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Dimitrij Schaad zu „Kleo“: „Ich wollte eigentlich nie einen Polizisten spielen“

Im Kino ist der Schauspieler Dimitrij Schaad immer noch ein Shooting Star, im Theater schon lange etabliert. Im Interview spricht er über die am Donnerstag startende zweite „Kleo“-Staffel, unliebsame Polizeirollen und sein erstes eigenes Serienprojekt.

Dimitrij Schaad in Kleo
Die zweite Staffel der Netflix-Erfolgsserie „Kleo“ startet am 25. Juli (Credit: JoHannesKlingelh/Seriencamp, JuliaTerjung/Netflix)

Inwiefern hat Ihre aus West-Berlin stammende Polizisten-Figur Sven Petzold in der Netflix-Serie „Kleo“ über die beiden Staffeln hinweg eine Entwicklung durchgemacht?

Dimitrij Schaad: Es gibt bei einer zweiten Staffel zwei Fehler, die man als Schauspieler machen kann: Dass man exakt die gleiche Figur spielt oder dass man sie viel zu anders spielt. Irgendwo dazwischen liegt die schöne Wahrheit. Ich glaube, die ist uns mit den Showrunnern Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad sowie den beiden Regisseurinnen Isabel Braak und Nina Vukovic gelungen. Ich habe die Figur Sven als einen sehr von sich eingenommenen und großspurigen Egomanen angelegt. Jetzt galt es zu gucken, wohin sich das weiterentwickelt und dass daraus eine echte Partnerschaft mit der Protagonistin Kleo erwachsen kann, ohne dabei seine Charaktereigenschaften zu verlieren.

Was kann man denn generell richtig machen, wenn man eine zweite Staffel einer erfolgreichen Serie wie „Kleo“ angeht? Viel genauso lassen wie in Staffel eins oder lieber mehr ändern?

Dimitrij Schaad: Das ist eine große Aufgabe. Man muss erkennen, was die erste Staffel wirklich großartig gemacht hat, um das zu verstärken. Und wir mussten verstehen, was noch nicht ideal gelaufen ist. Zum Beispiel Charakterdynamiken, die noch nicht so gut funktionierten. Das musste schnell aus der Serie rausgenommen oder etwas Neues hinzugefügt werden. Das ist dem Autor:innenteam extrem gut gelungen. Das war schon in den Drehbüchern ablesbar, dass sie noch dichter und präziser als in Staffel eins waren.

Die HaRiBos ziehen sich als Showrunner-Konstante durch die „Kleo“-Produktion. Auf dem Regiestuhl gab es mit den von Ihnen schon angesprochenen Isabel Braak und Nina Vukovic Wechsel. Wie war die Zusammenarbeit?

Dimitrij Schaad: Beide Regisseurinnen brachten gute neue Elemente in die Serie. Für mich als Schauspieler war es dahingehend eine Herausforderung, weil ich eine extreme Figur spiele, die in der ersten Staffel eng in der Zusammenarbeit mit Regisseur Jano Ben Chaabane entstand. Dabei wurde die Figur richtig geformt. Ich hatte auch eine relativ große kreative Kontrolle über Sven. Dann in der zweiten Staffel mit neuen Personen an die Figur heranzugehen, war zuerst nicht ganz einfach. Aber vielleicht spiegelt die Arbeitserfahrung auch die Figur Sven: weg vom Egomanen und hin zu einem besseren Partner. Das war dann auch meine Reise als Schauspieler mit der Regie in der zweiten Staffel.

Was bedeutet die von Ihnen angesprochene kreative Kontrolle in der ersten Staffel genauer?

Dimitrij Schaad: Ich kommuniziere gar nicht so viel am Set, sondern biete als Schauspieler eher an. Das kann manchmal auch störend sein, aber ich versuche erstmal meine Vision zu zeigen. Die Figur Sven war nie lustig geschrieben. Das war ein Element, das ich im Casting mit einbrachte. Von der ersten Anprobe zum Beispiel gibt es noch Fotos, wo Sven noch hypermaskulin im Chuck-Norris-Outfit zu sehen ist. Er trug eine Jeansweste mit abgeschnittenen Ärmeln. Ich probierte dann, was es meiner Meinung nach noch nie in der deutschen Polizeidarstellungsgeschichte gab: Ich wollte eine Figur spielen, die Anleihen an Eddie Murphy in „Beverly Hills Cop“ besitzt. Jemand, der quatscht und die Comedy in die Serie bringt. Das halte ich für meine schauspielerischen Stärken, deswegen wollte ich Sven etwas theatraler und weniger ernst anlegen. Ich wollte eigentlich nie einen Polizisten spielen, weil ich die Ernsthaftigkeit furchtbar finde. Bitte, deutsche Kino- und TV-Zuschauer:innen, hört auf, so viele Krimi zu gucken!

Dimitrij Schaad in Kleo
Dimitrij Schaad in Action (Credit: Netflix)

Es ist herauszuhören, dass für Sie auch die potenzielle Figur eines „Tatort“-Kommissars keine Traumrolle ist.

Dimitrij Schaad: Auf keinen Fall. Das wäre mein Kreativ-Tod. Es gibt viele wunderbare Kolleginnen und Kollegen, die das aus unterschiedlichen Gründen und auch gut machen. Aber für mich wäre das als Figur überhaupt nichts.

„Kleo“ startete als Netflix-Serie schönerweise auch gleich international durch. Welche weltweite Resonanz haben Sie über Social Media erfahren?

Dimitrij Schaad: Das war als Erfahrung krass, weil einem plötzlich etwa Menschen aus Indien, Brasilien oder Südkorea schreiben. Mir schrieben auch Sanitäter:innen, die in einem Bunker in der Ukraine festsaßen, dass sie die Serie schauen. Oder eine Frau aus Wyoming, die die Serie mochte, an einem Schaad-Boulevard vorbeifuhr und ihn extra für mich fotografierte. Es ist schon faszinierend, wo solch ein Format Menschen erreichen und abholen kann und dass sich gerade der Humor über Sprachbarrieren übertragen hat.

 Für Nicht-Theatergänger erschienen Sie im Jahr 2020 plötzlich auf der Kinobühne mit dem Hit „Die Känguru-Chroniken“ und drehten gleich noch die Netflix-Serie „Kleo“ hinterher. Tatsächlich hatten Sie vorher aber bereits eine lange und erfolgreiche Theaterkarriere hinter sich. Ist das ein empfehlens- und nachahmenswerter Weg?

 Dimitrij Schaad: Ich liebe das Medium Theater und auf der Bühne zu stehen. Ich mache das nach wie vor. Ich hatte dieses Jahr meine Solo-Show „The Silence“ auf der Schaubühne in Berlin, die beim Theatertreffen unter den zehn bemerkenswerten Theaterproduktionen des Jahres eingeladen war. Das wurde ein kleiner Berlin-Hit. Ich habe dieses Jahr immer noch 70 Vorstellungen gespielt. Das bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens. So wie es meine Muskeln trainiert hat, ist das unglaublich wertvoll für mich gewesen. Mit mehr als 1.000 Vorstellungen, die ich bislang gespielt habe, bekommt man das mit Drehtagen gar nicht hin. Ich mag aber beide Medien gleichermaßen. Ich mag es, tagsüber am Set zu stehen und abends noch eine Vorstellung spielen zu können. Aber das ist nicht für jeden etwas. Die Übersetzung klappt aber auch nicht immer: Joachim Meyerhoff ist ein Theater-Gigant und ein exzellenter Schauspieler, fand aber bisher noch nicht zu einer guten Filmrolle. Jens Harzer ist auch ein sensationeller Theaterschauspieler, der bei Filmen und Serien punktuell immer wieder vorkommt, aber dort traurigerweise keinem breiten Publikum bislang ein Begriff ist. In beiden Welten gut unterwegs sein zu können, ist ein riesiges Privileg. Allein in einer dieser beiden Welten so vorkommen zu dürfen, wie ich es darf, ist schon eigentlich Privileg genug.

Wie fiele bei dem hypothetischen Fall einer auf die Brust gesetzten Pistole, die Sie zu einer Entscheidung zwingen würde, nur noch eins machen zu dürfen, Ihre Wahl aus?

Dimitrij Schaad: Ich würde mich immer für den Stoff entscheiden. Weniger das Medium, sondern das Projekt, bei dem ich das Gefühl habe, dass ich auch etwas zu erzählen habe und mich auch eine Darstellung reizt. Wenn ich ein Leben lang so vielschichtige, ausgefeilte und bescheuerte Figuren spielen könnte wie Sven Petzold in „Kleo“, dann bräuchte ich vielleicht Theater nicht. Aber nun weiß ich auch, dass das eher eine Ausnahme ist.

International wird „Kleo“ häufig mit der britischen Phoebe-Waller-Bridge-Serie „Killing Eve“ verglichen, in der Sie noch vor „Kleo“ mitspielten. Wie kam das zu Stande?

Dimitrij Schaad: Das war einfach nur eine hereingekommene Casting-Anfrage, bei der russischsprachige Darsteller gesucht wurden. Ich nahm ein Casting auf, was die Verantwortlichen ziemlich begeisterte, weil ich die Figur auch eher lustig anlegte. Ich spielte einen hängengebliebenen Verschwörungstheoretiker. Ehrlich gesagt glaube ich, dass mein Auftritt bei „Killing Eve“ zumindest ein bisschen auch dafür verantwortlich war, dass ich bei „Kleo“ auf der Casting-Liste landete.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Dimitrij Schaad: Ich schreibe gerade an meiner ersten eigenen Serie für einen Streamingdienst. Zusammen mit meinem Bruder Alex bin ich Headautor und Creator. Ich darf noch nichts zu dem Projekt sagen. Aber die aktuelle Planung ist, dass wir in zehn Wochen Drehbeginn haben. 

Das Interview führte Michael Müller