zerrissen worden. Man kann heute akzeptieren, Bilder oder Situationen mit einer Frau zu erleben, die früher Männer vorbehalten waren.

Der Film besticht durch seine Visualität, die Sie nach „Hochwald“ zum zweiten Mal mit Bildermagier Martin Gschlacht kreiert haben. Wie ist da Ihr gemeinsames Vorgehen?

Evi Romen: „Happyland“ ist ein ganz spezieller Fall. Dieses Mal wurde ich visuell von der Natur überrascht. Sie hat das Gegenteil von dem gemacht, was ich in meinem Buch geschrieben habe. Ich habe die Geschichte ganz bewusst nicht in den Herbst gesetzt, weil ich die Referenz „alte Frau/Herbst“ – zugespitzt formuliert – nicht wollte. Ich wollte eigentlich erzählen, was passiert, wenn die Säfte wieder zu fließen beginnen, wollte eine karge Landschaft, in der alles wieder zu Leben beginnt. Dann rutschte der Dreh produktionell bedingt in den Herbst. Ich habe mich versucht gegen das Güldene zu wehren und wir konnten den Drehstart noch weiter nach hinten verlegen – um dann im wärmsten Oktober aller Zeiten zu landen. Alles war grün, die Donau hatte einen extrem niedrigen Pegel. Ich befand mich in einer Steinwüste mit Dialogen, die nicht passen wollten. Alles, was wir im Vorfeld besprochen hatten, war schlicht und einfach nicht da. Der Fluss still und niedrig, das Ufer war nicht schlammig, wie ich es haben wollte… es war einfach trocken, grün, ganz ruhig. Ich war erst mal verzweifelt. Doch im Nachhinein habe ich gesehen, was Martin Gschlacht mit seiner Kunst geschaffen hat: Nämlich eine ganz andere Art von Magie den Fluss zu erzählen, die wieder total dem Buch entsprach. Er hat diese Natur und diesen Fluss, den ich als Strom und Leben beschrieben hatte, aufgrund der Bedingungen in eine unheimliche, magische, bedrohlich-ruhige Visualität gebracht. Viele Bilder, die mir vertraut waren – wir haben ja quasi vor meiner Haustür gedreht –, wurden komplett anders umgesetzt. Aber im Endeffekt passten sie dann doch total zur Essenz, die wir besprochen hatten.

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Evi Romen und Kameramann Martin Gschlacht am Set von „Happyland“ (Credit: Felix Vratny / Amour Fou)

Neben Martin Gschlacht haben Sie weitere Teammitglieder von „Hochwald“ mitgenommen. Auch Kostümbildnerin Cinzia Cioffi und Editorin Karina Ressler zum Beispiel, die auch bei Ihrem „Tatort“ dabei waren. Ist Ihnen ein vertrautes Umfeld wichtig?

Evi Romen: Ja schon, ich arbeitet gerne mit Leuten, die ich kenne, und vor allem mit Leuten, die mich aushalten 😄. Gerade Cinzia Cioffi muss ich ein großes Lob aussprechen, weil ich beim Kostüm wirklich ganz schlimm eingreifen kann und ich da genaue Vorstellungen habe… Das muss man mit mir tragen. Das macht Cinzia ganz toll.

Das Kostüm ist exzellent in „Happyland“. Ich würde sofort Helens Kleidung tragen…

Evi Romen: Ich habe privat ein großes Faible für Design und Style und Welten. Bei mir sind, entgegen den meisten Drehbuchautor:innen, immer zuerst Bilder. Manchmal sind es tatsächlich auch erst Kleidungsstücke oder Dinge… Wobei wir bei Helen nach etwas gesucht haben, was sich dann ganz anders entwickelt hat, nicht zuletzt aufgrund des Wetters… Ich wollte versuchen, eine Garderobe zu zeigen, wie jemand, der auch immer so lebt und auch coole Sachen hat, aber schnell zusammenpacken musste … An der Kleidung sollte man schon spüren, dass ihr Weggang aus London eine Flucht war. Deshalb ist es ein durchgewürfeltes Element mit Jogginghosen, aber dann doch der coole Mantel drüber oder der coole Hut auf dem Kopf… sie ist aber nicht zu gestylt … 

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Andrea Wenzl spielt die Hauptrolle in „Happyland“ (Credit: Amour Fou/Martin Gschlacht)

Musik ist ein wichtiges Stichwort bei „Happyland“. Mit wem haben Sie da zusammengearbeitet?

Evi Romen: Musik ist ein Riesending für mich, ich habe mir dazu natürlich viele Gedanken gemacht. Mir war wichtig, hier mit einer Frau zusammenzuarbeiten. Ich wollte vor allem eine Frau, die auch weggegangen ist und im selben Alter wie die Hauptfigur ist. Da ist mir Dorit Chrylser eingefallen, die ich von früher kenne, die sehr lange in New York gelebt hat, jetzt zurück nach Berlin ist, die eben diese Stimmung und Moods und auch diese Altersgruppe an Musikerinnen kennt. Wobei man sagen muss: Dorit ist sehr erfolgreich in ihrer Ecke, man kann ihre Platten im MoMa kaufen. Sie ist also definitiv eine andere Liga als meine Helen im Film. Aber Dorit versteht diesen Lebensweg.

In Ihrem Film spielt die österreichische Musikerin Alicia Edelweiss eine kleine Rolle. Sie bringt auch Musik in den Film…

Evi Romen: Im Drehbuch habe ich diese Figur beschrieben als eine junge, auf den ersten Blick unscheinbare Frau, die sich als das entpuppt, was Helen früher war… der Local Hero. Ich wollte diese Figur auch erst als Punkerin zeigen, was Helen früher war. Während des Schreibens habe ich aber festgestellt, dass das zu geradlinig geworden wäre. Ich wollte auch Helens Musik von früher gar nicht groß reinbringen, wollte nicht in dieses Geschmäcklerische kommen und habe das eher an den Rand gedrängt, wollte eher die Kraft der Jugend als die Qualität der Musik zeigen. Bei Alicias Figur habe ich mich dann bewusst für eine andere Art von Musik entschieden und bin mehr in dieses Märchenhafte, Zauberhafte gegangen. Auch weil ich festgestellt habe, dass viele junge Musikerinnen sich heute eher in dieser balladigen, Singer-Songwriter-Ecke aufhalten. Irgendwann habe ich Alicia gefunden. Sie schaut toll aus, die musste ich einfach auf die Leinwand bringen. Sie stand zum ersten Mal vor der Kamera und war ganz wunderbar. Ich suche mir immer Leute – das ist eine energetische Sache –, die mit den Büchern und der Geschichte connecten können oder eine ähnliche Erfahrung haben. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster