„Retten, was zu retten ist“, sei angesichts des förderpolitischen Status Quo aktuell die vorderste Aufgabe. Doch bei aller Dramatik der Lage sieht Björn Böhning als CEO der Produktionsallianz einen weit vorangeschrittenen Prozess, auf den auch eine neue Regierung zügig aufsetzen könne. Dabei setzt er nicht zuletzt auf das, was eigentlich im Hintergrund steht: ein breiter Konsens der Politik.
„Der deutsche Film ist in höchster Gefahr“ schrieben Tom Tykwer, Wim Wenders und Volker Schlöndorff gerade in einem Brandbrief. Übertreiben sie?
Björn Böhning: Nein, keineswegs. Sie zeichnen damit leider ein realistisches Bild der Lage – verbunden aber natürlich mit dem wichtigen Hinweis, dass sich diese Situation ändern lässt.
Nun richtet sich dieser jüngste Appell nicht nur darauf, das FFG noch innerhalb der Legislaturperiode umzusetzen – sondern auch die anderen Säulen. Ist so eine Forderung nicht schon vergebliche Liebesmüh?
Björn Böhning: Es ist wichtig und absolut entscheidend, dass die gesamte Branche weiterhin nachdrücklich dafür wirbt, dass das Steueranreizmodell und die Investitionsverpflichtung umgesetzt werden. Sei es noch in dieser Legislaturperiode oder dann spätestens von der nächsten Bundesregierung. Das Motto muss einfach lauten: „So schnell wie möglich.“ Es gibt schließlich einen breiten politischen Konsens in Sachen Förderreform und wir müssen alles dafür tun, dass die fraktionsübergreifend grundsätzlich befürworteten Pläne Realität werden. Jegliche Vorarbeit, die in den kommenden Wochen noch geleistet werden kann, ist auch für eine neue Regierung wichtig, das gilt nicht zuletzt für die Abstimmungen zwischen den Ressorts bzw. zwischen Bund und Ländern. Die Branche erwartet von allen Parteien, dass man den Prozess mit aller Ernsthaftigkeit fortsetzt.
Ende November bestätigte die BKM, dass der Entwurf für eine Investitionsverpflichtung in dieser Legislaturperiode nicht mehr in den Bundestag gehen soll, unlängst kam dann die Nachricht, dass das Filmförderungszulagengesetz nicht, wie noch Anfang des Monats vorgesehen, am 19. Dezember zur ersten Beratung auf der Tagesordnung stehen soll. Resthoffnungen auf einen zeitnahen Durchbruch werden da scheibchenweise abgetragen, könnte man sagen.
Björn Böhning: Man kann jedenfalls davon sprechen, dass leider die Kraft fehlte, die drei Säulen der Reform in einem Rutsch zu beschließen, was letzten Endes nun auch auf zwangsweise einzuhaltende Fristen zurückzuführen ist. Das ist natürlich bitter, nicht zuletzt angesichts der Vorarbeit, die die gesamte Branche über zwei Jahre hinweg geleistet hat. Hervorheben möchte ich dabei vor allem den Konsens, mit dem die Branche auf die Politik zugegangen ist. Auch wir als Produktionsallianz haben weitergehende Vorstellungen zurückgestellt, um diesen Konsens möglichst hochzuhalten – und ich sehe keine Alternative dazu, sich weiter unterzuhaken und weiterhin gemeinschaftlich auf eine große Lösung zu drängen.
Zuletzt wollte man sich seitens der BKM noch nicht darauf festlegen, dass das Filmförderungszulagengesetz bis Februar überhaupt nicht mehr in den Bundestag eingebracht wird. Aber realistisch betrachtet: Was denken Sie, wird bis Ende der Legislaturperiode noch passieren?
Björn Böhning: Ich gehe jedenfalls angesichts der Signale aus der FDP davon aus, dass der FFG-Entwurf nächsten Donnerstag beschlossen wird. Das begrüße ich sehr und das ist ein erstes, gutes Signal. Realistisch betrachtet ist das Steueranreizmodell sicherlich etwas, das auch aufgrund der Fristen kaum noch vor einem Regierungswechsel wird umgesetzt werden können. Jetzt muss man erst einmal retten, was kurzfristig zu retten ist. Es darf keine Förderlücke entstehen, es ist absolut entscheidend, dass DFFF I, II und GMPF nahtlos weiter zur Verfügung stehen. Denn das ist aktuell der Strohhalm, an den sich die gesamte Produktionswirtschaft klammert. Für uns kommt es darauf an, möglichst schnell Sicherheit zu erhalten, dass vor Inkrafttreten eines neuen Modells wenigstens die Förderungen aus bisherigen Instrumenten zur Verfügung stehen – denn auf Basis dieser Mindesterwartung sind diverse Projekte geplant worden. Sollten diese auch noch ins Ausland abwandern, würde der Produktionsstandort Deutschland zur sprichwörtlichen Wüste verkommen. Soweit ich höre, wird nicht zuletzt in Abstimmung zwischen BKM und dem Finanzministerium intensiv um Lösungen gerungen. Das muss unbedingt gelingen. Deswegen noch einmal der klare Appell an sämtliche Entscheidungsträger, dafür Sorge zu tragen, dass die bestehenden Förderinstrumente nicht am 31. Dezember versiegen. Denn um auf die erste Frage zurückzukommen: Der deutsche Film ist tatsächlich in höchster Gefahr.
„Wir müssen zumindest nicht bei Null anfangen“ hatte es Bayerns Medienminister Florian Herrmann unlängst formuliert. Aber wie weit ist man denn tatsächlich?
Björn Böhning: Er hat absolut recht – und aus meiner Sicht sind wir eigentlich schon bei weit über 80 Prozent angekommen. Wir standen noch nie so kurz davor, einen derartigen Durchbruch in der Förderpolitik zu erzielen. Natürlich hat die politische Gesamtgemengelage den Prozess durcheinandergewirbelt. Aber dass sich Bund und Länder bei den wesentlichen Fragen so sehr angenähert haben und dass auch zwischen den großen Parteien, vor allem auch zwischen CDU/CSU und SPD so großer Konsens bei allen Säulen der Reform existiert, ist nach wie vor ein großer Erfolg und eine Errungenschaft, die auch über die Neuwahlen hinaus Bestand haben sollte.
Aber wie weit reicht die Verständigung zwischen Bund und Ländern bei einem Tax Incentive denn schon?
Björn Böhning: Entscheidend ist, dass alle Länder deutlich gemacht haben, dass sie im Grundsatz hinter einem Steueranreizmodell stehen, dass sie vor einigen Wochen sogar noch einmal Druck gemacht haben, um einen Entwurf vorgelegt zu bekommen, anhand dessen die letzten Fragen geklärt werden können. Ich denke, dass vor allem die Frage der verwaltungstechnischen Umsetzung noch intensiver beraten werden muss, denn die Sorge der Länder, dass die Finanzämter überfordert werden könnten, besteht nun einmal. Das ist nachvollziehbar, das muss und kann man adressieren. Die Frage der Lastenverteilung wird man dann anhand des konkreten Entwurfs beraten müssen, aber auch das kann angesichts der grundsätzlichen Bereitschaft, den Weg mitzugehen, keine unüberwindbare Hürde sein. Dass diese Bereitschaft unisono besteht, das hat es in der Geschichte der Filmpolitik so noch nicht gegeben, das ist – bei aller Dramatik der aktuellen Lage – ein Signal, das uns Mut machen sollte. Meines Wissens sind die Abstimmungen zwischen BKM und Bundesfinanzministerium hinsichtlich des Entwurfs zum Filmförderungszulagengesetz weit gediehen. Je mehr abgestimmte Vorarbeit vorhanden ist, desto eher kann darauf – und das geht ja aus den Worten von Minister Herrmann hervor – auch eine künftige Regierung zügig aufsetzen.
Das Gespräch führte Marc Mensch